Unter High-Carb-Diät mit niedrigem Glykämischen Index nehmen die Harnsäurewerte ab

Inge Brinkmann

Interessenkonflikte

8. Januar 2016

Wenig Alkohol, purinarme Kost – dass sich der Harnsäurespiegel über die Ernährung beeinflussen lässt, ist weithin bekannt. Aber welche Rolle spielt der Glykämische Index (GI) und der allgemeine Kohlenhydratanteil der Ernährung dabei? Eine jüngst im Fachblatt Arthritis & Rheumatology veröffentlichte Ernährungsstudie aus den USA legt den Schluss nahe, dass diese Parameter für Patienten mit erhöhten Harnsäurewerten ebenfalls relevant sein könnten [1]. Vor allem ein niedriger GI (Maß für die blutzuckersteigernde Wirkung der Kohlenhydrate) in der Diät ist demnach mit einer Verminderung der Harnsäurewerte verbunden.

„Die größten Veränderungen der Harnsäurespiegel wurden bei Verringerung des GI und gleichzeitiger Erhöhung des Kohlenhydrat-Anteils beobachtet“, schreiben die Autoren um Dr. Stephen P. Juraschek von der Johns Hopkins Universität in Baltimore, USA. Bei dieser Kombination beobachteten die Wissenschaftler innerhalb von 5 Wochen eine Abnahme des Harnsäurespiegels um 0,27 mg/dl. Eine Diät mit einem hohen Anteil von Kohlenhydraten mit niedrigem GI, wie ihn etwa Hülsenfrüchte, Milchprodukte und bestimmte Früchte aufwiesen, verspreche somit den größten Effekt auf den Harnsäurespiegel, schreiben sie.

Prof. Dr. Martin Aringer

Dass der GI den Harnsäurespiegel in der hier dargestellten Form beeinflusst, ist indes keine Überraschung für Prof. Dr. Martin Aringer, Bereichsleiter Rheumatologie an der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Uniklinikum Dresden. So wisse man beispielsweise bereits, dass der Konsum von gesüßten Softdrinks mit einem hohen (Frucht-)Zuckeranteil – und einem entsprechend hohen Glykämischen Index – den Harnsäurespiegel anheben könne.

„Für einen klinischen Effekt bei Gichtpatienten ist die hier beschriebene Absenkung der Harnsäurewerte aber vermutlich nicht ausreichend“, erklärt das Beiratsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) auf Nachfrage von Medscape Deutschland. Einen neuen Therapieansatz für die Arthritis urica präsentiert die Studie deshalb zwar seiner Ansicht nach nicht. „Sie liefert jedoch ein weiteres Argument für eine insgesamt ausgewogene Ernährung, die dann auch den Risikofaktor erhöhte Harnsäure mitbehandelt.“

 
Die größten Veränderungen der Harnsäure-spiegel wurden bei Verringerung des GI und gleichzeitiger Erhöhung des Kohlenhydrat-Anteils beobachtet. Dr. Stephen P. Juraschek
 

Vier verschiedene Diäten über je fünf Wochen

163 Personen (52% Frauen, 50% Afro-Amerikaner) im Alter über 30 wurden zwischen April 2008 und Dezember 2010 in die randomisiert kontrollierte OmniCarb (Optimal Macronutrient Intake for Carbohydrate)-Studie aufgenommen. Alle Studienteilnehmer waren übergewichtig oder adipös (BMI ≥ 25 kg/m2), was mit dem Hauptaugenmerk der OmniCarb-Studie zusammenhing – sie prüfte die Wirkung des GI auf Insulinsensitivität und kardiovaskuläre Risiken. Ausschlusskriterien waren ein bereits diagnostizierter Diabetes, chronische Nieren- oder kardiovaskuläre Erkrankungen sowie die Einnahme von Lipidsenkern und Medikamenten gegen Bluthochdruck oder Diabetes.

