Tumorassoziierte Fatigue: Achtsamkeit, Akupunktur und Bewegung helfen mehr als Medikamente

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

2. März 2016

Berlin – Die tumorassoziierte Fatigue ist häufig, die Ursachen sind weitgehend ungeklärt. Unter den zahlreichen Therapieansätzen haben sich körperliche Aktivität und Mind-Body-Therapien bisher am besten bewährt, hieß es beim Deutschen Krebskongress 2016, bei dem das Thema in mehreren Sitzungen diskutiert wurde [1].

„Fatigue ist eine der häufigsten Komplikationen während und nach Krebstherapie“, bestätigte Prof. Dr. Karen Steindorf, Abteilung Bewegung, Präventionsforschung und Krebs am Deutschen Krebsforschungsinstitut (DKFZ) in Heidelberg. Bis zu 80% der Krebspatienten leiden darunter. Auch hält die Fatigue oft lange an und kann die Lebensqualität massiv beeinträchtigen.

Ursachen weitgehend unklar

Häufig findet sich keine direkte Ursache. Bei Menschen mit Krebserkrankungen des Bluts und der Lymphknoten sowie nach intensiven Therapien scheint Fatigue aber häufiger zu sein. Was man weiß: Zur Entstehung tragen der Tumor selbst, die Therapie, Komorbiditäten, psychische und somatische Faktoren des Patienten bei.

Nach Aussage von Steindorf deuten unterschiedliche Verläufe der Fatigue darauf hin, dass es mindestens 2 Haupttypen gibt:

  • die akute therapiebedingte Fatigue, hauptsächlich assoziiert mit Chemo- und Strahlentherapie, die sich mit Ende der Therapie bessert, und die

  • persistierende Fatigue, die zwar während der Therapie induziert wird, aber danach über Monate bis Jahre bestehen bleiben kann. Sie kommt häufiger bei Patienten vor mit vorher bestehender Depressivität, psychischen Vorerkrankungen und körperlichen Faktoren, die mit Schmerzen assoziiert sind.

Akupunktur kann helfen

„Die Ursachen sind unklar, deshalb sind Therapieansätze schwierig“, so Steindorf. „Bislang gibt es wenig erfolgversprechende Ansätze und wenig gesicherte Erkenntnisse.“

„Akupunktur kann eine Fatigue bessern“, berichtete Dr. Petra Voiß, Oberärztin der Abteilung Integrative Onkologie der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin an den Kliniken Essen-Mitte. Untersuchungen gibt es vor allem von Frauen mit Mammakarzinom. Unter anderem stellte Voiß eine Studie vor, in der randomisiert 65 Frauen über 4 Wochen einmal wöchentlich durch einen Therapeuten akupunktiert wurden, 67 behandelten sich nach einer entsprechenden Schulung selbst und 65 wurden nicht behandelt. In den beiden Akupunkturarmen ergab sich ein Trend zur Besserung der Fatigue (p = 0,07).

 
Akupunktur kann eine Fatigue bessern. Dr. Petra Voiß
 

Dass auch eine Selbstakupunktur möglich zu sein scheint, hob Voiß als besonderes Ergebnis dieser Studie hervor. Sie merkte aber auch kritisch an, dass von mehr als 23% der Patienten die Daten fehlten. Die Gesellschaft für Integrative Onkologie empfiehlt in ihren 2014 publizierten Leitlinien zur Supportivtherapie bei Patientinnen mit Brustkrebs mit einem Evidenzgrad C, die Akupunktur zur Behandlung der Fatigue in Erwägung zu ziehen.

Mind-Body-Medizin mit Kategorie-1-Empfehlung

Die Mind-Body-Medizin umfasst ein medizinisches Konzept, das einen Schwerpunkt auf das Zusammenspiel von Geist, Seele und Körper legt und darauf abzielt, Selbstheilungskräfte und Eigenverantwortung des Patienten zu stärken. Hierzu werden verschiedene Techniken und Verfahren eingesetzt, wie Entspannungstechniken, Spannungsregulation und kognitive (emotionale) Umstrukturierung, Yoga oder spezielle Ernährung.

Als sehr wichtigen Aspekt bezeichnete Voiß die Achtsamkeit: „Die Fähigkeit, im gegenwärtigen Moment präsent zu sein, bildet die Basis für Selbstwahrnehmung, Akzeptanz, Achtung und Fürsorge.“ Der Patient wird geschult, im „hier und jetzt“ zu leben, dadurch nehmen seine Ängste ab, weil sich diese meist auf die Zukunft beziehen. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass Mind-Body-Therapien bei Fatigue wirksam sein können. In den NCCN-Leitlinien zur Fatigue sind sie deshalb mit einer Kategorie-1-Empfehlung aufgeführt.

