Beugt Vitamin D in der Schwangerschaft Asthma beim Kleinkind vor? Zwei Studien sagen Jein

Petra Plaum

Interessenkonflikte

11. Februar 2016

Nehmen Schwangere täglich hohe Dosen von Vitamin D zu sich, vermindert dies das Risiko ihrer Ungeborenen, bis zum 3. Lebensjahr an Asthma zu erkranken – eventuell. Zwei prospektive, placebokontrollierte Studien aus den USA und Dänemark zeigen durchaus Vorteile für die Kinder, deren Mütter viel Vitamin D bekamen, doch die Differenz erreichte keine statistische Signifikanz. Beide Studien begannen 2009 und wurden kürzlich im JAMA publiziert.

Prof. Dr. Kai Bühling

„Das sind absolut vernünftige Untersuchungen, und die Ergebnisse sehen vielversprechend aus“, kommentiert Prof. Dr. Kai Bühling, Leiter der Hormonsprechstunde und Konsiliarius der Klinik und Poliklinik für Gynäkologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf sowie Leiter einer Schwerpunktpraxis für Gynäkologische Endokrinologie in Hamburg-Blankenese. „Auch wenn das Signifikanzniveau nicht erreicht wurde, sieht man in beiden Studien im Detail, dass da ein Zusammenhang bestehen muss“, ergänzt er. „Offenbar spielt Vitamin D doch eine Rolle in der Prävention von Asthma und Allergien.“ Nun sollte geklärt werden, welche Vitamin D-Spiegel der Schwangeren die Kinder bestmöglich schützen.

Ein Team um Augusto A. Litonjua aus der Channing Division of Network Medicine, Department of Medicine, am Brigham and Women’s Hospital in Boston präsentierte die Daten von 806 Müttern und ihren Kindern [1]. Bei allen Kindern gab es eine familiäre Neigung zu Asthma, 27% von ihnen zeigten bis zum 3. Geburtstag Symptome.

Dr. Bo L. Chawes, Mitarbeiter der Copenhagen Prospective Studies on Asthma in Childhood am Herlev and Gentofte Hospital der Universität von Kopenhagen, und sein Team bezogen 623 Mütter und ihre Kinder ohne bekannte Risikofaktoren mit ein [2]. 18% der Jungen und Mädchen hatten bis zum 3. Geburtstag anhaltenden Husten mit Pfeifatmung, 13% von ihnen zudem eine Asthmadiagnose.

Schon mehrere Studien legten nahe, dass ein Zusammenhang zwischen einem Vitamin-D-Mangel von Schwangeren und der Neigung des Nachwuchses zu Asthma-Symptomen bestehen kann – eine davon ebenfalls von Chawes und seinen Kollegen. Tierversuche geben Hinweise darauf, dass eine ausreichende Vitamin D-Versorgung der Mutter für die Lungenentwicklung Ungeborener wichtig ist.

US-amerikanische Studie: Insgesamt weniger Asthma als erwartet – Fortsetzung folgt

Zwischen 2009 und 2015 lief in 3 US-Zentren die gerade publizierte Studie mit Schwangeren, die entweder selbst Asthma oder ähnliche Erkrankungen durchgemacht hatten oder für deren Partner das galt. 440 Frauen fingen in Schwangerschaftswoche 10 bis 18 an, täglich 4.000 I.E. Vitamin D3 plus ein Multivitaminpräparat mit 400 I.E. Vitamin D3 einzunehmen. Die Kontrollgruppe (n=436) erhielt dasselbe Multivitaminpräparat plus ein Placebo.

 
Das sind absolut vernünftige Untersuchungen, und die Ergebnisse sehen vielversprechend aus. Prof. Dr. Kai Bühling
 

Für 806 Kinder wurden am 3. Geburtstag abschließende Daten erhoben. 98 von 405 Kindern aus der Verumgruppe (24,3%) und 120 von 401 in der Placebogruppe (30,4%) hatten entweder eine Asthmadiagnose oder mehrfach Episoden mit Pfeifatmung durchlebt. Bereinigt um die Störfaktoren Studienzentrum und mütterlicher Bildungsgrad war dieser Unterschied jedoch nicht signifikant.

Nebenwirkungen der Vitamin-D3-Supplementierung zeigten sich weder bei den Müttern noch den Kindern. In beiden Gruppen hatte jedes zweite Kind bis zum 3. Geburtstag einen positiven Allergietest. Die Asthma-Neigung der Teilnehmer, merken die Autoren an, war insgesamt deutlich niedriger, als sie diese zuvor eingeschätzt hatten. Das machte es nicht möglich, aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten – die Langzeitentwicklung der Kinder wird jedoch weiterhin analysiert.

Dänische Studie: Weniger Supplementierung, doch ähnliches Ergebnis

 
Offenbar spielt Vitamin D doch eine Rolle in der Prävention von Asthma und Allergien. Prof. Dr. Kai Bühling
 

Bei Chawes und seinen Kollegen erhielten 315 Frauen ab der 24. Schwangerschaftswoche bis eine Woche nach Entbindung 2.400 I.E. Vitamin D3 plus die in Dänemark üblichen 400 I.E. pro Tag. Die Kontrollgruppe (n=308) erhielt 400 I. E. plus ein Placebo. In der Verumgruppe starb ein Fetus intrauterin, in der Placebogruppe starben 3. Auffallend waren auch die hohen Raten an angeborenen Fehlbildungen der Babys: In der Verumgruppe betrafen sie 17 (5%), in der Kontrollgruppe 23 Babys (8%).

