Verursacht das Zika-Virus tatsächlich schwere Gehirnschäden bei Ungeborenen? Immer mehr Indizien weisen darauf hin. Mit den ersten Ergebnissen einer prospektiven Kohortenstudie aus Rio de Janeiro, die gerade im New England Journal of Medicine veröffentlicht worden ist, verdichten sich nun die Hinweise auf einen Zusammenhang weiter [1].

Prof. Dr. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit
„Eine insgesamt sehr wichtige Studie“, urteilt Prof. Dr. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit, Leiter der Virusdiagnostik am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg, gegenüber Medscape Deutschland. Den endgültigen wissenschaftlichen Beweis eines kausalen Zusammenhangs liefere die Untersuchung allerdings immer noch nicht. Es seien weitere Untersuchungen notwendig, schreiben auch die Studienautoren um Dr. Patrícia Brasil von der Oswaldo Cruz Foundation in Rio de Janeiro.
Infektionen sind nicht nur im 1. Trimester gefährlich
Schmidt-Chanasit hebt allerdings eine weitere Beobachtung der Forscher hervor. „Auf jeden Fall ist aber ein neuer und wichtiger Aspekt, dass anscheinend nicht nur Frauen in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten betroffen sind“, erklärt er.
Brasil und ihre Kollegen halten in ihrer Publikation fest: „Fetale Abweichungen wurden bei Frauen unabhängig vom jeweiligen Schwangerschaftsmonat festgestellt.“ Infektionen im ersten Trimester würden offenbar die Embryogenese negativ beeinflussen, aber Abweichungen wären auch bei Feten aufgetreten, deren Mütter sich erst in der 27. Schwangerschaftswoche mit dem Zika-Virus infiziert hatten. 2 Babys starben sogar erst kurz vor dem Geburtstermin.
„Frauen mit einer vermuteten oder bestätigten Zika-Virus-Infektion sollten engmaschig überwacht werden“, fordern die Autoren deshalb. Und der Fokus sollte dabei nicht nur auf den allseits gefürchteten Mikrozephalien liegen. In Anbetracht des Risikos eines intrauterinen Fruchttods oder von Wachstumsrestriktionen sollten regelmäßige Ultraschalluntersuchungen auch Hinweise auf Plazentainsuffizienzen liefern.
29 Prozent der Ultraschallbilder zeigten Anomalien
In die prospektive Studie wurden insgesamt 88 schwangere Frauen aus Rio de Janeiro, die während ihrer Schwangerschaft einen Hautauschlag entwickelt hatten und sich in der Klinik der Oswaldo Cruz Foundation vorstellten, aufgenommen. Die ersten Anzeichen des Ausschlags durften dabei nicht länger als 5 Tage zurückliegen (das Virus ist im Blut bzw. Urin nur für 3-14 Tage nachweisbar).
Die Exantheme gehören mit Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Bindehautentzündungen und Fieber zu den typischen Symptomen einer Zika-Virus-Infektion. Sie treten nicht bei jedem Patienten auf, sind aber ein guter Hinweis auf eine Virus-Ansteckung.
Dies zeigte sich auch in der vorliegenden Untersuchung. So konnten die Wissenschaftler bei 72 der untersuchten Frauen (82%) eine Zika-Virus-Infektion mittels Real-time-PCR im Blut und/oder Urin nachweisen. Die Ansteckung erhöhte außerdem das Risiko eines makulopapulösen Hautauschlags (44% vs 12% bei nicht infizierten Frauen), einer Konjunktivitis (58% vs 13%) und einer Lymphadenopathie (40% vs 7%).
Im Großen und Ganzen stuften die Forscher die Symptome der werdenden Mütter jedoch als mild ein. Weitaus gravierender scheint sich die Infektion dagegen auf die ungeborenen Kinder auszuwirken. Insgesamt 42 Frauen mit einer akuten Zika-Virus-Infektion zwischen der 6. und 35. Schwangerschaftswoche wurden von den Wissenschaftlern regelmäßig per Ultraschall untersucht.
„Unsere Resultate sind besorgniserregend, da 29 Prozent der Ultraschallbilder Anomalien zeigten“, so Brasil und ihre Kollegen. Zu den erhobenen Befunden zählten 2 fetale Todesfälle nach der 30. Schwangerschaftswoche, intrauterine Wachstumsverzögerungen mit und ohne Mikrozephalie (5 Feten), intrakranielle Verkalkungen und andere ZNS-Läsionen (7 Feten) sowie eine anormale Zusammensetzung der Amnionflüssigkeit und Durchblutungsstörungen in der Umbilikal-, Zerebral und Plazentaarterie (7 Feten).
Von den 42 infizierten Frauen haben zwischenzeitlich 8 ihre Kinder zur Welt gebracht. Die Ultraschallergebnisse konnten in jedem Fall bestätigten werden. Bei den 16 nicht infizierten Frauen zeigten sich keine Abweichungen.
Wie Röteln – nur ohne Immunität
„Unsere Resultate weisen auf einen Zusammenhang zwischen maternaler Zika-Virus-Infektion und fetalen und plazentalen Anomalien hin“, schreiben die Studienautoren. Die Forscher um Brasil halten zudem fest, dass viele der hier dokumentierten Befunde wie Hautausschläge, Gelenkschmerzen, Juckreiz und Lymphadenopathie ohne hohes Fieber an Röteln erinnern würden. Bei der Röteln-Pandemie in den Vereinigten Staaten zwischen 1959 und 1965 hätten 85% der Babys mit vorgeburtlicher Infektion intrauterine Wachstumsverzögerungen gezeigt.
Einen bedeutenden Unterschied gebe es aber doch zwischen den Zika-Virus-Infektionen in Brasilien und dem Röteln-Ausbruch in den USA: „In Brasilien weist die Population in den Jahren 2015 bis 2016 keine Antikörper gegen das Zika-Virus auf“, schreiben sie. In den USA hätten 1959 dagegen nur 17,5% der Frauen im gebärfähigen Alter keine Antikörper gegen das Rötelnvirus aufgewiesen. Trotzdem habe es damals 20.000 Fälle von Röteln-Embryofetopathien gegeben.
REFERENZEN:
1. Brasil P, et al: NEJM (online) 4. März 2016
Diesen Artikel so zitieren: Verdacht erhärtet sich: Zika-Viren schädigen Ungeborene – und das in jedem Schwangerschaftsstadium - Medscape - 7. Mär 2016.
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