Sport für COPD-Patienten – Schrittzähler und entsprechende Apps helfen bei der Motivation

Dr. Thomas Meißner

Interessenkonflikte

8. März 2016

Leipzig – Körperliche Aktivität und angepasstes Training werden in immer mehr internistischen Disziplinen als Teil der Therapie propagiert. Das gilt nun auch für die chronische obstruktive Lungenerkrankung (COPD). Doch lassen sich COPD-Patienten tatsächlich in Bewegung bringen?

Ja, meint PD Dr. Henrik Watz, Leiter des Pneumologischen Forschungsinstituts an der LungenClinic Grosshansdorf bei Hamburg. Schon 15 Minuten Spazierengehen täglich machten einen prognostischen Unterschied aus im Vergleich zu Patienten mit jährlich abnehmender Aktivität, sagte er. Körperliche Bewegung sei in Bezug auf das Gesamtüberleben sogar ein besserer prognostischer Marker als die Lungenfunktion, ergänzte sein Kollege Dr. Benjamin Waschki aus Grosshansdorf beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in Leipzig [1]. Waschki war auf dem Kongress mit einem Preis für seine klinischen Forschungen zu der Thematik ausgezeichnet worden.

Joggen gehen bei COPD? Das ist irreal!

Klar ist aber auch: „150 Minuten pro Woche Sport treiben oder joggen gehen ist völlig irreal für COPD-Patienten“, so Watz. Doch schon vergleichsweise geringe, aber regelmäßige Aktivitäten bringen etwas: Watz verwies auf Studien, wonach moderate, regelmäßige Belastungen wie täglich eine Viertelstunde Gehen die Gesamtmortalitätsrate um 14% senken und die Lebenserwartung um durschnittlich 3 Jahre steigern kann. Selbst langsames Joggen für nur 5 bis 10 Minuten täglich wirkt sich prognostisch günstig aus. 5 Minuten Joggen entsprechen demnach 15 Minuten Gehen und 25 Minuten Joggen entsprechen 105 Minuten Gehen.

 
Mit körperlichem Training können COPD-Patienten etwas gewinnen, vielleicht manchmal mehr als mit einem Hub aus dem Inhalator. Prof. Dr. Hubert Wirtz
 

Regelmäßige Bewegung soll die COPD-typische Abwärtsspirale aus körperlicher Schonung, daraus resultierendem Muskelabbau und weiterer Schonung stoppen oder zumindest verlangsamen. „Mit körperlichem Training können COPD-Patienten etwas gewinnen“, unterstützte DGP-Kongresspräsident Prof. Dr. Hubert Wirtz aus Leipzig die Argumente seines Kollegen, „vielleicht manchmal mehr als mit einem Hub aus dem Inhalator.“

Die DGP rät daher Lungenpatienten, bereits in einem frühen Krankheitsstadium regelmäßig körperlich aktiv zu sein. Dies wirke sich günstig auf die Lebensqualität, die Zahl der Krankenhauseinweisungen und die Sterblichkeit aus. „Die Patienten sind oft leistungsfähiger als sie denken“, ist die Erfahrung von Watz.

Jahr für Jahr massiver Muskelabbau

In einer kürzlich veröffentlichten prospektiven Kohortenstudie geht hervor, dass COPD-Patienten jedes Jahr etwa 400 Schritte/Tag weniger laufen. Das abnehmende physische Aktivitätsniveau korreliert signifikant mit der abnehmenden Lungenfunktion (Einsekundenkapazität, FEV1) und der Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustands (St. George’s Respiratory Questionnaire). Anhaltende körperliche Inaktivität ging einher mit einer Verkürzung der Strecke im 6-Minuten-Gehtest und mit abnehmender Muskelmasse.

 
COPD-Patienten brauchen Erfolgserlebnisse, sie brauchen etwas, an dem sie sich orientieren können. PD Dr. Henrik Watz
 

„Diese Patienten sind angewiesen auf ihre Muskulatur, insbesondere die Atemhilfsmuskulatur“, erläuterte Watz in Leipzig. Der Verlust an Muskelmasse sei mit etwa einem Kilogramm pro Jahr „dramatisch“. Unter seiner Federführung hatte bereits vor 2 Jahren die European Respiratory Society (ERS) in einem Positionspapier verstärkte Forschungsanstrengungen gefordert, um zu ermitteln, mit welchen pharmakologischen und nicht-pharmakologischen Maßnahmen das körperliche Aktivitätsniveau von COPD-Patienten erhalten oder angehoben werden könne.

Motivation mit Schrittzähler und App

Ein kritischer Punkt ist die Motivation von COPD-Patienten. Selbst regelmäßige Gespräche zum Verhalten im Alltag, etwa im Rahmen der Rehabilitation, bewirkten allenfalls spät Veränderungen, räumt Watz ein. Zumindest bei einem Teil der Patienten hätten sich Schrittzähler bewährt, sagte er. Viele seiner Patienten präsentiertem ihm selbst nach Abschluss einer Studie oder der Rehabilitation noch ihre erreichten Aktivitätswerte.

Auch COPD-Bewegungs-Apps können ein Anreiz sein, um abends noch einen kleinen Spaziergang zu unternehmen. Watz: „COPD-Patienten brauchen Erfolgserlebnisse, sie brauchen etwas, an dem sie sich orientieren können.“ Für die Patienten sei gerade in der Phase der 3-wöchigen Rehabilitation mit intensiver Trainingstherapie, Rauchabstinenz und Inhalationsschulung eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität spürbar.

Klar ist aber auch: Nicht jeder COPD-Patient wird sich für körperliches Training, selbst auf niedrigem Niveau, begeistern lassen. „Ich werde häufig mit Pessimismus konfrontiert. Aber es gibt auch Patienten, die selbst die Abwärtsspirale unterbrechen wollen.“ Watz schätzt, dass sich 20 bis 30% der COPD-Patienten motivieren lassen. Noch gebe es bundesweit zu wenige Lungensportgruppen. Hieran müsse gearbeitet werden. Denkbar sei die Kombination mit Herzsportgruppen.

 

REFERENZEN:

1. 57. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, 2. bis 5. März 2016, Leipzig

 

Kommentar

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