Diabetesprävention nach Gestationsdiabetes: Nicht auf Kohlenhydrate kommt es an, Protein und Fett sollten pflanzlich sein

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

2. Dezember 2015

Dr. Helmut Kleinwechter

Der Gestationsdiabetes ist häufig eine Einbahnstraße zum Typ-2-Diabetes, wenn Frauen nach der Geburt nicht gegensteuern. Nur – was ist hier ratsam? Eine neue Auswertung der Nurses‘ Health Study II (NHSII) zeigt, dass sie zur Prävention beim Essen offenbar mehr auf die Herkunft von Protein und Fett achten sollten als auf die Menge der Kohlenhydrate [1].

Weniger Kohlenhydrate verzehren, so heißt bislang die Devise, wenn ein Gestationsdiabetes vorlag – aber dies galt nur für die Zeit der Schwangerschaft. „Wir empfehlen dann, den Kohlenhydratanteil in der Nahrung auf 40 bis 50 Prozent der Gesamtkalorienmenge zu reduzieren. Es ist relativ gut gesichert, dass dadurch die Blutzuckerwerte gesenkt werden“, sagt Dr. Helmut Kleinwechter vom Diabetologikum Kiel im Gespräch mit Medscape Deutschland. „Für die Zeit nach der Schwangerschaft wird dagegen nicht dezidiert empfohlen, kohlenhydratarm zu essen.“

Jede zweite Frau wird zehn Jahre nach Gestationsdiabetes zuckerkrank

Das wäre aber eine wichtige Frage für die Prävention, denn Frauen stellen nach Gestationsdiabetes eine Hochrisikogruppe für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes dar. „Das 10-Jahres-Risiko für Typ-2-Diabetes liegt nach Gestationsdiabetes bei 50 Prozent“, erklärt Kleinwechter. Untersuchungen dazu, wie es sich langfristig auf das Typ-2-Diabetes-Risiko auswirkt, wenn die Frauen auch nach der Schwangerschaft weiter kohlenhydratreduziert essen, gab es bislang nicht.

Ein US-Wissenschaftlerteam wertete deshalb die Daten von 4.500 Frauen aus der NHSII-Kohorte aus, die schon einmal Gestationsdiabetes gehabt hatten und von 1991 bis 2011 nachbeobachtet worden waren. Alle 4 Jahre füllten die Frauen einen Ernährungsfragebogen aus, auf dem sie angaben, wie häufig sie verschiedene Lebensmittel konsumieren.

 
Die Botschaft dieser Studie ist klar: Ein hoher Anteil von Protein und Fett aus tierischen Quellen erhöht das Risiko für Typ-2-Diabetes. Dr. Helmut Kleinwechter
 

Während 68.897 Personenjahren Nachbeobachtung traten in der Kohorte 722 neue Typ-2-Diabetes-Erkrankungen auf. Es stellte sich heraus, dass es bei Frauen, die sich kohlenhydratarm, aber dafür reich an tierischem Protein und Fett ernährten, eine signifikant positive Assoziation mit dem Typ-2-Diabetes-Risiko gab. Ernährten sie sich dagegen kohlenhydratarm und wählten für Protein und Fett vor allem pflanzliche Quellen, bestand keine signifikante Assoziation mit dem Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken.

Tierisches Fett und Protein assoziiert mit Typ-2-Diabetes

„Bei Frauen mit Gestationsdiabetes in der Anamnese scheint eine kohlenhydratarme Ernährungsweise dann mit einem höheren Typ-2-Diabetes-Risiko verknüpft zu sein, wenn Protein und Fett in der Ernährung größtenteils aus tierischen Quellen stammen“, schlussfolgern die Autoren um Dr. Wei Bao vom Epidemiology Branch der National Institutes of Health in Rockville. „Stammen die Proteine und das Fett dagegen aus pflanzlichen Lebensmitteln, ist eine kohlenhydratarme Ernährung nicht mit dem Typ-2-Diabetes-Risiko assoziiert.“

„Die Botschaft dieser Studie ist klar“, sagt Kleinwechter. „Ein hoher Anteil von Protein und Fett aus tierischen Quellen erhöht das Risiko für Typ-2-Diabetes, das ist bereits aus anderen Untersuchungen bekannt und bestätigt sich hier auch für die Prävention von Typ-2-Diabetes nach einem Gestationsdiabetes. Dass die Ernährung kohlenhydratarm ist, scheint dabei nicht die entscheidende Rolle zu spielen.“

 
Frauen nach Gestationsdiabetes eine kohlenhydratarme Ernährung zu empfehlen, ist nicht sinnvoll. Dr. Helmut Kleinwechter
 

Kleinwechter: „Kohlenhydratarme Ernährung nach Gestationsdiabetes nicht empfehlenswert“

Es wurde in früheren wissenschaftlichen Arbeiten gezeigt, dass eine Mahlzeit, die reich an tierischem Protein ist im Vergleich zu einer Mahlzeit, die reich an pflanzlichem Protein ist, zu höheren Plasmakonzentrationen an verzweigtkettigen Aminosäuren führt. Und diese wurden erst kürzlich in mehreren Studien mit Insulinresistenz und der Entstehung von Typ-2-Diabetes in Zusammenhang gebracht.

„Ein anderes Erklärungsmodell besagt, dass das Häm aus rotem Fleisch einen direkten Einfluss auf die Inselzellen des Pankreas haben kann“, sagt Kleinwechter.

„Frauen, die ein kohlenhydratarmes Ernährungsmuster befolgen, kompensieren den geringen Konsum an Kohlenhydraten durch verstärkte Aufnahme von Protein um Fett, um ihren Energiebedarf zu decken“, schreiben die Autoren um Bao. „Um das künftige Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, zu minimieren, sollten Frauen, die sich nach Gestationsdiabetes kohlenhydratarm ernähren, Protein und Fett aus pflanzlichen Quellen bevorzugen.“

Für Kleinwechter ist dagegen klar: „Frauen nach Gestationsdiabetes eine kohlenhydratarme Ernährung zu empfehlen, ist nicht sinnvoll. Die vorliegende Studie zeigt nicht, dass dadurch das Risiko für Typ-2-Diabetes reduziert wird. Außerdem ist diese Ernährungsform für die wenigsten Menschen auf Dauer durchzuhalten“, sagte er. Andererseits könne man sagen: „Egal wie viele Kohlenhydrate man isst, es ist immer günstiger pflanzliche Proteine und Fette beizumischen.“

 

REFERENZEN:

1. Bao W, et al: Diabetes Care (online) 17. November 2015

Kommentar

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