
Dr. Alessandra Tedeschi
Orlando – Der Bruton-Tyrosinkinase-Hemmer Ibrutinib ist bei nicht vorbehandelten älteren Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) oder kleinem lymphozytischem Lymphom besser wirksam als Chlorambucil. Wie Dr. Alessandra Tedeschi, Chefärztin am Hospedale Niguarda Ca’ Granda in Mailand, beim 57. Kongress der American Society of Hematology (ASH) in Orlando berichtet hat, verbesserte Ibrutinib in einer Phase-3-Studie das progressionsfreie Überleben, das Gesamtüberleben, die Ansprechrate und hämatologische Parameter bei Patienten mit CLL im Vergleich zu einer Therapie mit Chlorambucil signifikant [1].
„Ibrutinib führte zu einer signifikanten Verlängerung im progressionsfreien Überleben. Es senkte das Risiko für Tod oder Progression der Erkrankung im Vergleich zu Chlorambucil um 84 Prozent“, so Tedeschi. Die Ergebnisse der RESONATE-2-Studie wurden parallel im New England Journal of Medicine publiziert [2].
Die CLL ist die häufigste Leukämieform in westlichen Ländern. Das Alter bei der Erstdiagnose liegt im Median bei 72 Jahren, deshalb leiden die Patienten häufig an weiteren Erkrankungen. Chlorambucil ist bislang Standard in der Erstlinienbehandlung bei älteren Menschen.
Bei Therapie mit Fludarabin oder Bendamustin sprachen zwar mehr Patienten an und sie lebten länger ohne Fortschreiten der Krankheit, allerdings verlängerten diese Wirkstoffe das Gesamtüberleben im Vergleich zu Chlorambucil nicht und lösten häufiger toxische Wirkungen aus.
Vielversprechend waren bislang die Ergebnisse der CLL11-Studie der deutschen CLL-Studiengruppe, in der mit der Kombination aus Obinutuzumab und Chlorambucil bei nicht vorbehandelten Patienten mit Komorbiditäten ein progressionsfreies Überleben von 29,9 Monaten, mit Rituximab plus Chlorambucil von 16,3 Monaten und mit Chlorambucil allein von 11,1 Monaten erreicht werden konnte.
Erster Bruton-Tyrosinkinasehemmer in der Therapie
Ibrutinib ist ein oral applizierbarer Bruton-Tyrosinkinasehemmer. Die Bruton-Tyrosinkinase ist wichtig für Wachstum und Überleben der B-Zellen. In der EU ist Ibrutinib bislang zugelassen zur Behandlung erwachsener Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Mantelzell-Lymphom (MCL), von Patienten mit CLL, die mindestens eine vorangehende Therapie erhalten haben, oder zur Erstlinientherapie bei Patienten mit einer 17p-Deletion oder einer TP53-Mutation, die für eine Chemoimmuntherapie nicht geeignet sind.
Darüber hinaus kann es zur Behandlung erwachsener Patienten mit Morbus Waldenström (MW), die mindestens eine vorangehende Therapie erhalten haben, oder zur Erstlinien-Therapie bei Patienten eingesetzt werden, die für eine Chemo-Immuntherapie nicht geeignet sind.
Mit Ibrutinib überlebten Patienten signifikant länger
In der Phase-3-Studie RESONATE hatte sich Ibrutinib bei Patienten mit refraktärer oder rezidivierter CLL als wirksamer als Ofatumumab erwiesen (wie Medscape Deutschland berichtete). In der RESONATE-2-Studie untersuchte nun die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Jan Burger, Division of Cancer Medicine, MD Anderson Cancer Center, Houston, USA, Wirksamkeit und Verträglichkeit von Ibrutinib im Vergleich zu Chlorambucil in der Erstlinienbehandlung von CLL-Patienten ab einem Alter von 65 Jahren. 269 Patienten im medianen Alter von 73 Jahren erhielten randomisiert Ibrutinib (420 mg/Tag) bis zur Progression der Erkrankung oder bis zur inakzeptablen Toxizität oder bis zu 12 Zyklen Chlorambucil.
Das primäre Endpunkt, das progressionsfreie Überleben im Median, war mit Ibrutinib zum Zeitpunkt der Analyse noch nicht erreicht, mit Chlorambucil lag es bei 18,9 Monaten (Hazard-Ratio: 0,16; 95%-Konfidenzintervall: 0,09–0,28, p < 0,001). „Dies bedeutet ein um 84 Prozent geringeres Risiko für ein Fortschreiten der Erkrankung oder Tod“, so Tedeschi. Nach 18 Monaten lebten in der Ibrutinib-Gruppe noch 90% der Patienten ohne erneute Krankheitszeichen, in der Chlorambucil-Gruppe waren es 52%.
Ibrutinib verlängerte auch das Gesamtüberleben der Patienten signifikant. Nach 24 Monaten lebten in der Ibrutinib-Gruppe noch 98% und in der Chlorambucil-Gruppe noch 85% der Patienten. Ibrutinib senkte damit das Sterbe-Risiko relativ um 84% (HR: 0,16; 95%-KI: 0,05–0,56, p = 0,001). Zudem waren die Gesamt-Ansprechraten mit 86% in der Ibrutinib-Gruppe signifikant besser als mit 35% in der Chlorambucil-Gruppe. Eine anhaltende Erhöhung der Hämoglobin- und Thrombozyten-Werte war mit Ibrutinib häufiger. Das belegt, dass „Ibrutinib die Knochenmarkfunktion verbessert“, so Tedeschi. Das sei für die älteren Patienten besonders wichtig.
Günstiges Nutzen-Risiko-Profil
Ibrutinib erwies sich als besser verträglich als Chlorambucil. Während 9% der Patienten mit dem BTK-Hemmer die Behandlung vorzeitig wegen Unverträglichkeit beendeten, waren es in der Chlorambucil-Gruppe 23%. Bei der Beurteilung dieser Ergebnisse ist zu beachten, dass die Patienten der Ibrutinib-Gruppe fast 2,5mal länger als die der Chlorambucil-Gruppe behandelt wurden und dass zum Analysenzeitpunkt noch 87% der Patienten mit Ibrutinib behandelt wurden.
Häufigste unerwünschte Wirkungen unter Ibrutinib waren Durchfall (42%), Fatigue (30%), Husten (22%) und Übelkeit (22%). Unter Chlorambucil kam es am häufigsten zu Übelkeit (39%), Fatigue (38%), Neutropenie (23%) und Erbrechen (20%). In der Ibrutinib-Gruppe wurde bei den Patienten häufiger eine Hypertonie beobachtet. Sie konnte mit Antihypertensiva erfolgreich kontrolliert werden und erforderte keine Dosisreduktion und keinen Therapieabbruch.
„Diese Studie bestätigt die Wirksamkeit von Ibrutinib und belegt ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil in der Erstlinienbehandlung von älteren Patienten mit CLL/SLL im Vergleich zu traditioneller Chemotherapie“, so das Fazit von Tedeschi bei der ASH-Tagung.
REFERENZEN:
1. 57. Jahreskongress der American Society of Hematology (ASH), 5. bis 8. Dezember 2015, Orlando/USA
2. Burger JA, et al: NEJM (online) 6. Dezember 2015
Diesen Artikel so zitieren: Überzeugende Ergebnisse mit Ibrutinib in der Erstlinientherapie bei älteren Patienten mit CLL - Medscape - 7. Dez 2015.
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