Sonderärztetag zur geplanten GOÄ-Novelle kommt: Kritik an gemeinsamer Kommission aus BÄK und PKV

Susanne Rytina

Interessenkonflikte

2. Dezember 2015

Dr. Theodor Windhorst

Noch auf der Infoveranstaltung der Bundesärztekammer (BÄK) in der vergangenen Woche hatte der GOÄ-Verhandlungsführer Dr. Theodor Windhorst einem von Berufsverbänden geforderten Sonderärztetag zur GOÄ-Novelle eine Absage erteilt. Jetzt wird die BÄK aufgrund des Votums der Delegiertenversammlungen der Ärztekammern Berlin, Baden-Württemberg und Brandenburg dazu gezwungen, einen Sonderärztetag zur GOÄ einzuberufen. Wenn 3 von 17 Ärztekammern dafür stimmen, dann muss er einberufen werden, wie auch BÄK-Präsident Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery im Ärzteblatt verkündete. 4 Landesärztekammern haben dies bislang abgelehnt.

Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery

„Wir werden auf diesem Sonderärztetag die bisherigen Beschlüsse Deutscher Ärztetage zu den Verhandlungsaufträgen, das Konzept einer neuen Gebührenordnung an sich sowie die grundsätzliche Bedeutung einer GOÄ-Novellierung im derzeitigen politischen Kontext diskutieren und richtungsweisende Beschlüsse fassen", kündigte Montgomery in der Ärzte Zeitung an.

Berufsverbände begrüßen die Einberufung eine Sonderärztetages

Der Geschäftsführer des Bundes Deutscher Internisten (BDI) Tilo Radau begrüßte es gegenüber Medscape Deutschland, dass die Chance ergriffen werde, sich Rückhalt in der Ärzteschaft zu suchen. Der BDI hatte als einer der ersten Berufsverbände einen solchen Sonderärztetag gefordert, um Transparenz der aktuellen GOÄ-Verhandlungen herzustellen, die zwischen BÄK und der Privaten Krankenversicherung (PKV) seit 3 Jahren laufen (wie Medscape Deutschland berichtete).

Auch Vincent Jörres, Pressesprecher des Deutschen Hausärzteverbandes,zeigte sich zufrieden: „Wir begrüßen es, dass der Vorstand der Bundesärztekammer gezwungen war, dem Druck der Ärzteschaft nachzugeben. Jetzt sind wir sehr gespannt, was der Vorstand der Bundesärztekammer der Ärzteschaft dann auf dem Sonderärztetag präsentieren wird, “ sagte er.

Der Hauptgeschäftsführer des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands (Spifa), Lars F. Lindemann hob in einer Pressemitteilung hervor, dass auf einem außerordentlichen Ärztetag die BÄK die Möglichkeit erhalte, sich den Rückhalt der Ärzteschaft einzuholen und ihre Verhandlungsposition als Vertreter der Ärzteschaft deutlich zu verbessern.

Der Vorsitzende der Freien Ärzteschaft (FÄ), Wieland Dietrich sieht sogar mit der Einberufung eines außerordentlichen Ärztetages zwingend eine Verpflichtung der BÄK verbunden, die geplante neue GOÄ liegen zu lassen, bis der Ärztetag abgehalten werde, wie er gegenüber Medscape Deutschland sagte.

 
Wir werden auf diesem Sonderärztetag … das Konzept einer neuen Gebührenordnung an sich sowie die grundsätzliche Bedeutung einer GOÄ-Novellierung im derzeitigen politischen Kontext diskutieren und richtungsweisende Beschlüsse fassen. Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery
 

Wie bei einer Infoveranstaltung der BÄK in der vergangen Woche erst offiziell bekannt wurde – was die Spatzen schon von den Dächern gepfiffen hatten – soll die neue GOÄ auch eine neue Systematik haben. Dies sei ein Paradigmenwechsel, wie die Berufsverbände kritisierten: Eine Gemeinsamen Kommission (GeKo) aus BÄK und PKV soll sich über die Gebühren für ärztliche Leistungen verständigen – mit dem Bundesgesundheitsministerium als Aufsicht und Entscheidungsinstanz, falls sich die Parteien am Verhandlungstisch nicht einig sind (wie Medscape Deutschland berichtete).