Gut belegt: Körperliche Aktivität ist sinnvoll

Für die günstigen Wirkungen von Bewegung und körperlicher Aktivität auf die Fatigue gibt es nach Aussage von PD Dr. Freerk Baumann, Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Deutschen Sporthochschule in Köln, ausreichend Belege. Schon mit Bewegungsprogrammen über 3 Wochen können nachhaltige Effekte erzielt werden. Aber: „Bewegung muss man auch richtig dosieren.“ Am effektivsten waren bei Frauen mit Brustkrebs während der adjuvanten Therapie 4 bis 5 Stunden Spazierengehen pro Woche. Bei zu starker körperlicher Aktivität könnten auch negative Effekte auftreten, warnte er. Je stärker die Fatigue sei, desto geringer solle die Intensität der körperlichen Aktivität sein.

Man weiß, dass körperliche Aktivität eine Kaskade verschiedener Effekte auslöst, der genaue Wirkungsmechanismus bei der Fatigue ist jedoch noch unklar: „Fatigue ist ein multifaktorielles Geschehen, Bewegung ebenfalls“, so Baumann. In der FatiGo-Studie soll ein Teil der noch offenen Fragen geklärt werden.

In dieser prospektiven, randomisierten und kontrollierten Studie soll die unmittelbare Wirkung einer zielgerichteten Bewegungstherapie auf das Fatigue-Syndrom von 120 onkologischen Patienten in der Nachsorge untersucht werden. Neben der direkten Wirkung auf die Fatigue werden auch Effekte auf die Lebensqualität, das körperliche Aktivitätsniveau und die Frage untersucht, welche Intervention (Kraft- oder Ausdauertraining) und welche Intensität bessere Effekte zeigt. Offen ist derzeit auch noch, ob die Effekte durch Bewegung in der Natur möglicherweise noch höher sind.

Baumann stellte zudem das Konzept der Onkologischen Trainings- und Bewegungstherapie (OTT) vor, ein „systematisiertes Modellkonzept, das aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse in die Bewegungstherapie mit Krebspatienten überführt“. Das Konzept stützt sich auf die 3 Säulen Wissenschaft, Versorgung und Lehre.  

Keine Evidenz für Arzneimitteltherapie

„Für die Behandlung mit Arzneimitteln gibt es derzeit keine ausreichende Evidenz“, betonte Dr. Markus Horneber, Klinik für Onkologie, Klinikum Nürnberg. „Angesichts der komplexen Entstehung von Fatigue ist es nicht verwunderlich, das pharmakologische Maßnahmen in der Therapie keine große Rolle spielen.“

 
Für die Behandlung mit Arzneimitteln gibt es derzeit keine ausreichende Evidenz. Dr. Markus Horneber
 

Wenn die Therapie von Symptomen, Belastungen und Funktionsstörungen optimiert ist, könne bei ausgesuchten Patienten eine Behandlung mit Methylphenidat während/nach Abschluss der Antitumor-Therapie oder eine Behandlung mit Glukokortikoiden oder Methylphenidat in der palliativmedizinischen Situation erwogen werden. Ganz klar die Aussage von Horneber: „Antidepressiva spielen in der Behandlung der Fatigue keine Rolle.“

Auch phytotherapeutische Ansätze könnten im Gesamtkonzept der Fatigue-Behandlung nur ein Baustein unter vielen sein, erläuterte Dr. Matthias Rostock, Institut für komplementäre und integrative Medizin, Universitätsspital Zürich, und Hubertus Wald Tumorzentrum Hamburg. Untersuchungen liegen z.B. zu Guarana-Extrakt (Paullinia cupana), zu Ginseng (Panax quinquefolius), zu Sporenpulver aus dem Pilz Ganoderma lucidum, zu Eleutherokokkus senticosus, Rhodiola rosea und Mistel (Viscum album) vor. Auch Baldrian (Valeriana officinalis) scheint günstige Effekte zu haben. Klassische Indikation von Baldrianzubereitungen ist die „nervöse Erschöpfung. Das ist nichts anderes als Fatigue“, erklärte Rostock.

 

REFERENZEN:

1. 32. Deutscher Krebskongress, 24. bis 27. Februar 2016, Berlin

 

Kommentar

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