Strategien für die Antipsychotika-resistente Schizophrenie: Spiegel messen, umstellen, notfalls kombinieren

Manuela Arand

Interessenkonflikte

8. Dezember 2015

Berlin – Pharmakoresistenz stellt ein erhebliches Problem in der Behandlung schizophrener Psychosen dar. Je nach Definition sind bis zu zwei Drittel der Patienten betroffen. Was tun in dieser Situation – Dosis steigern? Umstellen? Kombinieren oder augmentieren?

Nach der – eigentlich veralteten – S3-Leitlinie Schizophrenie gilt ein Patient als resistent, wenn er mindestens 2 erfolgslose Therapieversuche von 6 bis 8 Wochen Dauer hinter sich hat, davon mindestens einer mit einem atypischen Neuroleptikum. In Zweifelsfällen sollte man sich mit Spiegelkontrollen davon überzeugen, dass der Patient die Medikation auch nimmt.

Das Problem dabei: Die Zielkriterien, an denen der Therapieerfolg festgemacht wird, sind so breit gefasst, dass ein beträchtlicher Teil der Patienten als resistent eingestuft werden müsste: Positiv- und Negativsymptome sollen beseitigt, kognitive Defizite, Affektlabilität und Suizidalität gebessert, das Funktionsniveau in Beruf und Sozialleben angehoben werden.

Nimmt man all dies als Messlatte, kommt man unter konventioneller antipsychotischer Therapie leicht auf Resistenzprävalenzen von 55 bis 65%, kommentierte Prof. Dr. Gerhard Gründer, stellvertretender Direktor der Psychiatrischen Klinik der RWTH Aachen, während des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde [1]. Vollends absurd werden die Zahlen, wenn auch noch die Normalisierung der Lebensqualität einbezogen wird.

Änderungen erwartet Gründer auch bei der geforderten Dauer der Therapieversuche: „Die Zeitspanne von sechs bis acht Wochen wird durch Studiendaten erheblich infrage gestellt.“ Die Lehrbücher gehen zwar weiterhin von einer Latenz von 2 bis 3 Wochen aus, bis die Wirkung von Neuroleptika einsetzt, und von 6 bis 8 Wochen, bis sie voll ausgeprägt ist.

 
Bei Patienten, die nach zwei Wochen eine Reduktion in PANSS- oder BPRS-Summenscore um weniger als 20 bis 25 Prozent haben, ist es unwahrscheinlich, dass sie später noch ansprechen werden. Prof. Dr. Stefan Leucht
 

Dass diese Einschätzung falsch ist, hat eine Metaanalyse aber schon vor mehr als 10 Jahren gezeigt. 47 Studien mit mehr als 7.000 Patienten wurden dafür ausgewertet. Die Analyse hat eindeutig ergeben, dass der größte Effekt in den ersten beiden Wochen der Behandlung eintritt, berichtete Prof. Dr. Stefan Leucht, stellvertretender Direktor der Psychiatrie am Klinikum rechts der Isar der TU München.

Im Einzelfall lässt sich anhand der frühen Entwicklung des PANSS (Positive and Negative Syndrome Scale)oder BPRS (Brief Psychiatric Rating Scale) sogar vorhersagen, wie der Patient auf die Therapie reagieren wird: „Bei Patienten, die nach zwei Wochen eine Reduktion in PANSS- oder BPRS-Summenscore um weniger als 20 bis 25 Prozent haben, ist es unwahrscheinlich, dass sie später noch ansprechen werden“, so Leucht. Andere Prädiktoren, etwa die Schwere der Erkrankung oder die Chronizität, haben sich als deutlich schwächer erwiesen.

Wenn die Pharmakotherapie nicht anschlägt: Medikamentenspiegel? Raucher?

Wie sollte man vorgehen, wenn die Pharmakotherapie nicht anschlägt? Zunächst einmal sollte geprüft werden, ob die Medikamentenspiegel im Zielbereich liegen, riet Gründer. Neben mangelhafter Compliance gibt es auch andere Faktoren, die das verhindern können.

So weisen einige Patienten einen ultraschnellen Metabolismus für bestimmte Neuroleptika auf, etwa für Risperidon, weil sie mehrere Kopien von CYP 2D6 besitzen. Auch Carbamazepin beschleunigt den Abbau durch Induktion von CYP 2D6.

 
Schon zehn Zigaretten pro Tag reichen aus, um CYP 1A2 maximal zu induzieren. Prof. Dr. Gerhard Gründer
 

Rauchen reguliert die Aktivität von CYP 1A2 herauf und beschleunigt den Abbau von Olanzapin und Clozapin erheblich. „Schon zehn Zigaretten pro Tag reichen aus, um CYP 1A2 maximal zu induzieren“, betonte Gründer. Eine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken, ist die Kombination mit Fluvoxamin, das CYP 1A2 hemmt – das aber nur unter Spiegelkontrolle! Als anwenderfreundlichen Überblick über Wechselwirkungen zwischen Antipsychotika und anderen Medikamenten empfahl Leucht die Datenbank PSIAC.

Besser Wirkstoffumstellung als Dosiserhöhung

Ist sichergestellt, dass der Spiegel im Zielbereich liegt, sollte keine weitere Dosiserhöhung erfolgen, sondern auf einen anderen Wirkstoff umgestellt werden. Denn Studien haben für die gängigen Antipsychotika keinen wesentlichen Wirkungszuwachs durch höhere Dosen gezeigt. Eine Ausnahme macht Clozapin, das nach Erfahrung von Leucht oft unterdosiert wird: „Oft braucht man mehr als 400 mg pro Tag.“

Die Umstellung kann überlappend erfolgen oder indem das eine Antipsychotikum aufdosiert wird, während man das andere ausschleicht. Auch eines abzusetzen und das andere direkt in voller Dosis zu verordnen, funktioniert. Als ungünstig hat sich dagegen das sukzessive Ausschleichen und Auftitrieren erwiesen.

Von Kombinationen riet Leucht ab, weil sie mehr Neben- und Wechselwirkungen verursachen können und sich im Erfolgsfall nicht sagen lässt, welches Antipsychotikum den Therapieerfolg gebracht hat. Kommt man um eine Kombination nicht herum, können Clozapin, Olanzapin oder Quetiapin mit vergleichsweise geringem Risiko mit Amisulprid, Aripiprazol, Ziprasidon oder Risperidon kombiniert werden.

 

REFERENZEN:

1. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, 25. bis 28. November 2015, Berlin

Kommentar

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