Anti-Korruptionsgesetz fürs Gesundheitswesen: Ja, aber … – Verbände fordern konkretere Vorgaben

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

2. Dezember 2015

Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen sollen künftig Straftatbestände werden. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht die Bestrafung der Bestochenen und derjenigen vor, die bestechen [1]: und zwar für das Anbieten, Versprechen wie auch für das Gewährleisten der Bestechung. Wer besticht oder sich bestechen lässt, dem drohen bis zu 3 Jahren Haft oder in schweren Fällen (wenn Patienten geschädigt werden) sogar bis zu 5 Jahren Haft.

Auf den ersten Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums folgten im Frühjahr die Stellungnahmen der Verbände. Ein Teil der Kritik fand Eingang in den neuen Entwurf. „Offenbar lohnt sich ein Einschalten in bereits laufende Gesetzgebungsverfahren doch”, kommentierte Dr. Klaus Reinhardt, Vorsitzender des Hartmannbundes, in einer Mitteilung. So sei der Korruptionstatbestand nun mit etwas mehr Trennschärfe formuliert. Doch trotz einiger positiver Ansätze gebe es keine Entwarnung.

Die Ärzteinitiative MEZIS (Mein Essen zahl´ ich selbst) sieht die größte Schwachstelle des Gesetzes in der Beschränkung auf Bestechung und Bestechlichkeit. Die ebenfalls korrumpierend wirkende und häufiger vorkommende Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung – also alle Gefälligkeiten ohne direkt vereinbarte oder nachweisbare Gegenleistung – bleibe außen vor, kritisiert MEZIS in ihrer jüngsten Stellungnahme.

Am heutigen Mittwoch nun findet die öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses zum Gesetzentwurf der Bundesregierung statt. Als geladener Sachverständiger vertritt Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery die Bundesärztekammer: Er findet den Gesetzentwurfgrundsätzlich richtig“. Dr. Christiane Fischer, Ärztliche Geschäftsführerin von MEZIS, ist ebenfalls als Sachverständige geladen.

 
Die Ahndung von Bestechung und Bestechlichkeit ist ein erster Schritt. Doch Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung sind ebenfalls Fehler im System. Dr. Christiane Fischer
 

Als „sehr übersichtlich“; stuft Klaus Greppmeir, Sprecher des NAV-Virchow-Bundes, die Zusammensetzung der Anhörung ein, „Überraschungen sind da nicht zu erwarten“; so Greppmeir gegenüber Medscape Deutschland. Der NAV-Virchow-Bund befürchtet, dass der Entwurf eher künftige Formen der Kooperation verhindert. „Dabei sind wir – Stichwort sektorenübergreifende Versorgung – mehr denn je auf Kooperationen angewiesen“, führt er aus.

Auch Christiane Fischer rechnet nicht damit, dass es noch zu Änderungen am Entwurf kommen wird. Sie stellt klar: „Die Ahndung von Bestechung und Bestechlichkeit ist ein erster Schritt. Doch Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung sind ebenfalls Fehler im System, da werde ich den Finger in die Wunde legen“. Fischer ist zuversichtlich, dass sich langfristig etwas ändert: „Da ist noch Luft nach oben – die Mühlen mahlen eben langsam.“ Das Gesetz wertet Fischer als Schritt in die richtige Richtung, „doch es bleibt viel zu tun, damit Korruption im Gesundheitswesen wirklich zurückgedrängt wird.“

KBV mahnt Schutz kooperativer Verhaltensweisen an

Die KBV hält eine Überprüfung des Straftatbestandes der neuen §§ 299a und 299b im Strafgesetzbuch (StGB) für notwendig: Zum einen im Hinblick auf den Schutz vor unbegründeten Vorwürfen hinsichtlich der Verletzung der berufsrechtlichen Unabhängigkeit. Und auch bezogen auf den Schutz kooperativer Verhaltensweisen – die aufgrund gesetzlicher Zulässigkeit und Gebotenheit ja erforderlich seien.

In ihrer Stellungnahme schlägt die KBV vor, dies entweder im Gesetz selbst klar zu stellen oder in die Begründung einen Passus einzufügen, um Formen der Zusammenarbeit und Kooperation klarer zu definieren. „Auch die Veröffentlichung von Handreichungen, die zulässige Formen der Kooperation aufführen, durch die Organisationen der Gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen wird insofern zu einer hohen Rechtssicherheit führen“, schließt die Stellungnahme.

Die KBV nimmt an der heutigen öffentlichen Anhörung allerdings nicht teil, wie deren Sprecher Roland Stahl auf Nachfrage bestätigt: „Die Zahl der Sachverständigen ist vom Ministerium für Justiz auf sieben Personen beschränkt worden. An der Einschätzung der KBV hat sich nichts verändert“.

 
Es bleibt viel zu tun, damit Korruption im Gesundheitswesen wirklich zurückgedrängt wird. Dr. Christiane Fischer
 

BÄK: Grundsätzlich ja, aber konkretere Vorgaben

Grundsätzlich begrüßt die Bundesärztekammer (BÄK) das Anti-Korruptionsgesetz der Großen Koalition. Das Vorhaben könne aber nur erfolgreich sein, wenn im System der Gesundheitsversorgung „die Fehlentwicklungen und Ursachen zumindest parallel und systematisch beseitigt werden“, so die Kammer in ihrer Mitteilung Ende November.

