Nehmen wir die Ernährung zu wichtig?
Medscape: Vom Harnsäurespiegel einmal abgesehen: Wie könnten Ärzte Patienten sonst noch besser beraten?
Dr. Edwards: Patientenschulungen sind ein großer Faktor bei der Optimierung des Gichtmanagements. Ein erheblicher Teil der Nichteinhaltung der Medikation bei Patienten mit Gicht ist zu beobachten, weil Ärzte sich nicht die Zeit genommen haben zu erklären, was der Zweck der einzelnen Medikamente ist und was der Patient im Hinblick auf die Linderung über die Zeit erwarten kann.
Patienten sind im Großen und Ganzen auf die Linderung der Symptome fixiert. Dies ist sehr verständlich. Aber wir als Kliniker müssen den langfristigeren Blickwinkel einnehmen und die Notwendigkeit diskutieren, die Harnsäure zu senken, um die Ursache der Schmerzen durch die Gicht und das Fortschreiten der Krankheit einzudämmen. Neben der Senkung der Harnsäure kann es günstige Effekte auf eine Reihe von Begleiterkrankungen bei Gicht erzielen, die angesammelten Harnsäureablagerungen in und um die Gelenke abzubauen – wie Herzkrankheiten, Schlaganfall, Nierenerkrankungen und sogar Diabetes und Fettleibigkeit.
Behandelnde Ärzte müssen Teil dieses Gesprächs werden. Die meisten Patienten nehmen nicht gerne Medikamente ein und vor allem nehmen sie nicht gerne Medikamente ein, wenn sie keinerlei Symptome haben – wie es häufig bei Gicht der Fall ist. Also ist die Nachricht sehr wichtig, dass dieses größere Wohl darin besteht, die Harnsäure zu senken und das Potenzial für Gichtanfälle und Gelenkzerstörung zu beheben.
Medscape: Was würden Sie Ärzten zur Ernährungsberatung bei Gicht empfehlen?
Dr. Edwards: Eine der Schwierigkeiten bei der Gichtbehandlung ist zu viel Nachdruck auf Ernährung. Das Ergebnis ist, dass die Patienten das Gefühl haben, sie hätten eine Wahl. Sie denken: „Alles, was ich zu tun habe, ist eine Diät einzuhalten, und ich werde nicht unter der Gicht leiden.“ Nun, das ist einfach nicht wahr. Selbst mit einer sehr strikten Diät senken Patienten ihre Harnsäure im besten Fall nur ein wenig – und fast nie genügt die Ernährungsumstellung, um ihre Harnsäure auf den Zielwert zu bekommen. Auf lange Sicht wird ihre Krankheit nur noch schlimmer.
Ernährungsberatung kann sicherlich eine vorteilhafte ergänzende Intervention sein. In den frühen Stadien der Gicht, wenn harnsäuresenkende Therapien gerade erst angesetzt worden sind, kann ein Patient die Gefahr senken, Anfälle zu triggern, indem er oder sie die Aufnahme bestimmter Getränke und Lebensmittel einschränkt wie Bier, Meeresfrüchte (vor allem Schalentiere) und rotes Fleisch. Der Arzt muss betonen, dass diese Ernährungsempfehlungen nur eine unterstützende Intervention sind und nicht die Notwendigkeit einer pharmakologischen Therapie aufheben.
Diese Gespräche über Ernährung können auch für Ärzte verwirrend sein, weil die Empfehlungen, was gegessen werden darf und was nicht, sich im Laufe der Zeit geändert haben. Es genügt zu sagen, wir werden Gicht nicht allein mit einer Ernährungsumstellung heilen. Gewichtsverlust kann jedoch sehr hilfreich sein. Ich denke, dass Kalorienrestriktion plus Bewegung bei allen Gicht-Patienten gefördert werden sollte. Die Mehrheit der Patienten mit Gicht ist übergewichtig und sie in die Nähe ihres idealen Körpergewichts zu bringen, hilft nicht nur bei ihrer Gichtbehandlung, sondern auch bei der Reduzierung der Komorbiditäten.
Wenn wir unseren Patienten mit Gicht eine sehr restriktive Ernährung empfehlen, denke ich, dass wir riskieren ihre Aufgeschlossenheit für alle unsere Behandlungsempfehlungen zu verlieren. In der Tat gehen viele Patienten zunächst nicht einmal zum Arzt wegen der Beschwerden, bei denen sie vermuten, sie seien Gicht. Sie erwarten zu hören: „Kein Bier mehr, kein Steak mehr, und keinen Fisch mehr.“ Die Patienten sagen gerade heraus zu mir, dass sie lieber gelegentlich an Gichtanfällen leiden als auf diese Dinge zu verzichten. Mein Ansatz ist, die Ernährung nicht bei jenen Patienten zu betonen, die nicht dafür empfänglich sind. Ich weise darauf hin, dass Maßlosigkeit bei bestimmten Lebensmitteln und Getränken ihre Anfälle auslösen können – also alles in Maßen.
Diesen Artikel so zitieren: Ernährung bei Gicht: „Ein Mangel an Verständnis und eine Menge Fehlinformationen“ - Medscape - 1. Feb 2016.
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