Erfolg mit Anti-Thymozytenglobulin: Vermindert bei akuter Leukamie vor Stammzelltransplantation chronische Graft-versus-Host-Krankheit

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

18. Januar 2016

Die chronische Graft-versus-Host-Krankheit (GvHD) ist eine wichtige Komplikation der allogenen Stammzelltransplantation. Während die Prophylaxe der akuten GvHD in den letzten 20 Jahren deutliche Fortschritte erzielte, blieben Versuche zur Prävention der chronischen Variante bislang erfolglos. Nur für Antithymozytenglobulin (ATG) konnte gezeigt werden, dass es die Inzidenz der GvHD nach Transplantation von Stammzellen von einem nicht verwandten Spender senkte. Nun zeigt eine aktuelle Studie, dass die zusätzliche Gabe von ATG zu einem myeloablativen Konditionierungsregime bei Patienten mit akuter Leukämie die Rate der chronischen GvHD signifikant senkt. Die Patienten hatten eine Transplantation von Stammzellen aus dem Blut HLA-identischer Geschwister erhalten.

 
Die Verhinderung der chronischen GvHD, vor allem der schweren Formen, ist ein großer Gewinn für unsere Patienten. Dr. Christoph Faul
 

Die Phase-3-Studie wurde von der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Nikolaus Kröger, Leiter der Klinik für Stammzelltransplantation am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, im New England Journal of Medicine publiziert [1]. „Die Verhinderung der chronischen GvHD, vor allem der schweren Formen, ist ein großer Gewinn für unsere Patienten“, kommentiert Dr. Christoph Faul, Leiter des Bereichs allogene Stammzelltransplantation am Universitätsklinikum Tübingen, die Ergebnisse. Er weist jedoch darauf hin, dass „die Ergebnisse nicht auf andere Transplantationsvarianten, zum Beispiel eine nicht myeloablative Konditionierung übertragen werden dürfen.“

Die chronische Graft-versus-Host-Krankheit ist die häufigste Ursache der Morbidität und späteren Letalität (etwa 25%) nach allogener Stammzelltransplantation. Risikofaktoren für das Auftreten der chronischen GvHD sind die Verwendung von peripherem Blut als Quelle für die Stammzellen, eine akute GvHD in der Anamnese und die Verwendung von Spenderstammzellen mit hohem T-Zell-Anteil.

Stammzelltransplantation von HLA-identischem Geschwister

Kröger und seine Kollegen untersuchten in ihrer prospektiven multizentrischen randomisierten offenen Phase-3-Studie, ob sich durch die Gabe von ATG in einem myeloablativen Konditionierungsregime die Häufigkeit einer chronischen GvHD innerhalb von 2 Jahren nach der Transplantation von Stammzellen aus dem peripheren Blut von einem HLA-identischen Geschwister verringern ließ.

 
Der Trend zu mehr Rezidiven und die fehlende Verbesserung des Gesamtüberlebens … stimmen etwas nachdenklich. Dr. Christoph Faul
 

In die Studie wurden Patienten im Alter von 18 bis 65 Jahren mit akuter myeloischer oder lymphatischer Leukämie aufgenommen, die sich in kompletter Remission befanden und bei denen eine allogene Stammzelltransplantation angezeigt war. 72 Patienten erhielten das myeloablative Konditionierungsregime ohne und 83 Patienten mit Gabe von ATG an den Tagen 3, 2 und 1 vor der Transplantation der Stammzellen.

Weniger chronische GVHD mit ATG in der Konditionierung

Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 24 Monaten war die kumulative Inzidenz der chronischen GvHD in der ATG-Gruppe mit 32,2% um 36,5 Prozentpunkte signifikant niedriger als in der Nicht-ATG-Gruppe mit 68,7% (p < 0,001).

Das rückfallfreie Überleben (59,4 versus 64,6%) und das Gesamtüberleben (74,1 versus 77,9%) waren nach 2 Jahren jedoch in beiden Gruppen ähnlich. Zwischen den beiden Gruppen gab es auch keine signifikanten Unterschiede in der Zahl der Rückfälle, der Infektionen, von akuter GvHD oder der Nebenwirkungen.

„Der Trend zu mehr Rezidiven und die fehlende Verbesserung des Gesamtüberlebens – zumindest innerhalb der ersten zwei Jahre – stimmen etwas nachdenklich“, so Faul. Die chronische GvHD sei nur eine, jedoch eine wesentliche Ursache für späte Todesfälle, deshalb wäre eine Langzeitbeobachtung wünschenswert: „Möglicherweise ist langfristig das Gesamtüberleben im ATG-Arm besser“, vermutet der Tübinger Hämatoonkologe.

 
Möglicherweise ist langfristig das Gesamtüberleben im ATG-Arm besser. Dr. Christoph Faul
 

Der zusammengesetzte Endpunkt aus chronischer GvHD-freiem und aus rückfallfreiem Überleben nach 2 Jahren war jedoch in der ATG-Gruppe mit 36,6% signifikant besser als in der Nicht-ATG-Gruppe mit 16,8% (p = 0,005). Dieser zusammengesetzte Endpunkt kommt nach Aussage von Faul der Definition einer Heilung viel näher als z.B. der Endpunkt Gesamtüberleben. Dies sei deshalb ein angemessenes Therapieziel.

Immunsuppression mit Ciclosporin konnte in der ATG-Gruppe nach einem Jahr abgesetzt werden

„Der nichtsignifikante Unterschied in den Rückfallraten rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung auf Äquivalenz“, so die Autoren. Besonders wichtig ist ihrer Ansicht nach der Befund, dass besonders die schwere Form der chronischen GvHD durch die ATG-Gabe verringert wurde, nämlich um 44,8 Prozentpunkte. Zudem konnte bei 91% der Patienten in der ATG-Gruppe innerhalb von einem Jahr nach der Transplantation die Immunsuppression mit Ciclosporin abgesetzt werden, während dies nur bei 39% der Nicht-ATG-Patienten möglich war.

„ATG ist bei uns seit längerem Standard bei Transplantationen mit nicht verwandten Spendern. Wir diskutieren gerade die regelmäßige Anwendung von ATG in der myeloablativen Konditionierung bei identischem Familienspender und Gabe von peripheren Blutstammzellen“, erläuterte Faul. Eine Entscheidung stehe jedoch noch aus.

 

REFERENZEN:

1. Kröger, N, et al: NEJM 2016;374:43-53

 

Kommentar

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