Früherkennung des Ovarialkarzinoms: Erste Hinweise, dass ein Screening langfristig die Mortalität senkt

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

7. Januar 2016

Ovarialkarzinome werden aufgrund fehlender Frühsymptome häufig erst spät diagnostiziert. Die 5-Jahresüberlebensrate liegt trotz optimaler Therapie nur bei 40%. Den Effekt eines Ovarialkarzinom-Screenings auf die Mortalität hat jetzt die prospektive randomisierte Studie „UK Collaborative Trial of Ovarian Cancer Screening“ (UKCTOCS) untersucht [1]. Das Ergebnis der im Lancet publizierten Studie: Ein multimodales Screening senkte über einen Zeitraum von bis zu 14 Jahren sichtbar – aber nicht signifikant – die Mortalitätsrate. Wurden allein die Jahre 7 bis 14 Jahre betrachtet, ergab die Cox-Analyse für diesen Zeitraum jedoch eine signifikante Reduktion der Sterblichkeit.

Prof. Dr. Tanja Fehm

„Die Studienergebnisse sind interessant, sie reichen aber noch nicht aus, um ein generelles Screening zu empfehlen“, erklärt Prof. Dr. Tanja Fehm. Fehm hält ein längeres Follow-up für nötig, um den Nutzen aber auch einen möglichen Schaden des Screenings abschließend bewerten zu können.

„Entscheiden sich gesunde Frauen dennoch, diese Maßnahmen durchführen zu lassen, ist eine eingehende Aufklärung über die Limitationen der Untersuchung notwendig. Dazu gehören das Übersehen von Befunden und die Risiken durch falsch positive Ergebnisse, die mit psychischer Belastung oder OP-Komplikationen bei Abklärungsoperationen einhergehen können“, betont die Direktorin der Universitätsfrauenklinik Düsseldorf gegenüber Medscape Deutschland.

Nutzen des Screenings nimmt mit den Jahren zu

Die Studie UKCTOCS wurde von Prof. Dr. Ian Jacobs und von Prof. Dr. Usha Menon, Institute for Women’s Health, University College London, und ihren Kollegen durchgeführt. Zwischen Juni 2001 und Oktober 2005 schlossen sie 202.546 Frauen im Alter zwischen 50 und 74 Jahren ein.

Die Teilnehmerinnen wurden in 3 Gruppen randomisiert:

  • - Die MMS-Gruppe (n = 50.640) unterzog sich einem jährlichen multimodalen Ovarialkarzinom-Screening, das auf der Dynamik des CA125-Wertes und einem darauf abgestimmten Screening-Algorithmus (ROCA-Algorithmus) basierte. War der CA125-Wert auffällig, folgte ein transvaginaler Ultraschall.

  • - Bei der USS-Gruppe (n = 50.639) wurde nur ein jährlicher transvaginaler Ultraschall durchgeführt.

  • - Die dritte Gruppe (n = 101.359) wurde nicht gescreent.

Primärer Endpunkt war der Tod durch ein Ovarialkarzinom. Nach einem medianen Follow-up von 11,1 Jahren wurden insgesamt 1.282 Ovarialkarzinome diagnostiziert (0,6%). Die Karzinomverteilung in den Subgruppen:

  • - 338 (0,7%) in der MMS-Gruppe,

  • - 314 (0,6%) in der USS-Gruppe und

  • - 630 (0,6%) in der Gruppe der Frauen ohne Screening.

 
Die Studienergebnisse sind interessant, sie reichen aber noch nicht aus, um ein generelles Screening zu empfehlen. Prof. Dr. Tanja Fehm
 

In der MMS-Gruppe starben 148 (0,29%) der Patientinnen an Krebs, in der USS-Gruppe 154 (0,30%) und in der Gruppe der nicht gescreenten Frauen waren es 347 (0,34%) Patientinnen. In der multivarianten Cox-Regression ergab sich für den Zeitraum 0 bis 14 Jahre eine nicht signifikante Mortalitätsreduktion um relativ 15% in der MMS-Gruppe sowie um 11% in der USS-Gruppe.

Laut Jacobs und seinen Kollegen nahm die Mortalitätsreduktion in den beiden Screening-Gruppen über die Beobachtungsdauer aber signifikant zu. Lag sie in den ersten 7 Jahren in der MMS-Gruppe bei 8% und bei 2% in der USS-Gruppe, steigerte sich dies bis zum 14. Beobachtungsjahr auf 23% respektive 21%.

Studienautorin Menon schreibt dazu: „Unsere Mortalitätsdaten aus UKCTOCS liefern erste Hinweise aus einer randomisiert kontrollierten Studie dafür, dass ein Screening Todesfälle aufgrund von Eierstockkrebs reduzieren kann.“ Die Ergebnisse, so Menon, seien in Anbetracht der limitierten Behandlungsfortschritte in den letzten 30 Jahren wichtig.

„Unsere Ergebnisse legen eine Verringerung der Sterblichkeit im Bereich zwischen 15 und 28 Prozent nahe. Von weiteren Follow-ups versprechen wir uns aber präzisere Aussagen. Möglicherweise ist die Mortalitätsreduktion nach einem Follow-up von zusätzlich zwei bis drei Jahren größer oder eben geringer als unsere initialen Schätzungen“, so Jacobs.