Die BÄK hält einige Tatbestandsmerkmale für verfassungsrechtlich bedenklich. Der Straftatbestand sei teilweise nicht „derart genau gefasst, dass der Normadressat aufgrund des Gesetzes vorhersehen kann, welches Verhalten bei Strafe verboten ist.“ Vereinzelt werde ein Verhalten unter Strafe gestellt, für das es an einer „klar umschriebenen sozialschädlichen Verhaltensweise“ fehle.

Problematisch erscheint der BÄK auch der Verweis auf „außerstrafrechtliche Normen des Berufsrechts“ bei der Ausgestaltung von Tatbestandsmerkmalen der Strafnorm. Die unterschiedlichen berufsrechtlichen Regelungen der verschiedenen Berufsgruppen führten zu „abweichenden Maßstäben bei der Auslegung und damit möglicherweise zu einer Uneinheitlichkeit der Strafverfolgung.“

Die BÄK warnt in diesem Zusammenhang zudem davor, de facto einen Straftatbestand lediglich für einzelne Personen- bzw. Berufsgruppen zu schaffen. Das folge insbesondere daraus, weil für einige Berufsgruppen ein Berufsrecht nicht vorhanden sei. Hierdurch würden Gleichbehandlungs- und Gerechtigkeitsdefizite auftreten.

Eine gewisse Rechtsunsicherheit bestehe nach Ansicht der BÄK bei den ärztlichen Kooperationsformen. Aufgrund unbestimmter Rechtsbegriffe und erheblicher Interpretationsspielräume drohten Unstimmigkeiten mit zulässigen und gewünschten Kooperationen. Aufgrund damit unter Umständen vermehrt auftretender staatsanwaltlicher Ermittlungen könnten Ärzte zu „einer Defensivmedizin auf Kosten des Patientenwohls“ angehalten werden. Neue und innovative Formen der Zusammenarbeit könnten in Mitleidenschaft gezogen werden. „Aus Gründen der Rechtsklarheit sind daher konkretere Vorgaben erforderlich“, fordert die Bundesärztekammer.

 
Aus Gründen der Rechtsklarheit sind konkretere Vorgaben erforderlich. Bundesärztekammer
 

Hartmannbund: Präzisere Tatstandsdefinition gefordert

Auf Rechtssicherheit hatte Hartmannbund-Vorsitzender Reinhardt schon im Februar in einer Erklärung gepocht. Unbestimmte Rechtsbegriffe wie etwa eine Bevorzugung „in unlauterer Weise“ seien eher geeignet, Verunsicherung statt Klarheit zu schaffen, kritisierte Reinhardt seinerzeit.

Zwar ist der Hartmannbund nicht bei der öffentlichen Anhörung vertreten, wie Sprecher Michael Rauscher bestätigt. In der „Stellungnahme des Hartmannbundes zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen“ vom 27. März hatte der Ärzteverband aber bereits reichlich Verbesserungsvorschläge zusammen getragen.

Es stelle sich die Frage, ob die bisher geltenden Regelungen und Sanktionsmöglichkeiten des Berufs-, Sozial-, Verwaltungs- und Zivilrechts bereits in hinreichender Weise ausgeschöpft würden, heißt es dort. Und weiter: Es bedürfe „einer präziseren Tatbestandsdefinition, um allen Beteiligten die nötige Rechtssicherheit zu geben. Denn für die betroffenen Berufsgruppen sei keineswegs voraussehbar, welche Rechtsfolge sich aus welchem Verhalten ergeben kann. Ein Generalverdacht der Akteure im Gesundheitswesen muss zwingend vermieden werden. Der Gesetzgeber möge in diesem Zusammenhang nicht verkennen, dass bereits der Einsatz von Strafermittlungsbehörden unter Umständen das berufliche Aus einer (Zahn)Arztpraxis bedeuten kann.“

NAV-Virchow-Bund: Es wäre zielführender, Verhaltensweisen anzugreifen

„Es wäre zielführender, nicht ausgewählte Personengruppen im Gesundheitswesen, sondern Verhaltensweisen (Absichten) anzugreifen. Im Mittelpunkt steht der Gesundheitsschutz des Patienten“, schreibt der NAV-Virchowbund in seiner „Grundsatzkritik am Entwurf eines Gesetzes zur Verhinderung von Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen vom 29.07.2015“: Der Gesetzentwurf verliere sich Interpretationsdickichten, anstatt einen bewusst klaren Rahmen straflosen Handelns zu beschreiben. Sinnvoll wäre es, für die Strafbarkeit an das Wissen um das unberechtigtes Gewinnstreben anzuknüpfen, also einen besonders qualifizierten Vorsatz einzufügen.

Die abschließende Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag ist für Mitte Januar 2016 geplant.

 

REFERENZEN:

1. Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, Drucksache 18/6446, 21. Oktober 2015

Kommentar

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