Orlando – Der Multikinase-Inhibitor Midostaurin kann in Kombination mit Standardchemotherapie das Überleben von Patienten mit neu diagnostizierter akuter myeloischer Leukämie (AML) und FLT3-Mutation verlängern. Das Ergebnis der Phase-3-Studie RATIFY ist der erste Durchbruch in der Therapie der AML seit 30 Jahren. „Diese Studie ist der erste Schritt zur Anwendung der personalisierten Medizin bei AML-Patienten“, kommentierte Studienleiter Prof. Dr. Richard M. Stone, Dana Farber Cancer Center, Boston, bei der Vorstellung der Ergebnisse während des ASH-Kongresses in Orlando [1].
Seit mehr als 25 Jahren die gleiche Behandlungsstrategi e
Die akute myeloische Leukämie hat bei Erwachsenen einen Anteil von etwa 25% an allen Leukämien. Diese häufigste Form unter den akuten Leukämien hat die niedrigste Überlebensrate. Eine FLT3-Mutation tritt bei etwa 30% der Patienten auf. „Sie ist mit einer schlechteren Prognose assoziiert, was den hohen Bedarf an neuen Therapieoptionen unterstreicht“, so Stone.
Seit mehr als 25 Jahren sei die Behandlungsstrategie unverändert, sie basiere auf der Gabe eines Anthracyclins mit Cytarabin. Bisher sei es nicht gelungen, durch die zusätzliche Gabe weiterer Substanzen das Therapieergebnis zu verbessern.
Dies gelang nun in der RATIFY-Studie, die sich zum einen durch die Dauer von 10 Jahren von der Konzeption bis zu den Ergebnissen und zum anderen durch eine ungewöhnliche Zusammenarbeit von akademischer Forschung und Industrie auszeichnete. Die Studie wurde durch die Alliance for Clinical Trials in Oncology stellvertretend für 13 internationale Gruppen in Nordamerika unterstützt. Novartis war Sponsor in Europa und Australien.
Mit Midostaurin lebten Patienten rund 50 Monate länger
Midostaurin ist ein oral applizierbarer potenter FLT3-Inhibitor. Nach Aussage von Stone ist es ein „Dirty Drug“, denn es hemmt auch VEGFRR, PKC, KIT und PDGFR. In der RATIFY-Studie wurden 717 Patienten im Alter von 18 bis 60 Jahren mit neu diagnostizierter AML und FLT3-Mutation aufgenommen. Randomisiert erhielten sie eine Standard-Chemotherapie aus Daunorubicin und Cytarabin mit Midostaurin (n = 360) oder mit Placebo (n = 357) sowohl für die Induktions- als auch die Konsolidierungsbehandlung und dann über 1 Jahr nur Midostaurin oder Placebo als Erhaltungstherapie. 57% erhielten eine Stammzelltransplantation. Die Patienten waren im Median 48 Jahre alt. Die Nachbeobachtungszeit betrug im Median 57 Monate.
„Die finale Analyse der Daten sollte nach 509 Todesfällen erfolgen. Weil jedoch im April 2015 erst 359 Patienten gestorben waren, wurde der Zeitpunkt für die Analyse des Gesamtüberlebens geändert und das ereignisfreie Überleben als wichtiger sekundärer Endpunkt definiert“, erläuterte Stone.
Nach 60 Tagen hatten 59% der Patienten in der Midostaurin- und 53% der Placebo-Patienten komplett angesprochen, der Unterschied war nicht signifikant. Jedoch erreichten mit 66% signifikant mehr Midostaurin-Patienten ein komplettes Ansprechen in der Induktions-Konsolidierungsphase im Vergleich zu 59% in der Placebogruppe (p = 0,045).
Der primäre Endpunkt der Studie wurde erreicht. Im Median überlebten die Patienten der Midostaurin-Gruppe 74,7 Monate, in der Placebogruppe 25,6 Monate (p = 0,0076). Nach 4 Jahren lebten noch 51,4% der Patienten, die mit Midostaurin behandelt worden waren, in der Placebogruppe waren es 44,2% (Hazard Ratio: 0,77; p = 0,0074). Dies entspricht einem um 23% verringerten Todesrisiko durch die Midostaurin-Behandlung. Ohne neues Ereignis lebten die Midostaurin-Patienten 8 Monate, die Placebopatienten 3,6 Monate (p < 0,05). Hautausschlag und Hautabschuppung waren schwere unerwünschte Wirkung vom Grad 3/4, die unter Midostaurin mit 13% signifikant häufiger als unter Placebo mit 8% waren (p = 0,02).
Midostaurin als neuer Therapiestandard
Das Fazit von Stone aus den Ergebnissen der RATIFY-Studie lautete: „Midostaurin stellt einen neuen Therapiestandard dar.“ Prof. Dr. Robert Hromas, Leiter der Medizinischen Klinik an der Universität von Florida, Gainesville, beurteilte die Ergebnisse ebenfalls positiv. „Die FLT3-Mutation der AML treibt die Erkrankung an. Daher ist der Bedarf an neuen Therapiemöglichkeiten bei diesen Patienten besonders hoch.“
Er wies in der ASH-Pressekonferenz auch darauf hin, dass Midostaurin sowohl bei Stammzell-transplantierten und nicht transplantierten Patienten günstige Effekte gezeigt habe. Dies lasse hoffen, dass man damit bei manchen älteren Patienten künftig eine Stammzelltransplantation vermeiden könne.
REFERENZEN:
1. 57. Jahreskongress der American Society of Hematology (ASH), 5. bis 8. Dezember 2015, Orlando/USA
Diesen Artikel so zitieren: Durchbruch nach 30 Jahren: Midostaurin verlängert Überleben bei FLT3-mutierter akuter myeloischer Leukämie - Medscape - 10. Dez 2015.
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