Praxistauglich: Die direkt antiviralen HCV-Therapien überzeugen auch im „echten Leben“

Inge Brinkmann

Interessenkonflikte

29. Dezember 2015

Erst vor gut einem Jahr hat die Deutsche Leberstiftung das prospektive Deutsche Hepatitis-C-Register gestartet, nun werden die Ergebnisse der ersten Auswertung vorgelegt. Die Daten von knapp 7.500 Patienten zeigen, dass die neuen interferonfreien Therapeutika – mit wenigen Einschränkungen – auch im „Real-World-Setting“ überzeugen.

Wie effektiv sind neue Hepatitis-C-Therapien im „wirklichen Leben“?

Seit Anfang 2014 wurden mehrere direkt antiviral wirksame Medikamente zugelassen. Mit den neuen Wirkstoffen sind hocheffektive, nebenwirkungsarme interferonfreie Kombinationstherapien mit einer vergleichsweise kurzen Therapiedauer für praktisch alle Patienten mit einer chronischen Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion möglich.

Zu den neuen Medikamenten lagen bislang allerdings nur Daten aus den klinischen Phase-3-Studien für die Zulassung vor. Diese ergaben z.T. Heilungschancen von deutlich über 90%. Die Effektivität und Sicherheit der neuen Therapien außerhalb kontrollierter klinischer Studien („Real World“) waren jedoch weitgehend unbekannt.

Prof. Dr. Heiner Wedemeyer

„In Phase-3-Studien werden bei der Auswahl der Patientenpopulationen strikte Selektionskriterien angewandt“, erklärt Prof. Dr. Heiner Wedemeyer, leitender Oberarzt in der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie an der Medizinischen Hochschule Hannover und wissenschaftlicher Koordinator der Deutschen Leberstiftung, gegenüber Medscape Deutschland. Bestimmte Fragen blieben deshalb nach Abschluss der klinischen Studien noch offen, wie etwa zur biologischen Aktivität der Wirkstoffe bei älteren (multimorbiden) Patienten oder bei Patienten mit fortgeschrittenen Lebererkrankungen. „Außerdem war nicht auszuschließen, dass seltene Nebenwirkungen außerhalb des Studiensettings deutlicher zu Tage treten würden“, sagt er.

Daten von knapp 7.500 Patienten aus 233 Praxen und Kliniken

Das Deutsche Hepatitis-C-Register ist ein Projekt der Deutschen Leberstiftung in Kooperation mit dem Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands (bng). Geführt wird das Register durch eine extra zu dem Zweck gegründete Leberstiftungs-GmbH Deutschland. Erfasst werden u.a. das biochemische und virologische Ansprechen auf die jeweilige Therapie, Nebenwirkungen und Daten zur Lebensqualität. Seit dem Start wurden Daten von über 9.000 Patienten im Register abgelegt, die von 233 Praxen und Kliniken erhoben wurden.

Auf den Weg gebracht wurde das Register im Prinzip aber schon 2003 von hepatologisch engagierten Ärzten des bng in Kooperation mit der Roche Pharma AG in Form einer online gestützten Datenbank. In den Jahren von 2003 bis 2013 wurden darin bereits über 40.000 Patientendaten abgelegt. Durch die Übernahme der bereits vorhandenen Daten in das Deutsche Hepatitis-C-Register besteht nun u.a. die Möglichkeit, die neuen interferonfreien und die alten interferonbasierten Therapieformen miteinander zu vergleichen.

Die aktuelle Auswertung konzentrierte sich allerdings auf die seit Herbst 2014 für das neue Register gesammelten Daten, und damit auf Patienten, die bereits vornehmlich mit den neuen Therapeutika behandelt wurden. Berücksichtigt wurden hierfür die Werte von 7.422 Hepatitis-C-Patienten. Bei rund 1.700 der neu ins Register aufgenommenen Patienten lagen noch nicht genügend verwertbare Informationen vor.

Hohe Wirksamkeit bei älteren Infizierten und Patienten mit Leberzirrhose

Eventuelle Befürchtungen, dass sich die hohe Wirksamkeit der neuen Therapeutika außerhalb der Studiensettings nicht bestätigen würde, blieben nach Auswertung dieser ersten Daten weitgehend unbegründet. Tatsächlich betrug die durchschnittliche Heilungsrate selbst bei Patienten über 70 Jahren 88,6%; jüngere Patienten heilten in 90,3% der Fälle aus. „Zusätzliche Nebenwirkungen sind nicht aufgetreten“, hebt Wedemeyer hervor. Gute Nachrichten gerade für die älteren Patienten, die – aufgrund einer herabgesetzten Effektivität und Verträglichkeit von Interferon – bislang am wenigsten von den herkömmlichen Behandlungen früherer Zeiten profitierten.

