Niederlande: Assistierter Suizid für psychisch Kranke – wird ihnen der Todeswunsch zu leicht erfüllt?

Christian Beneker

Interessenkonflikte

23. Februar 2016

In Deutschland verboten, in den Niederlanden nicht: als Arzt psychisch Kranken beim Suizid zu helfen. Der US-amerikanische Bioethiker Dr. Scott Kim von den National Institutes of Health (NIH) in Bethesda/USA, hat jetzt gemeinsam mit Kollegen die Daten von 66 Fällen assistierten Suizids bei psychisch Kranken in den Niederlanden aus den Jahren 2011 bis 2014 analysiert und in einer Studie veröffentlicht [1].

Kim stellte fest, dass der Sterbehilfe mitunter auch dann zugestimmt wurde, wenn kein Psychiater den Patienten anlässlich seines Sterbewunsches gesehen hatte. Wie der US-Bioethiker schreibt, neigen die für die Gewährung des Todeswunsches zuständigen Gremien in den Niederlanden dazu, sich auf das Urteil jener Ärzte zu verlassen, die den assistierten Suizid vornehmen. Und das sind eben nicht immer nur Psychiater. Laut Kims Analyse bleibt zudem oft unklar, ob und wie die Ärzte das Leiden der Betroffenen überhaupt verifizieren können.

Seit 2001 verfügen die Niederlande über ein Euthanasie-Gesetz. Es erlaubt Ärzten unter bestimmten Bedingungen bei aussichtslos leidenden Menschen die Tötung auf Verlangen oder den assistierten Suizid. Zu jedem Suizidbegehren muss aber zuvor eine der 5 dreiköpfigen Kommissionen im Land befragt werden. Sie setzen sich jeweils aus einem Ethiker, einem Juristen und einem Arzt zusammen.

Die Zahlen beim assistierten Suizid bzw. der Tötung auf Verlangen sind von 3.136 im Jahr 2010 auf 5.306 im Jahr 2014 gestiegen. Der weit überwiegende Anteil der Suizidwilligen in den Niederlanden wählte dabei 2014 die Tötung auf Verlangen. 2014 waren dies genau 5.033 Menschen, so die Statistik Regionale Toetsingscommissies Euthanasie Jaarverslag 2014. 242 Menschen wählten den assistierten Suizid und 31 Menschen eine Kombination aus beidem. Von allen Menschen, die sich 2014 in den Niederlanden töteten oder töten ließen, hatten dabei „nur“ 41 eine „psychiatrische Störung", wie es im Jahresbericht heißt.

Vor allem Frauen zwischen 50 und 70, die unter Depressionen leiden

Die Forschergruppe um Kim untersuchte nun ausschließlich Fälle von assistiertem Suizid bei psychisch Kranken. 66% und damit 46 waren Frauen. 32% (21 Menschen) waren 70 Jahre oder älter, als sie starben, und 44% und damit 29 von ihnen waren zwischen 50 und 70 Jahre alt. Die meisten waren chronisch psychisch krank, litten unter Persönlichkeitsstörungen, galten als isoliert oder einsam.

Häufig litten sie unter mehr als einer psychischen Erkrankung, 55% (36 Personen) vor allem an Depressionen. Andere Diagnosen waren posttraumatischer Stress, Angst, Trauer, Psychosen, Autismus oder Essstörungen. Viele der Betroffenen hatten Psychiatrie-Aufenthalte, Elektroschocktherapien, Einweisungen und Selbstmordversuche hinter sich und waren bereits Jahrzehnte erkrankt, so Kim.

Mehr als die Hälfte litt zudem unter mindestens einer körperlichen Krankheit, 33% unter zweien und 18% sogar unter dreien, darunter Krebs, Schlaganfälle, Diabetes, Parkinson oder Schmerzen.

Kommentar

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