Die HPV-Impfung auch für Jungen – das fordert die Stiftung Männergesundheit in einer Petition [1]. „Sind Jungen von der Impfung ausgeschlossen, wird keine ausreichend hohe Durchimpfungsrate erreicht, um das humane Papillomavirus auszurotten“, nennt die Stiftung in ihrem Antrag einen Grund für die Forderung. „Die Impfung schützt nachweislich vor HPV-assoziierten Krebserkrankungen. Dazu zählen nicht nur der Gebärmutterhalskrebs, sondern auch das Peniskarzinom und Tumoren des Mund- und Rachenbereichs. Letztere sind gar nicht so selten und treffen vor allem Männer“, erklärt Prof. Dr. Theodor Klotz, als einen weiteren Grund in einer Pressemitteilung. Der Chefarzt der Klinik für Urologie, Andrologie und Kinderurologie am Klinikum Weiden ist wissenschaftlicher Vorstand der Stiftung und Hauptpetent.
„Die Argumentation der Kollegen ist wissenschaftlich begründet und völlig plausibel. Trotzdem sind die Forderungen verhallt, weswegen wir uns nun entschieden haben, einen Gang höher zu schalten und eine Petition einzureichen“, betont Klotz. „Denn letztlich hat das Thema auch eine brisante politische Dimension: Die Tatsache, dass Jungen nicht die gleiche Möglichkeit wie Mädchen haben, ihr Risiko einer HPV-assoziierten Krebserkrankungen durch eine kostenfreie Impfung zu senken, ist ein klarer Verstoß gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz). Hier möchten wir als Stiftung Männergesundheit den Finger in die Wunde legen und uns für die Rechte des Mannes einsetzen.“
Seit geraumer Zeit schon machen sich viele Experten – darunter der deutsche Medizin-Nobelpreisträger Prof. Dr. Harald zur Hausen – dafür stark, die derzeitige STIKO-Empfehlung auf Jungen auszuweiten.
Noch 2016 Entscheidung der STIKO zur HPV-Impfung für Jungen?
„Die Petition der Stiftung Männergesundheit ist mir persönlich durchaus sympathisch“, sagt Dr. Jan Leidel, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) Berlin. Es sei jedoch ein längerer Prozess, bis die STIKO eine ausreichend begründete Empfehlung geben kann, erklärt Leidel gegenüber Medscape Deutschland. Dabei geht es nicht nur darum, Nutzen und Risiken einer Impfung für den Einzelnen zu bewerten, sondern eine epidemiologische Bewertung auf Bevölkerungsniveau vorzunehmen. Dafür spielt das „öffentliche Interesse“ eine wesentliche Rolle.

Dr. Jan Leidel
Die STIKO-Empfehlungen sind die Grundlage für die Empfehlungen der Bundesländer. Verbunden ist damit, dass einem geimpften Menschen, der durch eine empfohlene Impfung geschädigt wird, nach dem Bundesseuchengesetz eine staatliche Entschädigung zusteht.
„Unsere Empfehlungen müssen evidenzbasiert sein. Daten, die untermauern, dass auch Jungs von der HPV-Impfung profitieren, sind zwar vorhanden, sie müssen allerdings von uns ausgewertet und bewertet werden, doch unsere Ressourcen sind begrenzt. Ich gehe allerdings davon aus, dass sich die STIKO noch 2016 mit der HPV-Impfung für Jungen beschäftigen wird, es gibt eine entsprechende Arbeitsgruppe.“
Wie Leidel erklärt, ist eine STIKO-Empfehlung keine Voraussetzung für die Durchführung einer Schutzimpfung. „Eine fehlende STIKO-Empfehlung hindert den Arzt also nicht daran, eine für den Einzelnen sinnvolle Impfung durchzuführen.“ Allerdings sind die Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission inzwischen mit der Kosten-Übernahme durch die gesetzlichen Kassen gekoppelt.
Zur Zeit der STIKO-Empfehlung stand die Verhinderung von Zervix-Karzinomen im Fokus
Leidel weist darauf hin, dass 2007, als die STIKO ihre Empfehlung (für Mädchen) aussprach, die Verhinderung von Zervix-Karzinomen ganz im Mittelpunkt stand. Grundsätzlich sei es plausibel, zur Verhinderung einer sexuell übertragbaren Infektion beide Geschlechter zu impfen, allerdings lagen keine Daten zum Ausmaß des Effekts vor.
In der AWMF S3-Leitlinie zur Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien aus 2013 heißt es: „Eine Erweiterung der Impfempfehlung auf Jüngere und auf Jungen kann die Durchimpfungsraten verbessern und eine bessere Herdenimmunität erzielen.“ In der Leitlinie heißt es aber dazu auch, dass dies „voraussichtlich auf Kosten der Kosteneffizienz“ gehen werde.
Und wie Leidel bestätigt, erschien es angesichts des hohen Preises damals sinnvoller, zunächst möglichst viele Mädchen zu impfen. Mittlerweile lägen dynamische Transmissionsmodelle vor, nach denen der Effekt einer zusätzlichen Impfung der Jungen auf die Häufigkeit des Zervix-Karzinoms bei hohen Kosten recht gering sei.
Was aber inzwischen feststeht und weshalb die Impfempfehlung auch für Jungen an Bedeutung gewinnt: „Jungen profitieren selbst von der Impfung“, betont Leidel. Analkarzinome, die besonders bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM) häufig sind, aber auch Peniskarzinome und Tumore im HNO-Bereich können HPV-assoziiert sein. „Der tetravalente HPV-Impfstoff wurde daher explizit auch zur Vermeidung maligner analer Läsionen zugelassen.“ Ein weiterer Punkt sei bei diesen Überlegungen schließlich auch der Schutz beider Geschlechter vor nicht lebensbedrohlichen, aber äußerst unangenehmen und lästigen Genitalwarzen.
REFERENZEN:
1. Stiftung Männergesundheit: Petition zum Weltkrebstag
Diesen Artikel so zitieren: Gleicher Schutz für alle: Petition der Stiftung Männergesundheit fordert HPV-Impfung auch für Jungs - Medscape - 10. Feb 2016.
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