Tränende Augen, laufende Nase, heftige Niesattacken – und Schuld ist das Haustier. Allein auf Katzen reagieren in Europa 8% der Bevölkerung allergisch, in den USA sogar doppelt so viele. Eine neue Behandlungsmöglichkeit – die sogenannte Peptid-Immuntherapie – könnte die Situation für die Katzenallergiker „dramatisch verändern“, kündigte PD Dr. Jörg Kleine-Tebbe beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in Leipzig an [1].
Das Ziel der Therapie von Tierallergien ist es, rechtzeitig die Entstehung eines Asthmas zu verhindern: Allergenkarenz oder Immuntherapie sind die Optionen. Ersteres kommt für viele Patienten nicht in Frage und die Adhärenz bei spezifischen Immuntherapien, egal ob in der subkutanen (SCIT) oder sublingualen Variante (SLIT), ist erfahrungsgemäß schlecht. Ein Wendepunkt wäre erreicht, wenn sich günstige Resultate der Peptid-Immuntherapie in einer demnächst abgeschlossene Studie bestätigten, sagte Kleine-Tebbe, niedergelassener Allergologe aus Berlin.
Unbefriedigende Optionen: Tier abschaffen oder wenig evidente Immuntherapie
Befindet sich die Katze bereits im Haushalt und sind Symptome vorhanden, lautet die Empfehlung oft, sie abzuschaffen. Das wahre Leben jedoch laufe nicht wie im Medizin-Lehrbuch, betonte Dr. Marcus Dahlheim, niedergelassener Kinder-Pneumologe aus Mannheim, im Gespräch mit Medscape Deutschland. Deshalb sei es wichtig, differentialdiagnostisch zu klären, ob Hinweise auf ein beginnendes Asthma vorliegen und wie relevant das Tier tatsächlich für die Symptome ist.
Kleine-Tebbe ergänzte, dass der Stellenwert der Allergenkarenz zur Sekundärprävention einer Tierallergie unklar sei – bei vorliegenden deutlichen Symptomen allerdings notwendig. Zur Primärprävention jedoch sei die Allergenkarenz völlig ungeeignet, da es experimentelle Hinweise darauf gibt, dass z.B. anhaltender Kontakt zu Katzen hyposensibilisierend wirken kann.
Mit den bisherigen immuntherapeutischen Optionen sollte zurückhaltend umgegangen werden, empfahl Kleine-Tebbe. Zwar konnte in explorativen Studien zu Tierallergien nachgewiesen werden, dass etwa mit einer SCIT die Hyperreagibilität der Patienten gegen Katzen- und Hundeallergene abnimmt. Doch die Studienparameter seien sehr variabel, die Fallzahlen mit oft nur 20 bis 30 Teilnehmern klein und die Ergebnisse insgesamt heterogen gewesen, so Klein-Tebbe. Nicht vergessen werden dürfte auch das potenzielle Risiko einer anaphylaktischen Reaktion.
Ermutigende Studien mit T-Zell-Peptiden
Abhilfe könnte die Peptid-Immuntherapie schaffen: Synthetisch hergestellte, kurze T-Zell-Peptide, die etwa ein Katzenallergen repräsentieren, werden dabei über einen Zeitraum von 12 Wochen wiederholt intrakutan verabreicht.
Eine kanadische Arbeitsgruppe hat kürzlich 2-Jahresdaten einer randomisierten, doppelt verblindeten und placebokontrollierten Studie bei Katzenallergikern vorgestellt. Die Interventionsgruppe hatte mit Cat-PAD ein erstes Prüfmedikament aus der neuen Substanzklasse der SPIREs (synthetic peptide immuno-regulatory epitopes) erhalten und war regelmäßig in Provokationskammern mit dem am meisten verbreiteten Katzenallergen Fel d 1 konfrontiert worden. Die Behandlung mit 4-mal 6 nmol Cat-PAD über insgesamt 3 Monate reduzierte im Vergleich zu Placebo über bislang 2 Jahre die Rhinokonjunktivitis-Symptome.
Nach Angaben einer australischen Arbeitsgruppe haben sich die T-Zell-Peptide außer gegen Katzenallergien experimentell auch bei Hausstaubmilben und Graspollen als wirksam erwiesen. Mit dieser Therapie bestehe die Chance, eine anhaltende immunologische und klinisch wirksame Toleranz zu erzeugen.
Wirkmechanismus noch unklar
Die nur aus 13 bis 17 Aminosäuren bestehenden Peptide haben selbst ein allenfalls minimales inflammatorisches Potenzial, so dass eine gute Verträglichkeit erwartet wird. Die Peptide werden in dendritische Zellen aufgenommen, dem Immunsystem präsentiert und üben ihren Effekt dann auf Th2-Zellen aus.
Was genau passiere, sei noch nicht ganz klar, sagte Kleine-Tebbe beim Kongress. Entweder die Allergen-spezifischen Th2-Zellklone verschwinden (Zelldeletion) oder die Th2-Zellen werden „stumm“ geschaltet (Anergie). Möglich ist aber auch eine regulatorische Th2-Wirkung mit nachfolgender Produktion von IL-10 und IgG4, wodurch Th1- und Th2-Zellfunktionen sowie weitere inflammatorische Signalwege gehemmt werden.
Noch in diesem Sommer werden erste Ergebnisse einer Phase-3-Studie mit weltweit etwa 1.200 Teilnehmern mit Katzenallergien erwartet. Kleine-Tebbe: „Sollte diese positiv ausfallen, werden wir die Möglichkeit haben, Katzenallergiker mit einer sehr sicheren Therapie und mit lediglich vier bis acht Injektionen zu behandeln.“
REFERENZEN:
Diesen Artikel so zitieren: Der Stubentiger darf bleiben – Peptid-Immuntherapie als neue Option bei Haustierallergie - Medscape - 15. Mär 2016.
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