Ob Patienten im Krankenhaus dazu bereit sind einen HIV-Test zu machen, hängt ganz davon ab, wie man sie danach fragt. Dies fand eine kalifornische Arbeitsgruppe heraus, indem sie Patienten in der Notaufnahmestation auf 3 unterschiedliche Arten um ihr Einverständnis gebeten hat. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden jetzt aktuell im British Medical Journal (BMJ) veröffentlicht [1].

PD Dr. Martin Hartmann
„Im angelsächsischen Raum werden persönliche gesundheitsbezogene Auskünfte traditionell entspannter angegangen als in Deutschland“, erklärt PD Dr. Martin Hartmann, Leiter der Immunologischen Ambulanz an der Universitätshautklinik in Heidelberg. „Aber die Einverständniserklärung zu HIV-Tests ist für Mediziner und für Datenschützer eine Herausforderung. In Deutschland ist das auch ein Politikum.“
In den USA sind Überträger, die noch nichts von ihrer HIV-Infektion wissen, für rund ein Drittel aller HIV-Neuinfektionen verantwortlich, wie eine Untersuchung aus dem letzten Jahr belegt. Mehr Menschen auf HIV zu testen, bleibt deshalb ein wichtiges Ziel im Maßnahmenkatalog gegen die AIDS-Erkrankung. Dr. Juan Carlos Montoy und Kollegen aus 3 Kliniken der University of California in San Francisco und Berkely, USA, organisierten dazu eine Befragung von Patienten, die sich mit ganz unterschiedlichen Beschwerden dort vorstellten.
Wichtig für die Bereitschaft zum Test ist die Art der Fragestellung
Wurde Patienten (Gruppe 1) ein anamnestischer Fragebogen vorgelegt, bei dem sie einen HIV-Test durch Ankreuzen eigens ausschließen mussten („opt-out“), erklärten sich 65,9% der so Befragten zu dem Test bereit. Von Patienten, die in dem Fragebogen zum HIV-Test definitiv „ja“ oder „nein“ ankreuzen mussten („active choice“, Gruppe 2), antworteten 51,3% mit „ja“. In der dritten Gruppe schließlich, in deren Fragebogen ein HIV-Test aktiv in einem entsprechenden Feld eigens anzukreuzen war („opt-in“), nahmen nur 38,0% der Befragten diese Möglichkeit wahr.
Die Unterschiede zwischen den 3 Gruppen waren signifikant. Insgesamt stimmten von 5.801 befragten Patienten 4.800 der Teilnahme an dieser Studie zu. Die Autoren berichten, dass die die „active choice“ wie bei der 2. Testgruppe ihrer Erfahrung nach die Methode sei, die die Präferenzen der Patienten am exaktesten berücksichtige. Im Vergleich zu dieser Gruppe entschieden sich in der „opt-out“-Gruppe allerdings noch 14,6% mehr der Befragten dafür, in der Klinik auch noch einen HIV-Test machen zu lassen.
Patienten mit höherem Risiko einer HIV-Infektion sind eher zum Test bereit
Im Nachhinein wurden die Teilnehmer nach Risikogruppen für eine HIV-Infektion nach dem Dever HIV Risk Score stratifiziert. In der Gruppe mit hohem Risiko (n = 469) war auch die Bereitschaft für den HIV-Test insgesamt um 8,3% höher als in der Gruppe mit niedrigem Risiko; die Unterschiede in den einzelnen Armen der Befragung verringerten sich waren dann nicht mehr signifikant.
Bei der Gruppe mit mittlerem Risiko (n = 2.208) lag die Bereitschaft für den HIV-Test insgesamt um 6,4% höher als in der Gruppe mit niedrigem Risiko, hier waren die Unterschiede auch weiterhin signifikant.
„Ich könnte mir vorstellen, in Deutschland hätte die Studie das Gleiche ergeben, wenn sie hier durchgeführt worden wäre“, vermutet Hartmann. „Auch bei der Organspende stimmen mehr Menschen zu, wenn sie aktiv nein sagen müssen.“
Die Ergebnisse bestätigen in jedem Fall die Tendenz in den USA, HIV-Tests nach dem „opt-out“-Prinzip anzubieten, da diese Methode die höchste Wahrscheinlichkeit für eine Zustimmung zum Test erzielt, urteilt Prof. Dr. Jason S. Haukoos, Notfallmediziner und Epidemiologie im Denver Health Medical Center, Colorado, USA, in seinem Kommentar [2]. Die Studie zeige auch, dass der Frage nach der Zustimmung zu einem HIV-Test letztlich eine ebenso wichtige Bedeutung zukomme wie dem Test selbst.
In Deutschland überwiegen Überlegungen zu Datenschutz und Aufklärung
„Von einem solchen Vorgehen sind wir in der Realität unserer öffentlichen medizinischen Versorgungseinrichtungen aber weit entfernt. Lediglich in Kliniken mit operativem Schwerpunkt mag es eine Herangehensweise geben, die der hier zitierten Opt-in-Variante entspricht“, legt Hartmann die Verhältnisse in Deutschland dar.
Die Studienautoren um Montoy unterstreichen in ihrer Diskussion, wie wichtig die genaue Formulierung der Frage nach der Bereitschaft für einen HIV-Test sei, um eine positive Antwort der Patienten darauf zu erwirken. Die Fragebögen wurden in der aktuellen Studie zudem von geschulten Personen an die Patienten verteilt und auch von diesen mit den Teilnehmern besprochen. Aber in der täglichen Routine müsst ein solcher Fragebogen so gestaltet sein, dass auch knappe Zeitressourcen des Personals berücksichtigt sind.
„Hier fehlt mir die Diskussion um die Aufklärung für Patienten, bei denen der HIV-Test positiv ausfällt“, wendet Hartmann ein. „Wer den HIV-Test will, muss neben aller medizinischen auch eine adäquate psychische Betreuung der Menschen gewährleisten, die sich dann überraschend mit einer lebensbedrohlichen und stigmatisierten Krankheit konfrontiert sehen.“
REFERENZEN:
1. Montoy JCC, et al: BMJ (online) 19. Januar 2016
2. Haukoos JS: BMJ (online) 19. Januar 2016
Diesen Artikel so zitieren: Zustimmung leicht gemacht: Wer HIV-Screening will, braucht eine gute Fragestrategie - Medscape - 25. Jan 2016.
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