S3-Leitlinie empfiehlt ein generelles Screening nicht

Aufgrund der geringen Inzidenz der Erkrankung ist ein Ovarialkarzinom-Screening zur Früherkennung im Vergleich z.B. zum Mammakarzinom schwer zu etablieren. Hinzu kommt eine recht eingeschränkte Studienlage. Wie Fehm berichtet, wurden – inklusive der Arbeit von Jacobs – in den vergangen Jahren 3 randomisierte Studien zum Ovarialkarzinom-Screening durchgeführt.

In der Arbeit von Kobayashi wurden in der Screening-Gruppe zwar häufiger frühe Stadien des Ovarialkarzinoms diagnostiziert (63% vs 38%), doch war auch dieser Unterschied nicht signifikant. Überlebensdaten liegen noch nicht vor.

2011 wurden die Daten der PLCO Screening-Studie publiziert. Jährlich wurden dabei Sonographien und CA125-Bestimmungen durchgeführt. Es zeigte sich kein Benefit für das Gesamtüberleben. Basierend auf diesen Daten wird in der derzeit gültigen S3-Leitlinie Ovarialkarzinom ein generelles Screening nicht empfohlen.

Auch die Arbeit von Jacobs zeigte ja bezogen auf den Zeitraum 0 bis 14 Jahre keine signifikante Mortalitätsreduktion durch das Screening. Eine signifikante Verringerung stellte sich erst im Beobachtungsverlauf nach 7 Jahren heraus.

Fehm erinnert daran, trotz der ermutigenden Ergebnisse die möglichen Nachteile nicht zu vernachlässigen. So wurden trotz jährlichen Screenings 97 von 244 Ovarialkarzinomen (40%) in der MMS-Gruppe bzw. 127 von 220 Karzinomen (58%) in der USS-Gruppe nicht entdeckt. Im Vergleich: Beim Mammakarzinom-Screening liegt die Rate der übersehenen Karzinome bei ca. 22%. Falsch positive Screening-Ergebnisse traten bei 488 Frauen in der MMS-Gruppe auf (1%), in der USS-Gruppe wurden 1.634 Frauen (3,2%) falsch positiv diagnostiziert.

 
Unsere Ergebnisse legen eine Verringerung der Sterblichkeit im Bereich zwischen 15 und 28 Prozent nahe. Prof. Dr. Ian Jacobs und Kollegen
 

Wenn Screening, dann multimodal

Sollte ein Screening in Betracht gezogen werden, dann als multimodaler Ansatz, betont Fehm: „Der transvaginale Ultraschall reicht nicht aus, da die Zahl der falsch positiven Befunde deutlich höher liegt, als wenn der ROCA-Algorithmus bzw. das multimodale Screening angewandt wird. Beim ROCA Algorithmus wird zuerst CA125 bestimmt. Erst wenn dieser Wert erhöht ist, erfolgt ein Ultraschall und eine weitere Abklärung“, erklärt sie. Die Komplikationsrate bei den Abklärungs-OP betrug in der Publikation 3,1% (MMS) bzw. 3,5% (USS). Angaben dazu, wie schwerwiegend diese Komplikationen waren, liefere UKCTOCS allerdings nicht.

Menon und Jacobs bilanzieren: „Die Evidenz aus UKCTOCS legt nahe, dass ein Screening mit multimodaler Strategie die Mortalität reduzieren kann. Das eröffnet eine neue Ära in der Erforschung und Behandlung von Eierstockkrebs. Ob ein bevölkerungsbasiertes Screening angezeigt ist oder nicht, wird aber von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängen – einschließlich weiterer Follow-ups, um das wirkliche Ausmaß der Mortalitätsreduktion und gesundheitsökonomischer Kosten bestimmen zu können.“

 
Ein Screening wird nicht gerechtfertigt sein, bis sich die Studienergebnisse nicht in der täglichen Praxis bewährt haben. Prof. Dr. René Verheijen und Dr. Ronald Zweemer
 

In einem Kommentar schreiben Prof. Dr. René Verheijen und Dr. Ronald Zweemer,Abteilung für gynäkologische Onkologie, UMC Utrecht Cancer Center, Niederlande, von ermutigenden Ergebnissen [2]. Sie geben aber auch zu bedenken, dass die Karzinom-Erkennung durch das Screening – mit Raten von 59% im multimodalen Setting und mit 51% in der USS-Gruppe – limitiert ist.

„Der Versuch herauszufinden, weshalb das so ist und dadurch die Outcomes zu verbessern, hat hohe Priorität. Ein Screening wird nicht gerechtfertigt sein, bis sich die Studienergebnisse nicht in der täglichen Praxis bewährt haben. Doch sorgfältig gemachte Studien wie die von Jacobs und Kollegen zeigen, dass wir uns auf Mechanismen früher Krebsentdeckung fokussieren sollten“, so Verheijen und Zweemer.

 

REFERENZEN:

1. Jacobs IJ, et al: Lancet (online) 17. Dezember 2015

2. Verheijen R, et al: Lancet (online) 17. Dezember 2015

 

Kommentar

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