Patienten mit degenerativen Meniskusschäden, die von Einklemmungen oder Blockierungen im Kniegelenk berichten, sollten nicht zwangsläufig einer arthroskopischen Meniskus-Teilresektion unterzogen werden. So lautet das aktuelle Fazit eines Autorenteams um Dr. Raine Sihvonen, Department of Orthopedics and Traumatology des Hatanpää Hospitals im finnischen Tampere [1].
Kritik nach Erstveröffentlichung der Daten
Im Prinzip soll die arthroskopische Teilentfernung eines geschädigten Meniskus die normale Gelenkfunktion wiederherstellen. Etwa 700.000 solcher Eingriffe werden jedes Jahr in den Vereinigten Staaten durchgeführt. In ihrer bereits im Jahr 2013 veröffentlichten randomisiert-kontrollierten Studie stellten die Wissenschaftler um Sihvonen jedoch schon einmal den Nutzen dieses häufigen Eingriffs in Frage (wie Medscape Deutschland berichtete). Damals kamen sie zu dem Schluss, dass die Meniskektomie in Bezug auf Schmerzreduktion und funktionellen Status keine besseren Ergebnisse erzielt als eine Scheinoperation.
Doch bereits bei der Veröffentlichung der ersten Daten vor 2 Jahren wurde auch Kritik an den weit gefassten Schlussfolgerungen von Sihvonens Team geäußert. Prof. Dr. Christian H. Siebert, Leiter der Klinik für Orthopädie und Sporttraumatologie an der Paracelsus-Klinik in Hannover-Langenhagen, etwa wollte die Studie nicht als grundsätzliche Kritik an der gängigen Behandlungspraxis verstanden wissen und bemängelte u.a. die Patientenauswahl für die Studie.
Zwar seien bei Arthrose-Patienten durchaus Zweifel an der Sinnhaftigkeit vieler Arthroskopien angebracht, sagte er. „Ausgeschlossen blieben allerdings von vornherein Patienten mit einem traumatischen Meniskusriss oder – und das ist mir besonders unverständlich – Patienten mit Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk“, kritisierte Siebert gegenüber Medscape Deutschland. Diejenigen Patienten, die das Gros der täglichen Praxis ausmachten, seien damit von der Untersuchung ausgeschlossen worden.
Zudem hätten verschiedene Experten argumentiert, so beschreiben es nun Sihvonen und Kollegen, dass eine spezielle Patientensubgruppe – nämlich die mit Schnapp- und Blockierungsphänomenen im Kniegelenk – durchaus von der Teilresektion des Meniskus profitieren könnten. Auch Leitlinien wie die des National Institute for Health and Care Excellence in Großbritannien gäben solche mechanischen Blockierungen als OP-Indikation an, schreiben sie.
Keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen
Die Wissenschaftler richteten deshalb in einer zweiten Analyse ihrer Daten, publiziert in den Annals of Internal Medicine, die Aufmerksamkeit auf die vor sowie 2, 6 und 12 Monate nach der (Schein)-Operation angegeben mechanischen Symptome der insgesamt 146 Studienteilnehmer (35-65 Jahre).
Bei 70 Patienten erfolgte im Rahmen der Studie die arthroskopische Teilresektion des medialen Meniskus, bei den anderen 76 Studienteilnehmern wurde zwar ebenfalls eine Arthroskopie durchgeführt, der geschädigte Meniskus blieb jedoch unangetastet.
Insgesamt hatten 32 Patienten in der Resektionsgruppe (46%) vor der Operation Einklemmungs- und Blockierungssymptome angegeben, in der Schein-OP-Gruppe berichteten davon 37 Patienten (49%). Bei den jeweiligen Follow-ups dokumentierten die Forscher bei 34 Patienten in der Resektionsgruppe (49%) und 33 Patienten in der Schein-OP-Gruppe (43%) mechanische Symptome. Die Unterscheide zwischen beiden Gruppen waren nicht signifikant.
Und welche Ergebnisse brachte die alleinige Betrachtung der Subgruppe mit präoperativen mechanischen Symptomen? Auch hier zeichnete sich kein statistisch signifikanter ein Unterschied nach der OP ab. 23 (72%) bzw. 22 (59%) der Patienten berichteten nach der Meniskusteilresektion bzw. Schein-OP von Einklemmungen oder Blockierungen.
Meniskusriss muss nicht die Ursache für mechanische Symptome sein
„Die Resultate lassen daran zweifeln, ob die mechanischen Symptome tatsächlich von einem degenerativen Meniskusriss hervorgerufen wurden“, halten Sihvonen und seine Kollegen fest. Besondere Vorsicht sei deshalb bei den Symptomenbeschreibungen der Patienten als Indikation für eine Meniskusteilresektion geboten.
Ähnlich argumentieren auch Dr. Jeffrey N. Katz, Brigham and Women’s Hospital und Harvard Medical School in Boston, und Dr. Morgan H. Jones, Cleveland Clinic in Ohio, in ihrem Editorial [2]. Einklemmungen und Blockierungen könnten ihrer Ansicht nach auch durch intraartikuläre Knorpelpartikel (Debris) bei Osteoarthrose oder durch fehlendes Meniskusgewebe hervorgerufen werden.
Trotzdem: „Die Gesamtheit der bisherigen Studienergebnisse unterstützt die Operation als eine Option für Patienten mit Knieproblemen und Meniskusrissen“, halten sie fest. Mediziner sollten jedoch ihren Patienten zunächst Physiotherapie empfehlen und erst als Zweitlinientherapie den chirurgischen Eingriff anbieten.
REFERENZEN:
1. Sihvonen R, et al: Ann Intern Med. (online) 9. Februar 2016
2. Katz JN, et al: Ann Intern Med. (online) 9. Februar 2016
Diesen Artikel so zitieren: Einklemmungs- und Blockierungssymptome im Knie: Meniskusteilresektion kann die Probleme nicht bessern - Medscape - 19. Feb 2016.
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