4 verschiedene Ernährungsregime, die jeweils auf der zur Blutdrucksenkung designten DASH-Diät (Dietary Approaches to Stop Hypertension) basierten, wurden eingesetzt und hinsichtlich ihrer Wirkung auf den Harnsäurespiegel der Studienteilnehmer verglichen.

Eingenommen wurden die Diäten von den Testpersonen in zufälliger Reihenfolge über jeweils 5 Wochen (mit 2-wöchigen Wash out-Perioden). Die 4 Diätregime unterschieden sich dabei hinsichtlich des jeweiligen Kohlenhydrat-Anteils sowie des GI: 2 Diäten enthielten 58% Kohlenhydrate, die anderen beiden 40%. Außerdem wies jeweils eine High- bzw. Low-Carb-Diät einen GI von ≥ 65 bzw. ≥ 45 auf. Die Harnsäurewerte der Teilnehmer wurden zu Beginn der Studie sowie jeweils am Ende der einzelnen 4 Diätperioden gemessen.

Niedriger Glykämischer Index – niedriger Harnsäurespiegel

Es erwies sich vor allem der GI als wichtiger Einflussfaktor. So sanken die Harnsäurespiegel, wenn eine Diät mit hohem durch eine mit niedrigem GI ersetzt wurde – um 0,24 mg/dl bei einem 40%-igen Kohlenhydrat-Anteil in der Diät bzw. um 0,17 mg/dl bei einem 58%-igen Kohlenhydrat-Anteil.

Der Ersatz einer High-Carb-Diät durch eine Low-Carb-Diät änderte dagegen nichts an den Harnsäurewerten (bei niedrigem GI) bzw. steigerte sie geringgradig (bei hohem GI).

Den größten Effekt rief der direkte Wechsel von einer Diät mit hohem GI und niedrigem Kohlenhydrat-Anteil zu einer Diät mit niedrigem GI und hohem Kohlenhydrat-Anteil hervor – dadurch sank der Harnsäurespiegel bei den Probanden im Schnitt um 0,27 mg/dl.

Eine Erklärung der Ergebnisse steht noch aus – sind sie trotzdem relevant?

 
Für einen klinischen Effekt bei Gichtpatienten ist die hier beschriebene Absenkung der Harnsäurewerte aber vermutlich nicht ausreichend. Prof. Dr. Martin Aringer
 

Jaruschek und Kollegen können die Ergebnisse ihrer Auswertung noch nicht detailliert erklären. Ausgangs hatten sie sogar vermutet, dass ein verminderter GI die Harnsäurekonzentration erhöhen könnte. Denn in früheren Studien sei bereits beobachtet worden, dass ein niedriger GI mit einer gesteigerten Insulinresistenz einherging. Und die damit verbundenen höheren Insulinspiegel führten in der Regel zu einer reduzierten renalen Harnsäureausscheidung – also dem genauen Gegenteil ihrer Beobachtungen.

Eine gewisse Relevanz lasse sich trotzdem bereits aus den Resultaten ableiten, meinen sie. Immerhin wirke sich ein reduzierter GI plus ein erhöhter Anteil von Kohlenhydraten in der Diät in etwa so effektiv auf die Harnsäurespiegel aus wie eine salzarme Ernährung (-1 mg/dl) oder eine Vitamin C-Supplementierung (-0,35 mg/dl). Da Medikamente wie das Urikostatikum Allopurinol nur bei Menschen mit manifester Gicht Anwendung finden sollten, könnten zumindest Menschen mit asymptomatischer Hyperurikämie von der in dieser Veröffentlichung beschriebenen Ernährungsumstellung profitieren, so ihr Fazit.

Dies müsse sich jedoch erst noch bei einer größeren Patientengruppe mit erhöhten Harnsäurewerten erweisen. Der Harnsäurespiegel der hier untersuchten Menschen lag mit durchschnittlich etwa 4,7 mg/dl im Normbereich.

 

REFERENZEN:

1. Juraschek SP, et al: Arthritis Rheumatol. (online) 4. Dezember 2015

 

Kommentar

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