Ob Patienten mit Vorhofflimmern (VHF) nun besser mit Rhythmuskontrolle oder Frequenzkontrolle versorgt sind, ist allgemeingültig nicht zu beantworten. Klinische Studien wie AFFIRM, RACE oder AF-CHF konnten nicht nachweisen, dass die Wiederherstellung des Sinusrhythmus' im Vergleich zur Frequenzkontrolle zu weniger kardiovaskulären Ereignissen oder auch zu weniger Todesfällen führt.
Dafür müssen Vorhofflimmer-Patienten, deren Sinusrhythmus wiederhergestellt werden konnte, offenbar häufiger aufgrund kardiovaskulärer Vorkommnisse in eine Klinik aufgenommen werden – oft, um erneut den Sinusrhythmus wiederherzustellen. Allerdings gibt es Hinweise aus AFFIRM und US-amerikanischen Registerdaten von Patienten mit Vorhofflimmern, die in ein Krankenhaus aufgenommen wurden, dass möglicherweise Patienten im Sinusrhythmus günstigere Überlebensraten haben als Patienten, bei denen keine Rhythmuskontrolle erreicht werden konnte. Alles in allem stehen aber nur wenig manifeste Daten aus der klinischen Wirklichkeit zur Verfügung.
ORBIT-AF: Wie sieht es im Praxisalltag aus?
In einer Auswertung der prospektiven amerikanischen Registerstudie ORBIT-AF, deren Ergebnisse kürzlich im JACC Clinical Electrophysiology (online bereits im November vergangenen Jahres) veröffentlicht wurden, gingen die Autoren der Frage nach, welche der beiden Therapiestrategien im Praxisalltag zu besseren Ergebnissen bei Patienten mit Vorhofflimmern führt [1].
Die Auswertung der Registerdaten bestätigte im Prinzip die Erkenntnisse aus den klinischen Studien: Hinsichtlich der Raten von Schlaganfällen, neu auftretender Herzinsuffizienz oder auch Todesfällen ist keine der beiden therapeutischen Vorgehensweisen der anderen überlegen. Statistisch signifikant war auch in ORBIT-AF die Rate der Klinikaufnahmen. Unter Rhythmuskontrolle mussten Patienten mit Vorhofflimmern häufiger ins Krankenhaus als Patienten unter Frequenzkontrolle.
„Nicht überbewerten“ sollte man diese Studienergebnisse, so lautet das Credo von Prof. Dr. Stephan Willems, Chefarzt der Klinik für Kardiologie mit Schwerpunkt Elektrophysiologie am Universitären Herzzentrum Hamburg. Der Hamburger Elektrophysiologe verweist auf laufende Studien, wie die prospektiv-randomisierte CABANA (Catheter Ablation Versus Antiarrhythmic Drug Therapy for Atrial Fibrillation). Solche Studien könnten in näherer Zukunft klären, inwieweit die Katheterablation tatsächlich in der Lage ist, die Schlaganfallrate und die Mortalität der Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern zu senken.
Patienten unter Frequenzkontrolle sind wenig symptomatisch
Für PD Dr. Julian Chun vom Cardioangiologischen Centrum Bethanien (CCB) in Frankfurt/Main sind die Ergebnisse der ORBIT-AF-Studie nicht überraschend: „Bei Patienten mit einer Rhythmuskontrollstrategie passt das ins grobe Bild hinein. Diese Patienten kommen öfter wieder, weil sie häufiger kardiovertiert werden müssen.“
Bei diesen Patienten müsse am Anfang mehr Aufwand betrieben werden – im Vergleich zu den Patienten, die rein frequenzorientiert behandelt werden. Letztere seien in der Regel allerdings auch wenig symptomatisch, erklärte Chun im Gespräch mit Medscape Deutschland. Nicht selten sind das Patienten mit einem Zufallsbefund, die schon „lange ein anhaltendes persistierenden Vorhofflimmern“ aufweisen und bei denen „keine P-Wellen-Struktur, keine F-Wellen im EKG gesehen wird“. „Bei diesen Patienten, die sowieso wenig symptomatisch sind, gibt es natürlich wenig klinischen Handlungsbedarf“, erklärt Chun.
Bei symptomatischen Patienten dagegen, die unter nicht lang anhaltendem persistierendem Vorhofflimmern litten, sei es sinnvoll eine rhythmuserhaltende Strategie zu besprechen. Chun: „Paroxysmalen Patienten, die symptomatisch sind, bieten wir in jedem Fall eine rhythmuserhaltende Strategie an. Mit diesen Patienten sprechen wir viel häufiger auch über eine Katheterablation.“ Diese Therapieform zur Wiederherstellung des Sinusrhythmus' sei allerdings „in der ORBIT-AF-Studie relativ niedrig repräsentiert gewesen.“
Die Qualität von Ablationszentren wird in Zukunft intensiver diskutiert werden
Chun verweist ebenfalls auf die in näherer Zukunft zu erwartenden Daten aus der CABANA-Studie. Neben den möglicherweise valideren Einsichten, ob die Katheterablation gegenüber einer antiarrhythmische Medikation überlegen ist, geht Chun allerdings davon, dass im Nachgang eine Qualitätsdiskussion im Vordergrund stehen wird. Man sei noch sehr weit davon entfernt, bei der Katheterablation von einem standardisierten Therapieverfahren sprechen zu können, gibt Chun zu bedenken.
In der amerikanischen ORBIT-AF-Studie wurden zwischen Ende Juni 2010 und Anfang August 2011 die Daten von 6.988 Patienten mit Vorhofflimmern gesammelt, die von Internisten, Kardiologen/Elektrophysiologen behandelt wurden. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 74 Jahre, 56% waren Männer. Bei 77% der Patienten war erstmals ein Vorhofflimmern diagnostiziert worden, oder sie hatten ein paroxysmales Vorhofflimmern. Gut zwei Drittel der Patienten wiesen einen CHADS2-Score von mindestens 2 auf.
In der nicht-adjustierten Analyse der Patientendaten hatte sich eine signifikante Überlegenheit der Rhythmus- gegenüber der Frequenzkontrolle für die Endpunkte Gesamtmortalität, kardiovaskulärer Tod, Schlaganfall bzw. transient ischämische Attacke (TIA) oder schwere Blutungen gezeigt. Keinen Unterschied gab es bei neu auftretender Herzinsuffizienz. Allerdings konnte in der adjustierten Analyse der Patientendaten dann diese Überlegenheit der Rhythmuskontrolle nicht mehr bestätigt werden.
REFERENZEN:
1. Noheria A, et al: JACC Clinical Electrophysiology (online) 26. November 2015
Diesen Artikel so zitieren: Vorhofflimmern: Was ist besser – Rhythmus- oder Frequenzkontrolle? Registerstudie ORBIT-AF gibt keine eindeutige Antwort - Medscape - 3. Feb 2016.
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