Psychiater, Psychotherapeuten, Traumaexperten, Medizinethiker und Anwälte kritisieren vehement die geplanten Neuregelungen zur beschleunigten Abschiebung von Flüchtlingen im Asylpaket II. Psychische Erkrankungen wie Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) gehören demnach nicht zu den lebensbedrohlichen und schwerwiegenden Erkrankungen.

Dr. Iris Hauth
Das Gesetz soll offensichtlich schnell im Bundestag durchgepeitscht werden: Am kommenden Freitag soll die erste Lesung, die Beratung des Gesetzentwurfs, stattfinden, den die CDU/SPD-Fraktion eingebracht hat. Initiiert wurde er von der Bundesregierung. Eine Anhörung von gesellschaftlich relevanten Gruppen wird voraussichtlich nächsten Montag stattfinden.
„Wir fordern grundlegende Korrekturen. Der Gesetzentwurf darf psychische Erkrankungen nicht verharmlosen“, stellt die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Dr. Iris Hauth, die Position der Fachgesellschaft gegenüber Medscape Deutschland dar.
In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es, dass insbesondere „schwer diagnostizierbar und überprüfbare Erkrankungen psychischer Art“ wie zum Beispiel die PTBS sehr häufig als Abschiebungsgrund geltend gemacht werden. Dies führe in der Praxis zu deutlichen zeitlichen Verzögerungen bei den Abschiebungen. Aber nur „lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden“, könnten die Abschiebung verhindern, so der Entwurf.
Dabei gehe es um äußerst gravierende Erkrankungen, die eine erhebliche konkrete Gefahr für „Leib und Leben“ darstellten. Dies könne allerdings zum Beispiel in Fällen von PTBS in der Regel nicht angenommen werden: „In Fällen einer PTBS ist die Abschiebung regelmäßig möglich, es sei denn, die Abschiebung führt zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis hin zur Selbstgefährdung“, heißt es im Entwurf.
Psychische und somatische Krankheiten: Mit zweierlei Maß
Sowohl die DGPPN als auch die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) betonen, dass der Gesetzentwurf die Schwere psychischer Krankheiten verkenne. Die Flüchtlinge hätten Anspruch auf eine angemessene Begutachtung und Behandlung ihrer Krankheit, fordert BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz. Die Psychiater und Psychotherapeuten kritisierten, dass der Entwurf zur Stigmatisierung von psychisch kranken Personen beitrage. „Es wird hier mit zweierlei Maß gemessen“, so Hauth.
Die Flüchtlinge werden ferner „unter Generalverdacht“ gestellt, psychische Leiden vorzutäuschen, so die BPtK in ihrer Pressemitteilung. Die BPtK hat einen ausführlichen Standpunkt mit aktueller Evidenz zum Thema veröffentlicht.
„Es gibt klare Diagnose-Kriterien nach ICD-10“, betont Hauth. Symptome bei der PTBS wie Flashbacks, Albträume, dissoziative Störungen seien genau beschrieben. „Da müsste sich jemand schon ganz genau auskennen, um das bühnenreif zu inszenieren“, sagt sie.
„Wir arbeiten nach evidenzbasierten Leitlinien und machen keine Sozialhilfe oder Gefälligkeitsgutachten“, stellte die DGPPN-Präsidentin klar und weist auf die S3- Leitlinie zur Diagnose und Behandlung von posttraumatischen Belastungstörungen hin. Im Einzelfall habe sie schon erlebt, dass ein Rechtsanwalt seine Klienten auf die Idee gebracht habe, zu simulieren. In diesen Fällen seien Gutachten abgelehnt worden.
Diesen Artikel so zitieren: Protest von Psychiatern und Psychotherapeuten: Keine Abschiebung von Flüchtlingen mit schweren psychischen Erkrankungen - Medscape - 17. Feb 2016.
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