Mit einer neuen Untersuchungstechnik, der multispektralen optoakustischen Tomografie (MSOT), kann möglicherweise Patienten mit einem Melanom die Exzision des Wächterlymphknotens erspart werden. Eine Arbeitsgruppe um Dr. Ingo Stoffels und PD Dr. Joachim Klode von der Klinik für Dermatologie am Universitätsklinikum Essen konnte in einer ersten klinischen Untersuchung an Melanom-Patienten nachweisen, dass mit diesem Verfahren das Fehlen von Metastasen im Wächterlymphknoten sehr zuverlässig erkannt und den Patienten damit eventuell ein operativer Eingriff erspart werden kann [1].
Sensitivität von 100 Prozent?
„Das multispektrale optoakustische Imaging ist sicher eine interessante Methode, wird aber die Wächterlymphknoten-Biopsie nicht ersetzen“, meint dagegen Prof. Dr. Claus Garbe, Ärztlicher Leiter der Sektion für Dermatoonkologie, Universitäts-Hautklinik Tübingen. „Bei der Publikation handelt es sich um eine monozentrische Untersuchung an einem kleinen Kollektiv, die zunächst klinisch ohne Bedeutung bleibt. Es ist nicht nachvollziehbar, dass hier eine Sensitivität von 100 Prozent erreicht wurde, da eine Positivität bereits bei Vorhandensein einzelner Tumorzellen vorliegt. Es ist für mich nicht vorstellbar, dass diese mittels eines nicht invasiven bildgebenden Verfahrens identifiziert werden können“, kommentiert der Tübinger Dermatoonkologe die Ergebnisse gegenüber Medscape Deutschland.
Bei vielen Krebserkrankungen ist die Prognose eng mit dem Metastasen-Befall von Lymphknoten assoziiert. Deshalb wird vor allem bei Patienten mit Mammakarzinom, Prostatakrebs oder malignem Melanom der Wächterlymphknoten (SLN) exzidiert und auf Metastasen untersucht.
Das Verfahren birgt jedoch auch gewisse Risiken. Als Marker erhält der Patient eine mit radioaktivem Technetium-99m markierte Substanz, deren Wanderung und Anreicherung im Körper szintigrafisch untersucht werden kann. Histologisch untersucht wird nur ein Teil des Lymphknoten, und es wird nach wie vor über die optimale Methode der pathologischen Sektionierung des Lymphknotens diskutiert. Damit lässt sich auch – zumindest zum Teil – die hohe Rate an falsch-negativen Befunden bei der SLN-Exzision (SLNE) von 9 bis 44% erklären.
Außerdem: In der Multicenter Selective Lymphadenectomy Trial waren 79,2% der Melanompatienten, die sich einer SLNE unterzogen, histologisch ohne Befund. Mit einem nicht-invasiven Untersuchungsverfahren könnte man also bei rund 80% der Patienten die SLNE vermeiden.
Wie funktioniert die MSOT?
Die multispektrale optoakustische Tomografie (MSOT) ist am Helmholtz Zentrum München von Prof. Dr. Vasilis Ntziachristos und Prof. Dr. Daniel Razansky entwickelt worden. Das Verfahren nutzt Laserimpulse, um zuerst Töne und anschließend Bilder von menschlichem Gewebe zu erzeugen. Der Laser erzeugt kurze Lichtblitze, die in den Körper eindringen. Dort wird das Licht vom Gewebe absorbiert, und zwar je nach Art des Gewebes und der Wellenlänge der Laserimpulse unterschiedlich stark. Durch die Lichtabsorption und die damit einhergehende minimale Temperaturerhöhung dehnt sich das Gewebe. Diese minimalen Bewegungen erzeugen akustische Signale.
Jedes Gewebe erzeugt dabei charakteristische und einzigartige Signale. Eine Blutzelle erzeugt beispielsweise ein anderes Signal als eine Hautzelle. Die unterschiedlichen Signale können von Ultraschalldetektoren an der Hautoberfläche erfasst werden. Ein Computer errechnet dann aus den akustischen Signalen ein Bild. Das MSOT-Bildgebungssystem wird von der Firma iIthera Medical GmbH in München entwickelt.
Erster klinischer Einsatz bei Melanompatienten
Das maligne Melanom als Melanin-haltiger Tumor bietet sich für die Anwendung von MSOT an, denn das Chromophor Melanin kann als Zielstruktur genutzt werden. Daher untersuchten nun Stoffels und seine Kollegen in einer ersten klinischen Studie ex vivo und in vivo, ob durch den Einsatz der MSOT die Metastasen-Erkennung im Vergleich zum bisherigen Standardvorgehen nach dem EORTC-Protokoll mit 99m-Tc-Markierung, Exzision und pathologischer Untersuchung verbessert werden kann.
Ex vivo, also in bereits exzidierten SLN wurden mit der MSOT in 22,9% der Lymphknoten Metastasen erkannt, mit dem konventionellen Vorgehen in 14,2%. Garbe weist allerdings darauf hin, dass die in der Studie als Standardvorgehen eingesetzte Aufarbeitungstechnik des EORTC-Protokolls relativ wenig sensitiv sei und dass es sensitivere Protokolle gibt.
Bei 20 Melanompatienten wurden mit dem Farbstoff Indocyaningrün die SLN identifiziert und mit der MSOT auf Melanin untersucht. Hiermit konnten alle mit 99m-Tc und Lymphszintigrafie nachgewiesenen SLN entdeckt werden.
Hohe Rate an falsch positiven Befunden
In vivo wurden bei den 20 Melanompatienten 41 SLN mit MSOT untersucht und aufgrund des Melanin-Gehalts als positiv oder negativ beurteilt. Mit der MSOT und histologisch waren 18 SLN negativ (43,9% richtig negative), 19 SLN waren mit der MSOT positiv und histologisch negativ (46,4% falsch positive) und 4 SLN waren mit MSOT und histologisch positiv (9,4% richtig positive).
Die relativ hohe Rate an falsch positiven Befunden mit der MSOT erklären die Untersucher mit dem Vorliegen von Blutungen, pigmentierten Zellen, Tattoo-Pigmenten, Naevi oder Melanophagen. Möglicherweise könne durch den Einsatz weiterer Kontrastmitteln die Zahl falsch positiver Befunde mit der MSOT verringert werden, so die Hoffnung der Autoren.
„Die geringe Spezifität mit einer hohen Rate falsch-positiver Befunde würde mich weniger stören. Eine hohe Sensitivität ist zumeist mit Verlusten bei der Spezifität verbunden“, erläutert Garbe auf Nachfrage von Medscape Deutschland.
Die Autoren sind der Meinung, dass die Ergebnisse dieser Studie das Potenzial der MSOT belegen, in vivo Metastasen im SLN sicher auszuschließen. „Wenn dieser Ansatz in größeren Studien validiert werden kann, könnte er die Zahl chirurgischer Eingriffe am SLN bei einer signifikanten Patientenzahl verringern“, meinen sie.
REFERENZEN:
1. Stoffels I, et al: Science Translational Medicine 2015;7:pp.317ra199
Diesen Artikel so zitieren: Schwarzer Hautkrebs: Mit Laserimpulsen Tumorzellen in Wächterlymphknoten aufspüren? - Medscape - 11. Jan 2016.
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