Schwedischer Pionier der Gebärmutterverpflanzung vermeldet die Geburt weiterer dreier gesunder Jungen

Michael Simm

Interessenkonflikte

7. Dezember 2015

Hamburg –Die Zahl der Kinder, die in einer transplantierten Gebärmutter ausgetragen wurden und gesund zur Welt gekommen sind, hat sich auf 4 erhöht. Dies hat der Pionier der Uterustransplantation, Prof. Dr. Mats Brännström auf der Jahrestagung des Dachverbandes Reproduktionsbiologie und -medizin (DVR) in Hamburg bekannt gegeben. Brännström, der das Department of Obstetrics & Gynecology der Sahlgrenska Academy an der schwedischen Universität Göteborg leitet, präsentierte die größtenteils noch unveröffentlichten Details seiner Arbeit auf einer Plenarsitzung.

„Das Problem ist viel größer, als wir intuitiv denken“, erläuterte einer der Tagungspräsidenten, Prof. Dr. Georg Griesinger, Direktor der Sektion für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck. Mit einer Inzidenz von 1 zu 4.500 ist die unter dem Namen Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom bekannte angeborene Fehlbildung des weiblichen Genitals die häufigste Ursache für das Fehlen der Gebärmutter. Viele Frauen verlieren ihren Uterus zudem infolge einer Endometriose oder anderer Unterleibserkrankungen. Etwa 15.000 Frauen könnten daher alleine in Deutschland von dem Verfahren profitieren, das allerdings noch als experimentell einzustufen ist, wie Brännström betonte.

Seine Forschung sei im wahrsten Sinne des Wortes Patienten-getrieben gewesen, erinnerte sich Brännström. So hatte ihn während eines Forschungsaufenthaltes am Royal Adelaide Hospital eine 27-jährige Australierin gefragt, ob eine Uterustransplantation möglich sei. Sie hatte ein Zervixkarzinom überlebt, jedoch hatten die Ärzte dafür eine Hysterektomie vornehmen müssen. „Nun erklärte sie mir, dass ihre Mutter den Uterus spenden würde. Ich dachte zuerst, sie sei verrückt“, bekannte Brännström.

Tierversuche zur Vorbereitung

Zurück in Schweden begann der Physiologe ein Jahr später sein Forschungsprojekt, das bis zur ersten Anwendung am Menschen 15 Jahre dauern sollte. Zwei andere Arbeitsgruppen wollten ihm zuvor kommen, eine in Saudi-Arabien, eine weitere in der Türkei. Dass keine der beiden erfolgreich war, führt Brännström auf mangelnde Vorbereitung zurück – insbesondere den Verzicht auf Tierversuche.

Der Schwede dagegen begann seine Arbeiten mit genetisch identischen Mäusen und verfeinerte die Technik so lange, bis die Schwangerschaftsraten bei transplantierten Tieren nach der Implantation eines Embryos ebenso hoch war wie in der nicht transplantierten Kontrollgruppe. Es folgten Versuche mit Schafen und Rhesusaffen, bis er zu dem Schluss kam, dass ein guter Chirurg die Herausforderungen der Transplantation wohl meistern würde.

 
Nun erklärte sie mir, dass ihre Mutter den Uterus spenden würde. Ich dachte zuerst, sie sei verrückt. Prof. Dr. Mats Brännström
 

Zuvor mussten jedoch negative Folgen der erforderlichen Immunsuppression auf die Schwangerschaft möglichst ausgeschlossen werden. Transplantationsversuche mit Ratten unter Tacrolimus zeigten aber keine speziellen Risiken. Trotz der gründlichen Vorbereitung erlebte Brännströms Team dann eine unschöne Überraschung bezüglich der Dauer des Eingriffs bei menschlichen Patienten.

Operationsdauer zwölf plus vier Stunden

Während nämlich bei Rhesusaffen die Entnahme des Uterus etwa 3 Stunden dauerte, benötigte sein Team bei der ersten Serie mit 9 weiblichen Spendern jeweils 10 bis 12 Stunden. Auch mit zunehmender Übung wurde der zeitliche Aufwand nicht geringer, wobei sich die Präparation des Ureters als besonders schwierig herausstellte. Deutlich kürzer dauerte die Implantation mit durchschnittlich etwas mehr als 4 Stunden.

