US-Präventions-Task Force empfiehlt landesweites Screening auf Depressionen – ein Ansatz auch für Deutschland?

Andrea Wille

Interessenkonflikte

1. Februar 2016

Die U.S. Preventive Services Task Force (USPSTF) hat ein Update zu ihren bisherigen Empfehlungen für ein Screening auf Depressionen veröffentlicht [1]. Demnach sollen Erwachsene in den USA standardmäßig beim Arztbesuch auf Depressionen getestet werden. Bei der USPSTF handelt sich um einen Zusammenschluss unabhängiger Gesundheitsexperten, die regelmäßige Empfehlungen zu Vorsorgeuntersuchungen herausgeben.

Die Empfehlung zu generellen Screenings auf Depressionen wurden von der Arbeitsgruppe das erste Mal 2002 und zuletzt 2015 ausgesprochen. Ein solches Screening hätte den Autoren zufolge neben der Verbesserung der persönlichen Situation der Patienten auch positive ökonomische Folgen, da die Depression eine der Hauptgründe für Frühverrentung und Krankheitstage bei Erwachsenen darstelle.

Dr. Sarah Kittel-Schneider

In dem aktuellen Update, das in Form einer mehrteiligen Artikelserie im JAMA erschienen ist, werden die Empfehlungen auf Frauen während und nach der Schwangerschaft ausgeweitet, da Frauen in diesen Phasen für Depressionen besonders anfällig seien und dadurch auch das Wohl des Kindes beeinträchtigt sein könnte.

Dr. Sarah Kittel-Schneider, leitende Oberärztin an der Universitätsklinik Frankfurt, sieht in Deutschland ähnlichen Bedarf für ein Screening bei einem Arztbesuch: „Prinzipiell sind Depressionen auch in Deutschland unterdiagnostiziert und viele Betroffene erhalten keine oder keine adäquate Therapie, was zum einen zu einer Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustands der Betroffenen und hohem individuellen Leiden führen kann und zum anderen auch hierzulande ökonomische Folgen hat.“

Da Depressionen gut behandelbare Erkrankungen seien, habe das Screening direkten Nutzen. Die Autoren der Empfehlung stufen den Nutzen eines Screenings in den USA anhand von 5 randomisiert-kontrollierten Studien als „moderat“ ein. Für Frauen in der Schwangerschaft und nach der Geburt sehen sie den Nutzen ebenfalls als „moderat“ an, hier verweisen sie auf 6 randomisiert-kontrollierte Studien.

Kein Screening, bevor die Versorgungsstrukturen nicht besser sind

 
Prinzipiell sind Depressionen auch in Deutschland unterdiagnostiziert und viele Betroffene erhalten keine oder keine adäquate Therapie. Dr. Sarah Kittel-Schneider
 

Doch damit nach der Diagnose auch die adäquate Behandlung erfolgen kann, brauche es in Deutschland zunächst bessere Strukturen, sagt Kittel-Schneider. „In Deutschland ist das Problem, dass es zu wenige Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie gibt und alternative Versorgungsstrukturen für die ambulante Behandlung depressiver Patienten kaum existieren. Bevor es keine verbesserten Versorgungsstrukturen gibt, sollte nicht breiter auf Depression gescreent werden. Zudem muss eine solche Versorgung ja auch durch die Krankenkassen finanziert werden“, gibt sie zu bedenken. 

Auch die Autoren der Studie wollen die Screenings in den USA nur in Einrichtungen durchführen lassen, die ein ausreichendes „Unterstützungssystem“ implementiert haben, damit nach der Diagnose auch eine Behandlung angeboten werden kann. Nach Ansicht der Autoren wären zudem regelmäßige Schulungen wünschenswert, damit Hausärzte und Pflegepersonal, wenn auch nicht die Behandlung, so doch zumindest eine adäquate Nachbetreuung anbieten können.

Michael Thase von der University of Pennsylvania betont in einem begleitenden Kommentar, dass ebenfalls engmaschige Kontrollen notwendig seien, inwiefern die Therapie beim Patienten überhaupt anschlage [2]. Hierfür empfiehlt Thase ein Web-basiertes Monitoring, das Ärzte und anderes medizinisches Personal dabei unterstützen könne, bei ausbleibendem Therapieerfolg schnell zu reagieren und die Behandlung anzupassen.

 
Bevor es keine verbesserten Versorgungs-strukturen gibt, sollte nicht breiter auf Depression gescreent werden. Dr. Sarah Kittel-Schneider
 

Screeningtests sind gut validiert

Als Screeningverfahren schlägt die USPSTF verschiedene Test wie den Patient Health Questionnaire (PHQ), die Hospital Anxiety und Depression Scale (HAD) für Erwachsene, die Geriatric Depression Scale (GDS) für Ältere und die Edinburgh Postnatal Depression Scale für Frauen in der Schwangerschaft und Postnatalphase (EPDS) vor. „Der EPDS ist ein gut validiertes Instrument und findet breite Anwendung, ebenso wie der PHQ, der GDS und der HAD zum Screening bei Patienten mit körperlichen Erkrankungen. Diese Fragebögen sind alle auch in deutscher Sprache erhältlich und validiert“, kommentiert Kittel-Schneider.

Doch was würde in Deutschland benötigt, um ein solches Screening einzuführen? Kittel-Schneider dazu: „Was in Zukunft gebraucht wird, sind niederschwelligere gemeindenahe Versorgungsstrukturen über beispielsweise stärkere Schulung und Einbeziehung von Hausärzten und Gynäkologen, Einsatz von speziell geschultem Pflegepersonal und Sozialarbeitern, Behandlungen in Gruppensettings oder auch Telefon- und Internetinterventionen, mit denen man effektiv eine größere Anzahl von Patienten behandeln kann.“

Hierzu gebe es bereits Studien, die auch eine Effektivität und Effizienz dieser Maßnahmen bei der Prävention von Personen mit einem erhöhten Risiko, an einer Depression zu erkranken, oder in der Behandlung von Personen mit leichten bis mittelgradigen depressiven Episoden zeigten.

 

REFERENZEN:

1. Albert LS, US Preventive Services Task Force: JAMA 2016; 315(4):380-387

2. Thase ME: JAMA 2016; 315(4):349-350

 

Kommentar

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