Am Montag hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einer Dringlichkeitssitzung entschieden, dass die Ausbreitung des Zika-Virus zum internationalen Gesundheitsnotfall erklärt wird (siehe Kasten). Derweil schätzt die WHO, dass die Zahl der Infektionsfälle in den nächsten Monaten auf 3 bis 4 Millionen steigen könnte. Die Epidemie verbreite sich „explosionsartig“ auf dem amerikanischen Kontinent, erklärte WHO-Chefin Dr. Margaret Chan beim Treffen des WHO Executive Boards am Donnerstag in Genf.
Vor allem für schwangere Frauen in den Gebieten, in denen das Virus vorkommt (außer in Brasilien mittlerweile in 22 weiteren lateinamerikanischen und karibischen Ländern), sind das keine guten Nachrichten. Denn das Zika-Virus steht im Verdacht, bei Föten eine Mikrozephalie auszulösen.
Da das Virus von Stechmücken übertragen wird, sollten Schwangere in den Ausbruchsgebieten versuchen, Mückenstiche nach Möglichkeit zu vermeiden. Mückenschutzmittel, die demnächst kostenlos an 400.000 sozial schwache Schwangere in Brasilien verteilt werden, sollen dabei helfen. Vielleicht könnten aber auch Kondome bei der Eindämmung der Epidemie nützlich sein.
Kann das Zika-Virus durch Geschlechtsverkehr übertragen werden?
Ganz abwegig ist der Gedanke nicht. Tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass das Zika-Virus auch sexuell übertragen werden kann. Im Jahr 2013 wurde das Virus zumindest im Sperma eines Mannes aus Tahiti nachgewiesen. Zu der Zeit grassierte das Virus gerade in Französisch-Polynesien. Der Patient hatte den Arzt aufgrund von Blutbeimengungen in seinem Sperma aufgesucht. Dr. Didier Musso vom Institut Louis Malardé in Tahiti und seine Kollegen hielten den Fall im Fachjournal Emerging Infectious Diseases fest [1]. Ihr Fazit: „Unsere Befunde stützen die Hypothese, dass das Zika-Virus auch durch Geschlechtsverkehr übertragen werden kann.“
Eine sexuelle Übertragbarkeit hielten aber auch schon die Verfasser eines früheren Fallberichts in Emerging Infectious Diseases für möglich. Die Autoren um Brian D. Foy von der Colorado State University berichten darin von einem US-amerikanischen Wissenschaftler, der sich im August 2008 während eines Arbeitsaufenthalts im Senegal mit dem Zika-Virus infiziert hatte. Kurz nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten wurde das Virus auch bei seiner Frau nachgewiesen. Als wahrscheinlichste Erklärung für die Infektion erschien den Forschern die Übertragung beim Geschlechtsverkehr.
Vor diesem Hintergrund ist auch die Forderung von Andrés M. Patiño-Barbosa, Universidad Tecnológica de Pereira, Kolumbien, und seinen Kollegen nicht vollkommen widersinnig: Angesichts der potentiellen sexuellen Übertragbarkeit des Virus empfahlen sie bereits 2015 im Fachblatt Sexual Transmitted Diseases, Programme zur sexuellen Gesundheit in die Bekämpfungsstrategie der Vektor-assoziierten Viren zu integrieren.
Virusnachweis in Blutspenden
Eine weitere Infektionsgefahr droht möglicherweise auch bei Bluttransfusionen. So hatte das tahitianische Forscherteam um Musso das Zika-Virus im Rahmen des Ausbruchs in Französisch-Polynesien nicht nur im Sperma eines Patienten, sondern auch im Blut von 2,8% der asymptomatischen Blutspender (42 von 1.505) nachweisen können. Einen Beleg für eine Übertragung des Virus durch Bluttransfusionen gibt es bislang allerdings nicht.
Anders ist die Lage beim Dengue- und West-Nil-Virus, dem Zika-Virus verwandten Arboviren. Bei beiden gebe es bereits Berichte über Übertragungen durch Bluttransfusionen, schreiben Musso und seine Kollegen in Eurosurveillance.
ECDC: Alle Blut- und Samenspenden sollten untersucht werden
In welchem Maße – wenn überhaupt – nicht Vektor-assoziierte Übertragungswege eine Rolle bei der Ausbreitung des Zika-Virus spielen, lässt sich bislang nicht beantworten.
Als vollkommen abwegig scheinen die alternativen Übertragungswege aber unter Experten nicht zu gelten. Immerhin legt das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) in ihrem gerade aktualisierten Rapid Risk Assessment mittlerweile einen größeren Fokus auf mögliche horizontale Virus-Übertragungen.
Forderte das ECDC im Dezember 2015 beispielsweise noch einzig die Rückstellung von Blutspendern mit bekannter Reisetätigkeit in betroffene Gebiete, halten sie inzwischen die Untersuchung aller Blut- und Samenspenden in Epidemie-Gebieten auf das Vorhandensein von Zika-Viren für sinnvoll. Außerdem empfehlen sie Maßnahmen, die sicherstellen, dass Schwangere nur Virus-freie Bluttransfusionen erhalten.
Samenbanken sollten zudem erwägen, keine Samenspenden von Männern zu akzeptieren, die sich in den 28 Tagen vor der Spende in einem Epidemie-Gebiet aufhielten.
WHO ruft globalen Gesundheitsnotstand aus Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat wegen des sich ausbreitenden Zika-Virus den globalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Zu diesem Schritt habe eine 18-köpfige Expertenrunde geraten, teilte die WHO am Montagabend in Genf mit. Es gebe eine starke räumliche und zeitliche Verbindung zwischen dem Virus und dem Auftreten von kongenitalen Fehlbildungen und neurologischen Erkrankungen, konstatierten die Experten. Ein wissenschaftlicher Beweis für einen kausalen Zusammenhang zwischen Virus-Infektionen bei Schwangeren und Mikrozephalie bei Föten stehe aber nach wie vor aus, sagte die WHO-Direktorin Dr. Margaret Chan. Bei einem globalen Gesundheitsnotfall handelt es sich nach WHO-Regularien um ein „außergewöhnliches Ereignis“, das durch die Gefahr der internationalen Verbreitung einer Krankheit zum „öffentlichen Gesundheitsrisiko“ für mehrere Länder zu werden droht und daher eine „koordinierte internationale Antwort“ erfordern kann. Zuletzt hatte die WHO im August 2014 wegen der Ebola-Epidemie in Westafrika einen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Eine koordinierte internationale Antwort sei nun nötig, sagte Chan. Unter anderem die Bekämpfung der Überträgermücken, die Entwicklung diagnostischer Tests und Impfungen müssten nun vorangetrieben werden. Vor Reisen in die betroffenen Gebiete warnt die WHO dagegen nicht. Die Menschen, und speziell schwangere Frauen, sollten sich jedoch vor Mückenstichen schützen. |
REFERENZEN:
1. Musso D, et al: Emerg Infect Dis. 2015;21(2):359-361
Diesen Artikel so zitieren: Explosionsartige Ausbreitung auf dem amerikanischen Kontinent: Sind Zika-Viren auch durch Sex und Blut übertragbar? - Medscape - 29. Jan 2016.
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