Doch kein erhöhtes Demenzrisiko durch Benzodiazepine? Deutsche Experten sehen US-Studie allerdings kritisch

Gerda Kneifel

Interessenkonflikte

11. Februar 2016

Benzodiazepine sollen nun doch nicht das Risiko erhöhen, an einer Demenz zu erkranken. Zu diesem Ergebnis kommen zumindest die Autoren einer vor kurzem im British Medical Journal erschienenen US-amerikanischen Studie [1]. „Entgegen den Erwartungen fanden wir ein nur gering erhöhtes Risiko für Demenz bei Menschen mit einem geringen oder moderaten Gebrauch von Benzodiazepinen“, schreiben die Autoren um Prof. Dr. Shelly L Gray, School of Pharmacy, University of Washington, Seattle. Dieses leicht erhöhte Risiko könnte auch durch die vermehrte Behandlung von Frühsymptomen der Demenz mit Benzodiazepinen bedingt sein, „wie unsere Sensitivitätsanalysen vermuten lassen“, so die Wissenschaftler.

Prof. Dr. Gerd Glaeske

Eine französische und eine kanadische Studie waren 2 Jahre zuvor zu ganz anderen Ergebnissen gekommen, wie Medscape Deutschland berichtete. „Ich bin etwas irritiert bezüglich der Aussage der Autoren“, sagt denn auch der Pharmazeut Prof. Dr. Gerd Glaeske, Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen, gegenüber Medscape Deutschland, „besagt die Studie doch genau das Gleiche wie ihre französischen und kanadischen Vorgänger: dass Benzodiazepine nämlich das Risiko erhöhen, eine Demenz zu entwickeln – wenn auch das Ausmaß als geringer als in der französischen und kanadischen Studie dargestellt wird.“

International völlig unübliche Dosierungen

Über durchschnittlich 7,3 Jahre hatten die US-amerikanischen Wissenschaftler 3.434 Patienten beobachtet. Die Einnahme von Benzodiazepinen wurde nicht nur ab Studienbeginn, sondern bis zu 10 Jahre vor Studienbeginn zurückverfolgt. So hatten 30% der Teilnehmer zumindest ein Rezept für Benzodiazepine erhalten, aber nur 98 (3%) von ihnen hatten bis zu 6 Monate vor Studienbeginn diese Medikamente genommen. Das mittlere Alter der Patienten betrug 74,9 Jahre, 60% waren weiblich und die Mehrzahl (66%) hatte eine Hochschulausbildung.

 
Entgegen den Erwartungen fanden wir ein nur gering erhöhtes Risiko für Demenz bei Menschen mit einem geringen oder moderaten Gebrauch von Benzodiazepinen. Prof. Dr. Shelly L Gray und Kollegen
 

Um die Dosierung zu quantifizieren, gingen die Forscher von einer standardisierten täglichen Dosis (standardized daily dose, SDD) aus, die allerdings nicht immer der international üblichen DDD (defined daily dose) entspricht, die die WHO als Maß festgelegt hat. „Die Dosierungen, die hier zugrunde gelegt wurden, sind international völlig unüblich“, kritisiert Glaeske. „Für Oxazepam zum Beispiel wurden 30 mg zugrunde gelegt, während die WHO 50 mg als tägliche Dosis angibt. Auch diesbezüglich kann ich manche Grundlagen in dieser Studie nicht nachvollziehen, wie mich ohnehin auch die Methodik enttäuscht.“

Darüber hinaus wurde die kumulative totale SDD (TSDD) für jeden Studienteilnehmer berechnet. Die Tagesdosen während des Studienzeitraums wurden dann eingeteilt in keinen (0 TSDD, 2416 Teilnehmer), einen niedrigen (1-30 TSDD, 492 Teilnehmer), mittleren (31-120 TSDD, 259 Teilnehmer) oder hohen (>120 TSDD, 267 Teilnehmer) Gebrauch von Benzodiazepinen. Bei Patienten mit hohem Benzodiazepin-Verbrauch lag die durchschnittliche Dosis bei 375 TSDD.

Bei näherem Hinsehen zeigen sich Assoziationen

Während des Follow-up entwickelten 797 (23,3%) der Teilnehmer eine Demenz, von diesen wiederum 637 (79,9%) eine Alzheimer-Erkrankung. Unter den Patienten mit den höchsten Dosierungen wurde keine Assoziation der BD mit Demenz bzw. Alzheimer-Erkrankung gefunden, verglichen mit der Gruppe ohne Benzodiazepin-Einnahme (Hazard Ratio: 1,07; 95%-Konfidenzintervall: 0,83-1,37). Unter denjenigen mit niedrigem BD-Gebrauch (HR: 1,25) oder mittlerem Gebrauch (HR: 1,31) wurde ein leicht erhöhtes Risiko gefunden. Mit steigenden Dosen sank das Risiko einer Demenz wieder auf eine Hazard Ration von 1,0. Für Alzheimer wurde lediglich in der Gruppe mit niedrigem Benzodiazepin-Gebrauch ein leicht erhöhtes Risiko gefunden (HR: 1,27).

Kommentar

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