Fortschritte bei Diagnose und Therapie von Zöliakie, Reizdarmsyndrom, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und eosinophiler Ösophagitis

William F. Balistreri, MD

Interessenkonflikte

8. Januar 2016

In diesem Artikel


Anmerkung des Autors:

Mehrere wichtige Fortschritte für die klinische Praxis in der Gastroenterologie wurden im Rahmen der „Woche der Verdauungskrankheiten“ (Digestive Disease Week) angesprochen. Diese Übersichtsarbeit fasst kurz die relevanten Konzepte zusammen, über die berichtet wurde, und hebt insbesondere hervor, mit welcher Geschwindigkeit Diagnose und Therapie allgemein angetroffener Erkrankungen wie der Zöliakie, des Reizdarmsyndroms, der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und der eosinophilen Ösophagitis voranschreiten.

Zöliakie

Diagnosestellung anhand von alleiniger Serologie:

Zu den Standardmethoden zur Diagnose der Zöliakie gehören die Serologie und die Biopsie der Duodenalschleimhaut. Obwohl die aktuellen Leitlinien bei erwachsenen Patienten eine histologische Bestätigung der Zöliakie fordern, hat die Europäische Gesellschaft für Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (ESPGHAN) in ihren pädiatrischen Leitlinien einen Algorithmus zur Reduktion der Notwendigkeit einer Biopsie bei genetisch anfälligen, symptomatischen Kindern vorgeschlagen [1].

In einer prospektiven Kohortenstudie mit symptomatischen erwachsenen Patienten untersuchten Efthymakis et al. die Anwendbarkeit dieser teilweise kontrovers diskutierten Kriterien, indem sie die Genauigkeit einer alleinigen serologischen Untersuchung zur Identifizierung von Schleimhautanomalitäten überprüften, die mit einer Zöliakie in Einklang zu bringen sind [2]. Sie berichteten, dass die Anti-tTG-Titer („Anti-tissue transglutaminase“) mit dem Grad der Zottenatrophie korrelierten. Von 199 Patienten mit erhöhten Anti-tTG-Titern, Positivität für epitheliale Membranantigene und genetischer Anfälligkeit zeigten 10% der Erwachsenen keine Zottenatrophie, 37% eine partielle Zottenatrophie und 54% eine komplette Zottenatrophie.

Nach Anwendung des ESPGHAN-Kriteriums eines mehr als 10fach erhöhten Anti-tTG-Spiegels in Bezug auf die Normobergrenze fanden die Forscher eine Sensitivität von 56% bei einer Spezifität von 84% und einen positiven prädiktiven Wert von 97%. Sie schlussfolgerten, dass weitere Studien zur Bestimmung der Validität dieser Kriterien und optimaler serologischer Cut-off-Werte unternommen werden müssen.

Auf den Bulbus duodenalis begrenzte Zöliakie

Nach dem Vorschlag von Mooney et al. kann eine zusätzliche Biopsie aus dem Bulbus duodeni einen Vorteil in der Diagnosesicherung der Zöliakie mit sich bringen [3]. Allerdings ist nicht klar, ob Patienten mit nur im Bulbus duodeni nachgewiesener Zottenatrophie denselben Phänotyp und dieselben Ergebnisse aufweisen wie Patienten mit diffuser Erkrankung. Zuletzt berichteten sie, dass Patienten mit nur im Bulbus duodeni nachweisbarer Zöliakie eine Subgruppe darzustellen scheinen, die durch ein frühes Auftreten der Erkrankung und geringere Anti-tTG-Titer charakterisiert ist. Dabei könnte es sich um eine mildere Form der Zöliakie mit geringeren Raten an Diarrhoe und Folsäuremangel handeln. Es bedarf einer Langzeitnachsorge, um diesen Phänotyp vollständig charakterisieren und den Langzeiteinfluss bestimmen zu können.

Frühzeitige Diagnose

Yang et al. führten eine Studie zur Evaluation der Kosteneffektivität einer routinemäßig durchgeführten duodenalen Biopsie durch, die im Rahmen einer Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) zur Diagnostik einer Zöliakie bei Patienten erfolgte, die aufgrund anderer, nicht Zöliakie-assoziierter, gastrointestinaler Beschwerden wie einer refraktären gastro-ösophagealen Refluxerkrankung untersucht wurden [4,5]. Sie kamen zu der Schlussfolgerung, dass eine routinemäßige Biopsie im Duodenum während einer ÖGD zur Bestimmung der Ätiologie und des Schweregrades einer gastro-ösophagealen Refluxerkrankung die Mehrheit der Zöliakiefälle detektieren kann. Allerdings betonten die Autoren, dass diese Strategie sich erst dann der Schwelle zur Kosteneffektivität annähern würde, wenn die Prävalenz der Zöliakie in dieser Population im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung etwas mehr als 1,8% betragen würde [5].

