MEINUNG

Der Patient als Geschäftsführer, der Arzt als Consultant: Wieso die Digitalisierung zu mehr Patientenautonomie beiträgt

Dr. Shari Langemak

Interessenkonflikte

3. Februar 2016

In diesem Artikel

Robin Farmanfarmaian

Als  Folge der fortschreitenden Digitalisierung der Medizin werden Patienten  zunehmend zu Partnern in der eigenen Gesundheitsversorgung. In ihrem Buch „The Patient as CEO“ (Der Patient als Geschäftsführer) zeigt Robin Farmanfarmaian, Gründer und  Berater von diversen eHealth-Startups, wie diese Partnerschaft künftig aussehen  könnte und welche Aufgaben der Patient übernehmen wird. Im Interview mit Medscape Deutschland spricht sie über  ihre eigenen Erfahrungen als Patient und die wichtigsten Trends der Medizin der  Zukunft.

Medscape Deutschland: Ihr Buch hat  einen interessanten Titel. Was macht Ihrer Meinung nach den Patienten zum CEO?

Farmanfarmaian: Der schnelle  technologische Fortschritt ermächtigt den Patienten, eine Schlüsselrolle bei  medizinischen Entscheidungen zu spielen. Das heißt nicht, dass er künftig alle  Entscheidungen alleine treffen muss. Allerdings sollte er seine Krankheit und  seine Behandlungsoptionen verstehen. Ebenso wie ein Geschäftsführer (CEO) die Richtung für sein Unternehmen  bestimmt, sollten Patienten letztendlich für ihre eigene Gesundheit  verantwortlich sein.

Ebenso wie ein Geschäftsführer die Richtung für sein Unternehmen bestimmt, sollten Patienten letztendlich für ihre eigene Gesundheit verantwortlich sein. Robin Farmanfarmaian

Medscape Deutschland: Welche Rolle  spielen der Ärzte in diesem „Unternehmen”?

Farmanfarmaian: Eine ganz  entscheidende! Wenn wir in der CEO-Analogie bleiben, dann sind Ärzte  die Consultants des Patienten, die ihn zu Entscheidungen beraten und in dessen  Auftrag Bericht erstatten. Auch Mediziner profitieren von diesem Wandel, da sie  sich zunehmend auf die wichtigen Dinge fokussieren können  –  also, den Patienten zu untersuchen, mit ihm zu reden und dabei mögliche  Diagnosen und Therapieren zu diskutieren.

Wir  dürfen nicht vergessen, dass Ärzte dieser Tage unter  einer Menge Druck stehen. Sie haben durchschnittlich nur 15 Minuten für jeden  Patienten Zeit, und Patienten wiederum müssen 2-6 Monate auf einen Termin mit  einem Spezialisten warten. Die Technik gibt Ärzten und  Pflegekräften mehr Zeit, um mit dem Patienten in einer sinnvollen Weise zu  interagieren. Ich glaube, dass Technik die Menschlichkeit in der Medizin  zurückbringen kann.

Medscape Deutschland: Technologischer  Fortschritt kann in vielfacher Gestalt kommen. Besonders in der Medizin sehen  wir derzeit einen exponentiellen Zuwachs an Möglichkeiten, die von Spielerei  bis Game-Changer reichen. Welche aktuellen Entwicklungen werden einen  tatsächlichen Unterschied für die Patientenautonomie bewirken?

Kontinuierliches Monitoring wird uns dabei helfen, Krankheiten dann zu sehen, wenn sie erstmalig auftreten. Robin Farmanfarmaian

Farmanfarmaian: Zunächst einmal  sehen wir eine erstaunliche Entwicklung diagnostischer Geräte. Sie werden  günstiger, kleiner und präziser. Biogen hat zum Beispiel gerade erst einen  tragbaren 200-Dollar PET-Scan entworfen. Eigentlich kosten solche Geräte 2  Millionen Dollar und mehrere Tausend pro Test. Außerdem werden wir eine  zunehmende Zahl an kleinsten Sensoren sehen, die unter die Haut oder in den  Blutstrom implantiert werden können. Solche Sensoren werden es uns ermöglichen,  Monitoring-Daten zu generieren, wann immer und wo immer wir es wollen.

Doch  diese Implantate können noch mehr. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz werden  diese Sensoren eine große Masse an Daten generieren, die analysiert werden  können und die uns dann warnen, wenn etwas schief läuft. Das ist wichtig, denn  häufig müssen wir auf einen Arzttermin Wochen oder Monate warten. Wenn ich zum  Beispiel meinen Gastroenterologen im März sehen möchte, dann muss ich  spätestens im Dezember einen Termin machen.

Das ist doch verrückt! Ich habe einen schweren  Morbus Crohn, was bedeutet, dass sich mein Gesundheitsstatus innerhalb von 24  Stunden dramatisch verändern kann – aber ich muss einen Arzttermin 3 Monate im  Voraus buchen – ein Grund, warum ich schon fast 20 Mal in der Notaufnahme war.  Die Folge ist, dass viele Krankheiten und Exazerbationen erst in einem späten  Stadium diagnostiziert werden. Kontinuierliches Monitoring wird uns dabei helfen, Krankheiten dann zu  sehen, wenn sie erstmalig auftreten.

Kommentar

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