Hamburg – 4 Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung der Präimplantatationsdiagnostik (PräimpG) in Deutschland haben die ersten beiden zugelassenen Zentren erstmals Zahlen zur Häufigkeit der Anfragen, den Urteilen der Ethikkommission und den durchgeführten Eingriffen publik gemacht. Demnach wurden in den Präimplantationsdiagnostik (PID)-Zentren Lübeck und Hamburg vom 1. Februar 2014 bis zum 30. Juni 2015 zusammen 142 Anfragen gestellt.

Prof. Dr. Georg Griesinger
Nach dem Durchlaufen aller Formalien hätten insgesamt 34 Paare eine zustimmende Bewertung durch die zuständige Ethikkommission erhalten, berichtete einer der Tagungspräsidenten, Prof. Dr. Georg Griesinger, auf dem 6. Kongress des Dachverbandes Reproduktionsbiologie und -medizin (DVR) in Hamburg [1]. Bei 13 Frauen seien in 18 Eingriffen zusammen 23 Embryonen nach einer vorherigen Untersuchung eingepflanzt worden. 11 der 13 Frauen wurden schwanger; inzwischen sind 6 gesunde Kinder geboren.
„Bei der Mehrzahl dieser Paare konnte also durch die PID-Behandlung inzwischen eine intakte Schwangerschaft erzielt werden“, so Griesinger. Unter den per PID ausgeschlossenen Erkrankungen befanden sich mehrere Chromosomenstörungen, die Duchenn´sche Muskeldystrophie, die Mukopolysaccharidose und die Zystische Fibrose.
„Nach 20 Jahren Diskussion und mehr als einjähriger gesetzlicher Grundlage ist festzustellen, dass es keinen Dammbruch gegeben hat”, sagte Griesinger mit Blick auf die zahlreichen Kritiker, die ebendiese Befürchtung als Argument gegen die PID ins Feld geführt hatten. Die PID werde sicher nicht zum Massenphänomen. „Auch wenn mehrere weitere Zentren zugelassen würden, erwarten wir nicht mehr als 150 bis 200 Fälle pro Jahr.“
PID ist – noch – Selbstzahlerleistung
Bisher ist die PID indes eine Selbstzahlerleistung. Paare müssen sich verpflichten, die Kosten zu übernehmen, auch wenn am Ende keine „erfolgreiche“ Schwangerschaft steht. Griesinger empfindet diese Regelung als ungerecht, und forderte: „Die PID muss in vollem Umfang finanziert werden – wie die anderen Schwangerschaftsuntersuchungen auch.” Ein einziger „Durchlauf” kostet 12.000 bis 13.000 Euro; und das Paar muss sich darauf einstellen, dass es mehrere solcher Durchläufe gibt.
Bis zum Inkrafttreten des PräimpG war das Verfahren gemäß dem deutschen Embryonenschutzgesetz rechtswidrig. Das neue Gesetz hatte dann eine Ausnahmeregel ermöglicht für Paare mit Kinderwunsch, bei denen ein erhöhtes Risiko für die Geburt eines Kindes mit einer genetisch bedingten Erkrankung besteht, bzw. für Paare, bei denen aufgrund genetischer Veränderungen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit mit einer Fehl- oder Totgeburt gerechnet werden muss.
Prof. Dr. Andreas Gal, Vorsitzender der Ethikkommission Nord, präzisierte diese Bedingungen: Als „hohes genetisches Risiko“ wird demnach eine Wahrscheinlichkeit von 25 bis 50% bezeichnet. „Eine Erbkrankheit ist schwerwiegend, wenn die Lebenserwartung gering ist oder die Schwere des Krankheitsbildes des Kindes und die Behandelbarkeit sich von anderen Erbkrankheiten wesentlich unterscheiden.“
Die Aufgaben der Ethikkommissionen
Die Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik Nord wurde durch die 6 Bundesländer Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein eingerichtet, und ist eine unselbstständige Einrichtung bei der Ärztekammer Hamburg. Neben 4 sachverständigen Medizinern (Humangenetik, Reproduktionsmedizin, Kinderheilkunde, Psychotherapie) sitzen in dem 8-köpfigen Gremium ein Ethiker, ein Jurist, ein Patientenvertreter und ein Vertreter einer Selbsthilfegruppe.
Neben der Zahl der bisherigen Schwangerschaften einschließlich Fehl- oder Totgeburten erfragt die Ethikkommission von der Antragstellerin auch die Zahl der Kinder aus der bestehenden Partnerschaft, ob diese behindert sind oder nicht, sowie allgemeine medizinische Angaben zum Gesundheitszustand. Die Gebühr beträgt, auch im Falle einer Ablehnung 1.500 bis 3.000 Euro.
Insgesamt 53 Anträge seien bis einschließlich September 2015 eingegangen, darunter auch 14 aus Nordrhein-Westfalen, 4 aus Hessen, 3 aus Baden-Württemberg, 7 aus weiteren Bundesländern und einer aus Österreich.
Mittlerweile gibt es auch eine Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik, die mit den aktuell 4 PID-Zentren des Bundeslandes kooperiert. Das Gremium hat seine Arbeit am 9. März 2015 aufgenommen und in der Zwischenzeit vom Medizinisch Genetischen Zentrum (MGZ) 23 Anträge zur Durchführung einer PID erhalten. Wie der Leiter der Implantationsdiagnostik am MGZ, Dr. Udo Koehler in Hamburg berichtete, hatte sein Zentrum 34 Anfragen bekommen, von denen aber 11 nicht die Voraussetzungen erfüllt hatten.
REFERENZEN:
Diesen Artikel so zitieren: Trotz der Ausnahmeregelung im Embryonenschutzgesetz: Zahl der Präimplantationsdiagnosen bleibt gering - Medscape - 11. Dez 2015.
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