Glutenfreie Produkte

Die Standardtherapie der Zöliakie besteht in der lebenslangen, glutenfreien Ernährung. Dies stellt allerdings eine Herausforderung dar, da eine ungewollte Glutenexposition häufig vorkommt. Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) kennzeichnet Lebensmittel als glutenfrei, wenn sie weniger als 20 Anteile pro Million (parts per million, ppm) an Gluten; kein Weizen, kein Roggen, keine Gerste; oder eine von diesen Körnern gewonnene Zutat enthalten.

Zum jetzigen Zeitpunkt erfolgt keine Regulation von Nahrungsergänzungsmitteln oder pflanzlichen Produkten durch die FDA, obwohl sie bis zu 25% der Patienten mit Zöliakie einnehmen – meist probiotische Produkte. Solche Patienten berichten auch über ein vermehrtes Auftreten Zöliakie-assoziierter Symptome im Vergleich zu denjenigen, die keine Ergänzungsmittel einnehmen.

Nazareth et al. wollten herausfinden, ob Gluten in 22 beliebten probiotischen Präparaten – einschließlich als glutenfrei bezeichneter Produkte – nachweisbar ist [6]. Sie fanden heraus, dass 55% der Präparate Gluten enthielten. Von den Produkten, die Gluten enthielten, waren 67% als glutenfrei gekennzeichnet. Von den 15 als glutenfrei markierten Produkten enthielten 53% Gluten – 13% davon mehr als 20 Anteile pro Million. 57% der nicht als glutenfrei gekennzeichneten Produkte wurden positiv auf Gluten getestet, 29% davon wiesen mehr als 20 Anteile pro Million auf. Mehr als 1 Glutenkomponente (z.B. Weizen, Roggen, Gerste) wurden in 18% der probiotischen Produkte nachgewiesen.

Daher kann von einer signifikanten Menge an Gluten in probiotischen Produkten ausgegangen werden, insbesondere unter Berücksichtigung  der kumulativen Anzahl konsumierter Kapseln. Da eine Etikettierung als glutenfrei den tatsächlichen Gluteninhalt in probiotischen Produkten nicht präzise wiedergibt, sollten Zöliakie-Patienten auf eine potenzielle Kontamination probiotischer Produkte mit Gluten unabhängig von der Kennzeichnung hingewiesen werden.

Nicht-zöliakische Gluten-Überempfindlichkeit

Die nicht-zöliakische Gluten-Überempfindlichkeit (NZGS) – ein durch ein schnelles Auftreten gastrointestinaler Symptome nach Gluten-Aufnahme charakterisiertes Syndrom – wird bei Patienten mit funktionellen gastrointestinalen Erkrankungen vermutet. Eindeutige diagnostische Kriterien fehlen allerdings.
Elli et al. präsentierten die Ergebnisse einer prospektiven, Placebo-kontrollierten, doppel-blinden, multizentrischen Studie an Patienten, die Gluten oder Placebo erhielten und über Symptome berichteten, die mit funktionellen gastrointestinalen Krankheiten in Einklang stehen [7]. Von den eingeschlossenen Patienten (von denen 90 Frauen waren) wiesen 55 ein Reizdarmsyndrom, 36 eine funktionelle Dyspepsie und 9 unspezifische funktionelle Symptome gemäß der Rom III-Kriterien auf. Das Vorliegen einer Zöliakie wurde im Vorfeld bei allen Patienten ausgeschlossen.

Patienten, die nach 21 Tagen einer glutenfreien Ernährung über eine Verbesserung ihrer Symptome berichteten, unterzogen sich einer Placebo-kontrollierten Glutendiät, im Rahmen derer Gluten in Form von Kapseln gegeben wurde. Zu einem schweren Rezidiv der Symptome nach verblindeter Glutenaufnahme kam es bei 25% der Patienten. Daher wurden diese Patienten als positiv für eine NZGS klassifiziert.
Bemerkenswerterweise zeigten 56% der Patienten, die im Rahmen der glutenfreien Ernährung Symptome aufwiesen, während der doppelblinden Gluten-Diät keine Symptome. Diese Gruppe muss weiter untersucht werden.

Die Autoren vermuteten, dass eine einfache Ernährungsuntersuchung bei der Identifikation von NZGS bei Patienten mit funktionellen gastrointestinalen Krankheiten hilfreich sein kann und gleichzeitig diejenigen herausfinden kann, die von einer glutenfreien Ernährung profitieren.

Kommentar

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