Die Entwicklung von 581 Kindern konnte bis zum Alter von 3 Jahren nachverfolgt werden. Anhaltenden Husten mit Pfeifatmung hatten 16% der Kinder in der Verumgruppe (n=47) erlebt und 20% in der Kontrollgruppe (n=57).

„Vitamin-D3-Supplementierung war nicht mit dem Risiko der persistierenden Pfeifatmung assoziiert“, schlussfolgern Chawes und seine Kollegen, „aber die Anzahl an Episoden von besorgniserregenden Symptomen von Lungenerkrankungen war darunter reduziert.“ So gab es in der Verumgruppe durchschnittlich 5,9 Episoden solcher Symptome, die mindestens 3 Tage anhielten. In der Kontrollgruppe waren es 7,2. Das relative Risiko in der Verumgruppe betrug somit 0,83 (95%-KI 0,71 bis 0,97; p=0,02).

Bei der Zahl anderer Infekte der oberen und unteren Atemwege, der Zahl der Asthmadiagnosen und bei den Hinweisen auf Allergien gab es dagegen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen.

Zwei Untersuchungen – eine Empfehlung

Die Studie zeige zwar keine präventive Wirkung gegen Husten mit Pfeifatmung, aber Reaktionen des Immunsystems und die Abnahme an Symptomen, die auf Lungenerkrankungen hinweisen, sprächen für einen protektiven Effekt, betonen die dänischen Autoren um Chawes. Ihr Fazit: „Darum sollten weitere Studien mit einer größeren Stichprobe, höheren Dosierung und möglicherweise einer früheren Intervention in der Schwangerschaft bzw. Supplementierung nach der Geburt durchgeführt werden, um die potenziellen Benefits der Vitamin-D3-Supplementierung (…) herauszuarbeiten.“

Ob die Supplementierung schwangerer Frauen mit Vitamin D Asthma und dessen Symptome reduziere, bleibe weiter ungeklärt, schreiben die amerikanischen Autoren. „Größere Studien und ein längeres Follow-up der Kinder in dieser Studie wird nötig sein, um diese Frage zu beantworten“, so Litonjua und seine Kollegen. Da viele Schwangere einen Vitamin D-Mangel hätten, gelte: „Wenn zusätzliche Studien einen signifikanten Effekt identifizieren (...), kann die Auswirkung dieser günstigen Intervention auf die Gesundheit von Kindern erheblich sein.“

 
Entscheidend ist, dass man allen Patientinnen mit Kinderwunsch oder in der Frühschwangerschaft anbietet, ihren Vitamin-Spiegel zu messen. Prof. Dr. Kai Bühling
 

In beiden Studien erreichte die Mehrzahl der Schwangeren in den Verumgruppen – 75% in den USA, 81% in Dänemark – die als ideal geltende Spiegel von 30 Nanogramm/ml Vitamin D (25-Hydroxy-Vitamin D) oder darüber. Überdosierungen, die Mutter oder Kind hätten gefährden können, wurden nicht festgestellt.

Was das für die Praxis bedeutet

„Mit diesen Studien ist ein erster Schritt getan“, merkt Bühling an. Weitere Studien, fordert er, sollten nicht nur mehr Schwangere mit einbeziehen und länger dauern, sondern auch zusätzlich die Risiken für Diabetes oder neurologische Beeinträchtigungen bei Kindern nach einer Vitamin-D-Supplementierung ihrer Mütter in der Schwangerschaft untersuchen. Auch sollten sie auf die Bevölkerung hierzulande zugeschnitten sein. Dass in Litonjuas Studie 43% Afroamerikanerinnen inkludiert waren, die womöglich andere Vitamin-D-Spiegel benötigen als hellhäutige Frauen, mache die Ergebnisse nur bedingt übertragbar.

„Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Vitamin-D-Mangel auch die Fruchtbarkeit negativ beeinflusst“, ergänzt er – auch das könne untersucht werden. Kollegen empfiehlt Bühling: „Entscheidend ist, dass man allen Patientinnen mit Kinderwunsch oder in der Frühschwangerschaft anbietet, ihren Vitamin-D-Spiegel zu messen. Die neuen Studien zeigen einmal mehr, dass man keine Angst haben muss, gegebenenfalls höherdosiert zu substituieren.“ Bei einem sehr niedrigen Spiegel sei hierzulande eine Supplementierung mit deutlich mehr als 2.000 I.E. am Tag sinnvoll, während bei gut versorgten Schwangeren 400 bis 800 I.E. ausreichten. 

 

REFERENZEN:

1. Litonjua AA, et al: JAMA 2016;315(4):362-370
2. Chawes BL, et al: JAMA 2016;315(4):353-361

 

Kommentar

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