Neuroradiologen übernehmen das Feld: Wie die Thrombektomie die Strukturen an den Stroke Units verändert

Susanne Rytina

Interessenkonflikte

10. Februar 2016

In der Schlaganfalltherapie verändert sich derzeit Einiges: „Im Bereich der Thrombektomie ist Deutschland so gut aufgestellt wie fast kein anderes Land“, sagt Prof. Dr. Bernd Eckert, Leiter des Fachbereiches Neuroradiologie der Asklepios Klinik in Hamburg Altona und Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) gegenüber Medscape Deutschland. Laut einer Umfrage des BDNR von 2015 werden aktuell bereits an 127 Kliniken in Deutschland diese Eingriffe rund um die Uhr durchgeführt, so Berlis. Dies sei „Grundlage für eine Versorgung auf hohem Niveau“ analysieren Eckert und Berlis als Mitautoren eines Beitrags im Deutschen Ärzteblatt.

Prof. Dr. Bernd Eckert

Die Thrombektomie per Kathetertechnik und Stent-Retriever-Systemen für Patienten mit schwerem Schlaganfall erlebt derzeit einen Boom, seitdem im Jahr 2015 mittlerweile 5 randomisierte Multicenter-Studien den wissenschaftlichen Beweis für die Wirksamkeit des Verfahrens erbracht haben (wie Medscape Deutschland berichtete).

Dies hat Auswirkungen auf die Versorgungsstruktur der Stroke-Units: „Die Fallzahlen steigen und damit auch der personelle Bedarf an Spezialisten wie interventionellen Radiologen und Neuroradiologen“, sagt Prof. Dr. Ansgar Berlis, Präsident des Berufsverbandes Deutscher Neuroradiologen (BDNR) und Chefarzt der Diagnostischen und Interventionellen Neuroradiologie am Klinikum Augsburg gegenüber Medscape Deutschland. Von rund 260.000 Schlaganfällen, die im Jahr in Deutschland auftreten, könnten künftig bis zu 13.000 per Thrombektomie behandelt werden.

Weitreichende Kenntnisse über Hirn und Hirngefäße gefragt

Während Neurologen konventionell per i.v.-Thrombolyse behandeln, verfügen Neuroradiologen über die besondere Expertise des minimalinvasiven Eingriffs, bei dem der Katheter des Retriever-Systems über die Leiste eingeführt und das Blutgerinnsel aus dem betroffenen Hirngefäß wie mit einer Angel herausgezogen wird. „Es geht dabei nicht nur darum, dass man einen Katheter bedienen kann. Vielmehr braucht es weitreichende Kenntnisse über die Funktion des Gehirns und die das Hirn versorgenden Hirngefäße und ob und wie man sie eröffnet“, erläutert Berlis.

Prof. Dr. Ansgar Berlis

Die Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) bietet seit 2012 zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie (DeGIR) ein Ausbildungs- und Zertifizierungskonzept an: Mindestens 100 Rekanalisationseingriffe sind hierfür die Voraussetzung. Momentan können zirka 550 Kolleginnen und Kollegen den Eingriff bundesweit durchführen, rund 340 davon sind inzwischen zertifiziert.

 
Die Fallzahlen steigen und damit auch der personelle Bedarf an Spezialisten wie interventionellen Radiologen und Neuroradiologen. Prof. Dr. Ansgar Berlis
 

Skeptisch sehen die Experten vereinzelte Bemühungen anderer Spezialisten, auf dem neuroradiologischen Gebiet zu „wildern“: Die Thrombektomie benötige große Expertise und könne nicht ohne Spezialisierung so ohne weiteres durch Kardiologen oder Gefäßchirurgen gemacht werden, auch wenn sich diese mit Kathetern auskennen, betont Berlis: „Es ist ein Unterschied ob man ein Hirngefäß oder eine Herzkranzarterie behandelt, die Widerstandsfähigkeit ist ganz anders“, erklärt der Neuroradiologe.

Zudem müsse man sich mit den Hirnarterien und der Bildgebung auskennen, um zu sehen, wo der Gefäßverschluss lokalisiert sei, und ob basale Hirngefäße oder zum Hirn führende Gefäße betroffen seien. Auch aufgrund der Länge des Thrombus könne man einschätzen, ob die medikamentöse Behandlung ausreiche oder eine Thrombektomie durchgeführt werden müsse.

Kommentar

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