Doch kein erhöhtes Demenzrisiko durch Benzodiazepine? Deutsche Experten sehen US-Studie allerdings kritisch

Gerda Kneifel

Interessenkonflikte

11. Februar 2016

Ein weiterer Kritikpunkt: In der Datenaufbereitung haben die Autoren nicht zwischen Demenz allgemein und Alzheimer-Erkrankung unterschieden, auch wenn das suggeriert werde. „Alzheimer ist nur nach dem Tode beweisend zu diagnostizieren oder mittels Bildgebung durch Amyloid-PET, aber diese anzuwenden ist bei einer so großen Kohorte natürlich nicht möglich“, betont Arendt. Anerkennend äußert er sich hingegen über den mit 7,3 Jahren im Vergleich langen Follow-up.

Prof. Dr. Stefan Schwarz

Auch Prof. Dr. Stefan Schwarz, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Universität Heidelberg, hält wenig von dem „relativ groben Instrument des CASI-Scores, das verwendet wurde. Eine ausführliche neuropsychologische Untersuchung wäre wünschenswert gewesen, ist aber natürlich in einem solchen Zusammenhang nur mit großem Aufwand realisierbar.“

Dass keine Unterscheidung der unterschiedlichen Demenzerkrankungen vorgenommen wurde, empfindet nicht zuletzt Glaeske als eine Limitierung der Studie. „Vaskuläre Demenzen zum Beispiel treten bei fast einem Viertel der Demenzpatienten auf – und sie sind im Gegensatz zur Alzheimer-Demenz vielfach erfolgreich behandelbar“, betont er.

Ein langes Gespräch über kognitive Verhaltenstherapie und Schlafhygiene ist viel zu schlecht honoriert. Dasselbe Geld erhält der Arzt auch, wenn er binnen zwei Minuten ein Rezept ausstellt Prof. Dr. Stefan Schwarz

Zudem sei nicht ausreichend untersucht, ob die Medikamente regelmäßig oder episodisch gegeben wurden. „Natürlich sind zwei Wochen weniger schlimm als eine Verschreibung über zwei Jahre“, so Schwarz. „Mit den hier vorliegenden Daten lässt sich hierzu aber keine Aussage treffen. Auch von daher ist die Aussagekraft der Studie limitiert.“

Z-Drugs lösen Benzodiazepine zunehmend ab

Zwar sind die Verordnungen von Benzodiazepinen seit Jahren rückläufig, da Ärzte um die Suchtgefahren und die gravierenden Nebenwirkungen wie Sturzgefahr und kognitive Einschränkungen wissen. Dennoch werden die Hypnotika noch immer zuhauf verordnet: laut Deutschem Ärzteblatt 230 Millionen Tagesdosen pro Jahr. Schätzungsweise die Hälfte davon werde auf Privatrezept ausgestellt – auch für gesetzlich Krankenversicherte.

Mit den Z-Drugs rollt eine neue Welle von Abhängigkeit auf uns zu. Prof. Dr. Stefan Schwarz

„Alle Ärzte sind sich bewusst, dass diese Medikamente insbesondere bei älteren Menschen nur in Ausnahmefällen und nur kurzfristig verschrieben werden sollten“, erläutert Schwarz das Dilemma. „Trotzdem verschreiben viele Ärzte ihren Patienten, die unter Schlafstörungen leiden, Hypnotika, wenn sie das verlangen, um ihre Patienten nicht zu verlieren. Zudem ist ein langes Gespräch über kognitive Verhaltenstherapie und Schlafhygiene viel zu schlecht honoriert. Dasselbe Geld erhält der Arzt auch, wenn er binnen zwei Minuten ein Rezept ausstellt.“

Dennoch sind für Schwarz Benzodiazepine gar nicht mehr das ganz große Problem, weil sie zunehmend von den sogenannten Z-Drugs wie Zolpidem, Zopiclon und Zaleplon abgelöst würden. Die Nebenwirkungen dieser Nicht-Benzodiazepine sind zwar moderater ausgeprägt, doch sie sind prinzipiell dieselben. „Mit den Z-Drugs rollt eine neue Welle von Abhängigkeit auf uns zu“, ist sich Schwarz sicher.

REFERENZEN:

1. Gray SL, et al: BMJ.2016; 352:i90

Kommentar

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