 
Zusätzliche Nebenwirkungen sind nicht aufgetreten. Prof. Dr. Heiner Wedemeyer
 

Ähnlich positive Ergebnisse wurden bei Behandlungen von Infizierten mit fortgeschrittener Leberzirrhose erfasst. Hier konnte, abhängig vom HCV-Genotyp, eine Ausheilung in durchschnittlich 82% der Fälle erzielt werden. Die Auswertung der Registerdaten zeigte überdies, dass sich die Leberfunktion auch bei fortgeschrittener Diagnose bereits im Therapieverlauf und danach deutlich bessert.

Das sei ein wichtiges Resultat, betont Wedemeyer, medizinischer Geschäftsführer der Leberstiftungs-GmbH Deutschland. Denn damit ließe sich belegen, dass sich die Behandlung mit den zumeist sehr kostspieligen neuen Therapeutika auch noch bei Patienten mit weit fortgeschrittenen Erkrankungen „lohnt“. Ein Aspekt, der in der Vergangenheit häufiger Gegenstand von Diskussionen gewesen sei.

„Damit können wir bei Patienten mit einer fortgeschrittenen Leberzirrhose durch die Behandlung der zugrundeliegenden Hepatitis C die Lebensqualität und den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Es werden deutlich seltener Lebertransplantationen notwendig werden“, so auch Prof. Dr. Thomas Berg, Leiter Sektion Hepatologie in der Klinik für Gastroenterologie und Rheumatologie des Universitätsklinikums Leipzig, laut der Veröffentlichung der Deutschen Leberstiftung.

Gute Ergebnisse der Zulassungsstudien – weitgehend auch bei verschiedenen Genotypen gültig

Neben besonderen Patientengruppen wurden bei der aktuellen Auswertung auch weitere Variablen, wie der HCV-Genotyp und die Therapiedauer, berücksichtigt.

 
Es werden deutlich seltener Lebertransplantatio- nen notwendig werden. Prof. Dr. Thomas Berg
 

Besonderes Augenmerk wurde etwa auf die (von 12 bzw. 24) auf 8 Wochen verkürzte Therapie mit Ledipasvir/Sofosbuvir gelegt. Die erste Analyse belegt hier eine hohe Erfolgsrate. So heilte die Hepatitis C bei 232 von 262 Patienten aus, die mit verkürzter Dauer behandelt wurden; 13 Patienten hatten jedoch einen Rückfall nach dem Ende der Therapie.

Die gesonderte Betrachtung verschiedener HCV-Genotypen bestätigte ebenfalls weitgehend die hohe Wirksamkeit und gute Verträglichkeit der neuen Medikamente. Zwischen 79% und 92% der Patienten mit dem HCV-Genotyp 1a oder 1b konnten beispielsweise – abhängig von den Patientencharakteristika bei verschiedenen Therapiekombinationen – geheilt werden.

Auch Patienten mit dem HCV-Genotyp 3 wiesen mit interferonfreien Therapien Ausheilungsraten zwischen 70,9% und 88,2% auf – Werte, die den Heilungsraten in den Phase-3-Studien entsprechen. Im Register zeigte sich außerdem eine Effektivität der Therapie von Sofosbuvir mit pegyliertem Interferon und Ribavirin: 91,7% (132 von 144 Patienten) konnten mit dieser Kombination geheilt werden.

Die Ergebnisse der Zulassungsstudien wurden allerdings nicht bei allen Betroffenen in vollem Umfang erreicht. Patienten, die mit dem Genotyp 2 infiziert sind, zeigten in der breiten Anwendung eine schlechtere Heilungsrate als in den klinischen Untersuchen. In den Phase-3-Studien wurden Heilungsraten von z.T. über 95% erzielt. Jedoch ließ sich bei der am häufigsten verwendeten Therapiekombination Sofosbuvir und Ribavirin laut Registerdaten nur für 89 von 119 Patienten (75%) eine Ausheilung nachweisen. Insbesondere bei Genotyp-2-Patienten mit Leberzirrhose (63%) und bei vorbehandelten Patienten (68%) war die Heilungsrate schlechter als im Durchschnitt.

Über mögliche Ursachen dieser Abweichungen könne derzeit nur spekuliert werden, sagt Wedemeyer. Denkbar wäre etwa, dass eine besondere Virusvariante des Genotyps 2 bei deutschen Patienten häufiger ist, für die die derzeitige Standardtherapie suboptimal ist. Dies sei aber noch Gegenstand aktueller Untersuchungen.

 

REFERENZEN:

1. Presseinformation der Deutschen Leberstiftung: 8. Dezember 2015

Kommentar

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