Im Rechtsstreit eines Zahnarztes gegen das Ärztebewertungsportal Jameda hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag dem Portal stärkere Prüfpflichten als bisher auferlegt (Az: VI ZR 34/15). Der Arzt hatte eine schlechte Bewertung beanstandet und bezweifelt, ob er den betreffenden Patienten überhaupt je behandelt hatte. Es liegt nun künftig bei dem Bewertungsportal nachzuweisen, dass eine Behandlung überhaupt stattgefunden hat.

Michael Terhaag
Das Portal muss also die Beanstandung des Arztes an den Patienten weitergeben und ihn seinerseits dazu auffordern, die Behandlung genau zu beschreiben. Außerdem soll das Portal vom Patienten konkrete Belege der Behandlung einfordern, etwa durch Bonushefte, Rezepte oder sonstige Hinweise wie der BGH in einer Pressemitteilung darlegt [1].
„Diese Informationen und Unterlagen müssen dann auch an den Arzt weitergeleitet werden, ohne jedoch die Identität des Patienten preiszugeben“, wie der Rechtsanwalt Michael Terhaag gegenüber Medscape Deutschland erläutert. Seine Kanzlei ist auf IT-und Internetrecht spezialisiert und damit auch häufig mit Fragen der Meinungsäußerung befasst.
„Die Position der Ärzte, sich gegen etwaige Falschbewertungen zu erwehren, ist durch den BGH gestärkt worden“, ordnet Terhaag das Urteil ein. Auf der Internetplattform seiner Kanzlei aufrecht.de wird das BGH-Urteil kommentiert.
Die genaue Urteilsbegründung und Hinweise zur Umsetzung der Prüfpflichten erfolgt laut BGH schriftlich zu einem späteren Zeitpunkt.
Note 4,8: Unterschiedliche Urteile in verschiedenen Instanzen
Zur Vorgeschichte: Im konkreten Fall hatte der Kläger einen Schulnoten-Schnitt von 4,8 bekommen. Die Bereiche „Behandlung“, „Aufklärung“ und „Vertrauensverhältnis“ sind jeweils mit 6 bewertet worden. Diese Bewertung hat der Zahnarzt beanstandet und forderte dazu noch vor einem Prozess dazu auf, den Eintrag zu löschen. Jameda hatte daraufhin die Kritik des Arztes an den Patienten weitergegeben. Die Antwort des Patienten gab das Portal mit Hinweis auf den Datenschutz nicht weiter und ließ die negative Arzt-Beurteilung im Portal.
Der Kläger hatte versucht, die Löschung des Eintrages zu erwirken: Während das Landgericht Köln (28 O 516/13) Jameda zur Unterlassung verurteilt hatte, wies das Oberlandesgericht Köln (15 U 141/14) die Klage ab, weil es der Ansicht war, das Unternehmen sei seinen Prüfungspflichten nachgekommen. Aus datenschutzrechtlichen Gründen habe es die Informationen und Unterlagen zur Behandlung des Patienten gar nicht an den Zahnarzt übersenden dürfen, so das OLG Köln. Der Zahnarzt ging in Revision mit dem Argument, dass er sich ohne Informationen darüber, um welchen Patienten und welche Behandlung es gehe, nicht verteidigen könne.
Der BGH geht nun davon aus, dass „Betreiber eines Bewertungsportals im Vergleich zu anderen Portalen von vornherein ein gesteigertes Risiko von Persönlichkeitsverletzungen tragen. Dabei wirke die Anonymität der Nutzer verstärkend. Hierdurch werde es dem Zahnarzt erschwert, gegen den Patienten vorzugehen, da dieser anonym bleibe.
Von anderen Branchen weiß Rechtsanwalt Terhaag, dass schlechte Noten beispielsweise oftmals von Konkurrenten abgegeben werden, um das Unternehmen schlecht zu machen. Deshalb sei es auch legitim, dass der Kritisierte nun mehr Details über die Bewertung erfahren könne. Gleichzeitig soll aber auch der Datenschutz und die Anonymität des Patienten gewahrt werden – ohne Verstoß gegen das Telemediengesetz (TMG) §12 Abs. 1, worauf der BGH explizit hinweist.
Anonymität der Patienten soll gewahrt bleiben
„Die Anonymität des Bewertenden kann weiterhin gewahrt werden“, betont auch Jameda in einer Pressemitteilung. Informationen würden niemals ohne Einverständnis des Patienten und ausschließlich in anonymisierter Form weitergegeben werden. Dr. Florian Weiß, CEO von Jameda, begrüßte es, dass der BGH Hinweise auf konkrete Prüfprozesse von Arztbewertungen gegeben habe und nun zu mehr Rechtssicherheit beitrage.
Wie diese Prüfprozesse im Einzelnen ausssehen werden, wird das BGH voraussichtlich noch in seinem schriftlichen Urteil erläutern.
Schon vorher hat Jameda etwa in verschiedenen Streitfällen Belege über die Behandlung vor Gericht vorgelegt. Alle Hinweise zur Person des Patienten seien dann in den Unterlagen geschwärzt worden, um die Anonymität des Patientens zu wahren, erläutert Jameda-Pressesprecherin Elke Ruppert gegenüber Medscape Deutschland.
Vermutlich werden auch die Ärzte, die die Einsicht in die Unterlagen fordern, derart geschwärzte Unterlagen erhalten. Wie genau dies erfolgen soll, dazu erhoffen sich die Beteiligten noch eine Präzisierung vom BGH.
Der BGH betonte, dass dem Unternehmen keine Prüfungspflicht auferlegt werden dürfe, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährde oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschwere.
Dennoch: „Ärzte haben künftig bessere Chancen, dass negative Einträge wieder gelöscht werden. Das Unternehmen wird sich um den zusätzlichen Aufwand nicht reißen“, vermutet Rechtsanwalt Terhaag.
„Wer über sich im Internet fälschlicherweise lesen muss, dass er Patienten mit einer Alkoholfahne behandelt, bekommt ernsthafte Probleme“, meint der Anwalt. Terhaag ist überzeugt, dass das Urteil sich auch auf Portale anderer Branchen auswirken wird – wie Gastronomie und andere Dienstleister. So würde ein Hotelbewertungsportal künftig auch Nachweise einholen müssen, dass der Gast überhaupt in dem Hotel übernachtet habe.
Ob auf das Ärztebewertungsportal künftig mehr Arbeit zukomme, weil zunehmend solche Belege eingefordert werden, werde sich noch zeigen, so Jameda-Pressesprecherin Ruppert gegenüber Medscape Deutschland.
REFERENZEN:
1. BGH: Pressemitteilung, 1. März 2016
Diesen Artikel so zitieren: Bundesgerichtshof stärkt die Rechte von Ärzten bei Bewertungen im Internet - Medscape - 2. Mär 2016.
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