
Robin Farmanfarmaian
Als Folge der fortschreitenden Digitalisierung der Medizin werden Patienten zunehmend zu Partnern in der eigenen Gesundheitsversorgung. In ihrem Buch „The Patient as CEO“ (Der Patient als Geschäftsführer) zeigt Robin Farmanfarmaian, Gründer und Berater von diversen eHealth-Startups, wie diese Partnerschaft künftig aussehen könnte und welche Aufgaben der Patient übernehmen wird. Im Interview mit Medscape Deutschland spricht sie über ihre eigenen Erfahrungen als Patient und die wichtigsten Trends der Medizin der Zukunft.
Medscape Deutschland: Ihr Buch hat einen interessanten Titel. Was macht Ihrer Meinung nach den Patienten zum CEO?
Farmanfarmaian: Der schnelle technologische Fortschritt ermächtigt den Patienten, eine Schlüsselrolle bei medizinischen Entscheidungen zu spielen. Das heißt nicht, dass er künftig alle Entscheidungen alleine treffen muss. Allerdings sollte er seine Krankheit und seine Behandlungsoptionen verstehen. Ebenso wie ein Geschäftsführer (CEO) die Richtung für sein Unternehmen bestimmt, sollten Patienten letztendlich für ihre eigene Gesundheit verantwortlich sein.
Medscape Deutschland: Welche Rolle spielen der Ärzte in diesem „Unternehmen”?
Farmanfarmaian: Eine ganz entscheidende! Wenn wir in der CEO-Analogie bleiben, dann sind Ärzte die Consultants des Patienten, die ihn zu Entscheidungen beraten und in dessen Auftrag Bericht erstatten. Auch Mediziner profitieren von diesem Wandel, da sie sich zunehmend auf die wichtigen Dinge fokussieren können – also, den Patienten zu untersuchen, mit ihm zu reden und dabei mögliche Diagnosen und Therapieren zu diskutieren.
Wir dürfen nicht vergessen, dass Ärzte dieser Tage unter einer Menge Druck stehen. Sie haben durchschnittlich nur 15 Minuten für jeden Patienten Zeit, und Patienten wiederum müssen 2-6 Monate auf einen Termin mit einem Spezialisten warten. Die Technik gibt Ärzten und Pflegekräften mehr Zeit, um mit dem Patienten in einer sinnvollen Weise zu interagieren. Ich glaube, dass Technik die Menschlichkeit in der Medizin zurückbringen kann.
Medscape Deutschland: Technologischer Fortschritt kann in vielfacher Gestalt kommen. Besonders in der Medizin sehen wir derzeit einen exponentiellen Zuwachs an Möglichkeiten, die von Spielerei bis Game-Changer reichen. Welche aktuellen Entwicklungen werden einen tatsächlichen Unterschied für die Patientenautonomie bewirken?
Farmanfarmaian: Zunächst einmal sehen wir eine erstaunliche Entwicklung diagnostischer Geräte. Sie werden günstiger, kleiner und präziser. Biogen hat zum Beispiel gerade erst einen tragbaren 200-Dollar PET-Scan entworfen. Eigentlich kosten solche Geräte 2 Millionen Dollar und mehrere Tausend pro Test. Außerdem werden wir eine zunehmende Zahl an kleinsten Sensoren sehen, die unter die Haut oder in den Blutstrom implantiert werden können. Solche Sensoren werden es uns ermöglichen, Monitoring-Daten zu generieren, wann immer und wo immer wir es wollen.
Doch diese Implantate können noch mehr. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz werden diese Sensoren eine große Masse an Daten generieren, die analysiert werden können und die uns dann warnen, wenn etwas schief läuft. Das ist wichtig, denn häufig müssen wir auf einen Arzttermin Wochen oder Monate warten. Wenn ich zum Beispiel meinen Gastroenterologen im März sehen möchte, dann muss ich spätestens im Dezember einen Termin machen.
Das ist doch verrückt! Ich habe einen schweren Morbus Crohn, was bedeutet, dass sich mein Gesundheitsstatus innerhalb von 24 Stunden dramatisch verändern kann – aber ich muss einen Arzttermin 3 Monate im Voraus buchen – ein Grund, warum ich schon fast 20 Mal in der Notaufnahme war. Die Folge ist, dass viele Krankheiten und Exazerbationen erst in einem späten Stadium diagnostiziert werden. Kontinuierliches Monitoring wird uns dabei helfen, Krankheiten dann zu sehen, wenn sie erstmalig auftreten.
Diesen Artikel so zitieren: Der Patient als Geschäftsführer, der Arzt als Consultant: Wieso die Digitalisierung zu mehr Patientenautonomie beiträgt - Medscape - 3. Feb 2016.
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