Ärztekammer Berlin: Ärzte sollen medizinische Verfahren beurteilen – und nicht PKV oder BMG

Die Ärztekammer (ÄK) Berlin kritisierte, dass die Beratungen und Niederschriften einer solchen GeKo vertraulich sein sollen: „Die viel gesuchte Transparenz sucht man vergeblich“, heißt es in ihrer Pressemitteilung. Auch dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) künftig unter anderem über ärztliche Berufspflichten im Zusammenhang mit der privatärztlichen Abrechnung entscheiden solle, sieht man bei der ÄK Berlin kritisch: „Die Regelung unterliegt bisher aufgrund der Kompetenzen der Länder aus gutem Grund den Landesärztekammer.“

Bislang kontrollierten die Ärztekammern faktisch alleine die durch die Ärzte erstellten Analogziffern auf neue Behandlungs- und Diagnoseverfahren, weil „diese anders als die Privaten Krankenversicherungen und die Beihilfe über die notwendigen Kompetenzen zur Beurteilung neuer medizinischen Verfahren verfügen.“

FÄ-Vorsitzender Dietrich forderte eine deutliche nominale Verbesserung der Leistungsbewertungen in Richtung Inflationsausgleich. Zudem solle es individuelle Steigerungsfaktoren geben, um den individuellen Aufwand berechnen zu können. Dies sei „ein Element der Freiberuflichkeit im Sinn der individualmedizinischen Behandlung. Jedweder Budgetierung oder EBMisierung erteilte er eine Absage. Das alleinige Definitionsrecht für neue Leistungen sei das Kernelement des freien Berufes Arzt. Weder die PKV noch das Ministerium solle hier mitbestimmen – „sonst wäre das staats- und konzerngesteuerte Medizin und keine freiberuflich-professionalisierte Medizin mehr“, meinte Dietrich.

Die neue GOÄ enthalte jedoch strukturelle Elemente, die in Richtung Einheits- und Bürgerversicherung gehen, kritisierte Dietrich. Sollten die Forderungen nicht durchsetzbar sein, müsse eine Debatte über den Behalt der alten GOÄ mit expliziter Fortentwicklung der Analogbewertungen der alten GOÄ diskutiert werden und nur noch Verhandlungen über den Inflationsausgleich geführt werden.

Interessenkonflikte der BÄK als Berater der Allianz Privaten Krankenversicherungs-AG

Zur Sprache auf dem Sonderärztetag wird auch der Vorwurf von möglichen Interessenkonflikten der BÄK kommen, weil einige ihrer Repräsentanten beratende Funktionen in einem großen Versicherungskonzern für private Krankenversicherungen haben, wie auch FÄ-Vorsitzender Dietrich öffentlich kritisiert hatte.

Die FÄ stellte die Unabhängigkeit der GOÄ-Verhandler auf der Ärzteseite wegen ihrer Beratertätigkeiten im Ärztebeirat der Allianz Privaten Krankenversicherungs-AG in Frage. Die Ärztevertreter befinden sich laut Dietrich in einem Interessenkonflikt, zumal die GOÄ-Verhandlungsführerin Birgit König auf Seiten der PKV auch die Vorsitzende der Allianz Privaten Krankenversicherungs-AG sei, so Dietrich. Die FÄ forderte die Ärzte-Funktionäre dazu auf, die Posten in dem Unternehmen zu räumen.

Die Unternehmenskommunikation der Allianz Deutschland AG, teilte auf Anfrage von Medscape Deutschland mit, dass die die Mitgliedschaft im Ärztebeirat von GOÄ-Verhandlungsführer Theodor Windhorst ruhe. BÄK-Präsident Montgomery ist laut Geschäftsbericht 2014 des Versicherungskonzerns Vorsitzender im Ärztebeirat der Allianz AG.

Der Ärztebeirat tage jährlich, so die Auskunft der Allianz Deutschland AG. „Der Ärztebeirat ist ein beratendes Gremium zu Fragen und Trends im Gesundheitssystem“, erläutert Alexandra Kusitzky von der Unternehmenskommunikation. Das Gremium bestehe seit 1967. Die Mitglieder erhielten eine für Berater übliche Vergütung, so Kusitzky.

Wie hoch diese ist, darüber schwieg sie. Schätzungsweise wird die Vergütung wohl zwischen 7.000 bis 15.000 Euro liegen – laut offengelegten Angaben des Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein Rudolf Henke, der wie viele anderen Vertreter der Landesärztekammern auch im Allianz-Ärztegremium Mitglied ist.

Da Henke auch CDU-Bundestagsabgeordneter ist, ist er verpflichtet, seine Nebeneinkünfte anzugeben. Als stellvertretender Vorsitzender des Allianz-Ärztebeirats bezieht er für seine Funktion in diesem Unternehmen eine jährliche Vergütung der Stufe 3, wie auf den Internetseiten des Deutsche Bundestags offengelegt wird. Stufe 3 sind Einkünfte zwischen 7.000 und 15.000 Euro, so die Hinweise zur Veröffentlichung der Angaben nach den Verhaltensregeln des Bundestages.

 

Kommentar

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