Doch kein erhöhtes Demenzrisiko durch Benzodiazepine? Deutsche Experten sehen US-Studie allerdings kritisch

Gerda Kneifel

Interessenkonflikte

11. Februar 2016

Zunächst fällt auf, dass das Risiko einer Demenzerkrankung mit zunehmender Dosis wieder sank. Trotzdem kommt Glaeske zu dem Schluss, dass Benzodiazepine das Risiko einer Demenz erhöhen. „Sie müssen sich nur die Ergebnisse genauer anschauen, dann wird sehr wohl ein Zusammenhang zwischen Benzodiazepinen und Demenzerkrankungen deutlich“, sagt er

Denn: In der Gruppe ohne Benzodiazepine traten Demenzen bei 21% der Teilnehmer auf (511 von 2.416). „Das entspricht“, so Glaeske, „der üblichen bekannten Prävalenz in dieser Altersgruppe.“ Bei der Gruppe mit niedrigem Verschreibungslevel (1-30 TSDD) waren es 30% (148 von 492), die an einer Demenz erkrankten, in der Gruppe mit 31-120 TSDD waren es 24% (63 von 259) und bei >120 TSDD waren es 28% (75 von 267).

„In der Gruppe ohne Benzodiazepine erkrankten 21% der Teilnehmer, in der niedrig-dosierten Gruppe 30%. Das macht schon einmal einen sehr deutlichen Unterschied von 40 Prozent zu denjenigen, die keine Benzodiazepine nahmen“, argumentiert der Bremer Pharmazeut. Bei der Gruppe mit mittlerer Dosierung mache der Unterschied immer noch 20%, bei den Hochdosierten dann wieder rund 30% aus. Bei den relativ kleinen Gruppen sei es aber ohnehin schwierig, allgemeingültige Aussagen zu treffen. „Aber ein Trend ist hier doch klar erkennbar.“

Dieser Trend wird nach Ansicht Glaeskes noch etwas verwischt durch die statistische Aufarbeitung einer ganzen Reihe von Kofaktoren, die die Autoren herausgerechnet haben, weil sie womöglich in der Entstehung von Alzheimer bzw. Demenzen eine Rolle spielen. So führten die Autoren Regressionsrechnungen etwa zu Geschlecht, Alter, Raucher oder Nichtraucher, Body-Mass-Index, Bildungsniveau, Depression, Schlaganfall und anderen Variablen durch. „Schön wäre noch gewesen, Geigenspiel mit einzubeziehen“, frotzelt Glaeske, „weil auch Musizieren angeblich präventiv wirkt.“

Prof. Dr. Thomas Arendt

„Aber nur für zwei all dieser genannten Faktoren ist gesichert, dass sie mit der Alzheimer-Erkrankung in Zusammenhang stehen, und das sind das Alter und das Geschlecht. Alle anderen sind keine stabilen und belastbaren Risikofaktoren, und daher ist die Begründung der Regressionsrechnung selbst und damit auch ihre Ergebnisse aus meiner Sicht wirklich zu diskutieren. Außerdem machen die Autoren keinerlei Aussagen zu Todesfällen, die über einen so langen Zeitraum sicherlich vorgekommen sind“, kritisiert er weiter.

Nicht wenige Limitationen

Problematisch ist zudem laut Prof. Dr. Thomas Arendt, Paul-Flechsig-Institut für Hirnforschung, Universität Leipzig, dass die Teilnehmer womöglich häufiger aus einer Risikogruppe stammen könnten. „In dieser Studie wurden ja keine gesunden Menschen untersucht, es hatte einen Grund, weshalb die Probanden diese Medikamente verschrieben bekommen haben“, so Arendt. Auch wenn die Autoren, um Behandlungen von Frühsymptomen einer Demenzerkrankung auszuschließen, die Verordnungen im letzten Jahr vor Studienbeginn nicht mit einberechnet hatten, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Medikamente zur Behandlung von ersten Symptomen einer Demenzerkrankung verschrieben worden waren.

Kommentar

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