Schweizer Kliniken müssen Innovationen mitunter selbst finanzieren
Prof. Dr. Thierry Carrel, Herzchirurg und Direktor der Universitätsklinik für Herz- und Gefäßchirurgie in Bern, Schweiz, klagte darüber, dass im Nachbarland die Krankenhäuser die Innovationen mitunter selbst finanzieren. Zum Beispiel bei der Fernübertragung neurologischer Ereignisse während einer Operation an der Aorta, wie Carrel erläuterte. Während des Eingriffs ist der Operationssaal online mit einem neurophysiologischen Labor im Belgischen Maastricht verbunden, das täglich 4 bis 5 derartiger Operationen begleitet.
„Ist die Reizübertragung beim Patienten gestört, kann ich als Chirurg rechtzeitig eingreifen und die Durchblutung der Rückenmark-versorgenden Arterien verbessern“, erklärte Carrel. 50 bis 60 Patienten des Universitäts-Spitals Bern kommen im Jahr in den Genuss dieser Verfahrensinnovation. Für die Patienten ist sie elementar, denn sie kann verhindern, dass sie nach der OP querschnittsgelähmt sind.
Aber die Zulassung zieht sich. „Wir bekommen keine DRG bei der Suisse-DRG AG, weil die Prozedur so selten ist“, berichtet Carrel. „So werden Spitäler, die sich mit solchen komplizierten Eingriffen befassen, noch bestraft.“ Kurz: Das Berner Spital überweist die Kosten für die Kontrolluntersuchungen aus eigenen Mitteln nach Maastricht.
Migros und die Marktmacht
Dass es aber auch viel leichter gehen kann im Nachbarland, zeigt der Schweizer Einzelhandelsriese „Migros“. Er hat sich im Herbst vergangenen Jahres in die Gesundheitsversorgung der Schweiz eingekauft – und zwar in großem Stil. Der Migros-Genossenschafts-Bund hat im September 2015 über seine Tochter „Medbase“ 70% an den Santémed-Gesundheitszentren der Schweizer „Swica“-Krankenkasse übernommen. „So ist zusammen mit den Einrichtungen von Medbase das größte Netzwerk für die ambulante medizinische Versorgung in der Schweiz entstanden“, berichtete Marcel Napierala, Geschäftsführer und Mitgründer Medbase AG, in Berlin.
Die 8 Millionen Schweizer kennen die Migros und ihr Motto „Täglich besser leben“. Dies löst der Konzern nun auch dadurch ein, dass er keine Schokolade und keinen Alkohol mehr verkaufe, Sportanlagen Fitness-Studios und Sportartikel anbietet und: jetzt auch zusammen mit den Einrichtungen von Medbase die ärztliche Versorgung an 35 ambulanten Standorten. So soll unter dem Dach der Migros alles in integrierter Versorgung zusammenfließen: gesunde Ernährung, Fitness, die Entspannung im Golfklub und die ärztliche Versorgung.
Abgesehen von dem Umstand, dass die Schweizer Kooperation als solche schon fast als Verfahrensinnovation der Integrierten Versorgung gelten könnte, dürfte der Konzern auch gegenüber den Krankenkassen der Schweiz eine Menge Verhandlungsmacht entfalten können, wenn es um Innovationen geht.
Für Napierla sind Innovationen denn auch vor allem eine Angelegenheit des Marktes. „Weil wir alles aus eine Hand anbieten und 8 Millionen Schweizer ansprechen, können wir den Krankenkassen auch viel mehr bieten, wenn es um den Einsatz von Innovationen geht“, sagte Napierala zu Medscape Deutschland.
REFERENZEN:
1. BMC-Kongress, 19. bis 20. Januar 2016, Berlin
Diesen Artikel so zitieren: Mehr Tempo: Bis Innovationen in der Arztpraxis vergütet werden, soll es nicht mehr so lange dauern - Medscape - 27. Jan 2016.
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