Bei den Spendern hatte es sich zumeist um die Mütter der Empfängerinnen gehandelt; sie waren durchschnittlich 55 Jahre alt, und 5 von ihnen postmenopausal. Die weiteren Spenderinnen waren Schwester, Tante, Schwiegermutter und eine Freundin der jeweiligen Empfängerinnen gewesen.

Trotz der aufwendigen Eingriffe konnten die Patienten etwa nach 6 Tagen nach Hause entlassen werden, und eine ging sogar nach 2 Wochen wieder zu Arbeit. 7 Patientinnen hatten nach dem Eingriff über ein Jahr hinweg eine regelmäßige Periode, und zu diesem Zeitpunkt wurde ihnen dann jeweils 1 Embryo eingesetzt, der aus einer IVF der elterlichen Keimzellen vor dem Verlust des eigenen Uterus stammte.

Vincent, Albin, Henry, Cash Douglas …

Den ersten Erfolg – definiert als die Geburt eines gesunden Kindes – hatten die Forscher mit dem Uterus einer 61-jährigen Spenderin, die bereits 7 Jahre postmenopausal war. Der Junge „Vincent“ kam per Kaiserschnitt auf die Welt, ist heute 14 Monate alt und wiegt 13 Kilogramm.

 
Nr. 2 – nennen wir ihn Albin – ist das erste Kind, das aus dem gleichen Uterus geboren wurde wie seine Mutter. Prof. Dr. Mats Brännström
 

Während diese Geburt in Schweden und weltweit Schlagzeilen machte, sind die weiteren Erfolge noch unpubliziert. „Nr. 2 – nennen wir ihn Albin – ist das erste Kind, das aus dem gleichen Uterus geboren wurde wie seine Mutter”, so Brännström. Auch Nr.3 „Henry” entstammt solch einer Mutter-zu-Tochter-Transplantation. Nr. 4 heißt „Cash Douglas“. Er benötigte 6 Behandlungszyklen und entstammt dem Uterus seiner Tante.

„Die zweite Mutter versucht derzeit ein zweites Kind zu bekommen, und eine weitere Patientin ist schwanger“, vervollständigte Brännström seinen Bericht. Auch eine Fehlgeburt gab es zu beklagen, ergänzte er. Insgesamt liege die klinische Schwangerschaftsrate bei 86%, die „Take-Home-Baby-Rate“ bei 57%.

Noch Zukunftsmusik: Uterus aus Stammzellen

Noch handele es sich bei der Uterus-Transplantation um eine experimentelle Prozedur, betonte Brännström. Als nächstes möchte er die Entnahmezeiten für den Spenderuterus verkürzen und will dazu den Einsatz eines Operationsroboters erproben. Dies und der Verzicht auf einige unnötige Prozeduren in der ersten Serie könne die Entnahmezeit womöglich auf 8 Stunden reduzieren.

Weiter in der Zukunft erwartet Brännström die Herstellung eines Uterus aus Stammzellen der Patienten mithilfe des Bioengineering. Solch ein künstliches Organ könnte in 10 Jahren entwickelt werden. Es würde die Risiken für die Spender vermeiden, Abstoßungsprobleme verhindern und die Organknappheit beseitigen, sagt der Wissenschaftler, der dazu bereits eigene Forschungen initiiert hat.

Wie dringend dies nötig wäre, belegen Brännströms aktuelle Erfahrungen: „Wir bekommen Anfragen aus aller Welt. Es gibt Frauen, die uns ihre Gebärmutter verkaufen wollen. Wir hatten gute Absichten, aber es wird natürlich einen Organhandel geben. Das ist mit Nieren geschehen, und es ist noch viel wahrscheinlicher bei einem Organ, das nicht länger gebraucht wird.“

 

REFERENZEN:

1. Kongress des Dachverbandes Reproduktionsbiologie und -medizin e.V. (DVR), 3. bis 5. Dezember 2015, Hamburg

Kommentar

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