Neue EMPA-REG-Analyse zu Empagliflozin: Diabetiker seltener wegen Herzinsuffizienz stationär

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

1. Dezember 2015

Dr. Silvio E. Inzucchi

Orlando – Unter dem SGLT2-Inhibitor Empagliflozin verringert sich für Patienten mit Typ-2-Diabetes und bekannter kardiovaskulärer Erkrankung im Vergleich zur Placebogruppe das Risiko, wegen Herzinsuffizienz im Krankenhaus behandelt werden zu müssen oder an einer kardiovaskulären Erkrankung zu sterben. Die Vorteile unter Empagliflozin (Jardiance®, Lilly/Boehringer Ingelheim) zeigten sich in einem medianen Follow-up von 3,1 Jahren am deutlichsten bei denjenigen Patienten, die zu Beginn noch keine Herzinsuffizienz gehabt hatten. Der Befund ist unter anderem deshalb bemerkenswert, weil bei einigen anderen Antidiabetika mögliche (negative) Auswirkungen in punkto Herzinsuffizienz Bedenken ausgelöst hatten – ob nun berechtigt oder nicht.

Empagliflozin habe vielmehr bei den Hochrisikopatienten der EMPA-REG OUTCOME-Studie zu einem „konstanten Nutzen” im Hinblick auf diese Endpunkte geführt, sagte Dr. Silvio E. Inzucchi von der Yale University School of Medicine in New Haven, CT, USA, als er die Ergebnisse einer präspezifizierten Sekundäranalyse bei den Scientific Sessions 2015 der American Heart Association (AHA) vorstellte [1].

Im Gegensatz zum Applaus, den er erhielt, als er die primären Ergebnisse der Studie Mitte September beim Kongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD) in Stockholm präsentiert hatte, war die Reaktion der Zuhörerschaft dieses Mal verhaltener. Die Studie war im September zeitgleich zum EASD auch im New England Journal of Medicine publiziert worden [2].

Die Hauptergebnisse zeigten, dass im Vergleich zu Patienten, die Placebo erhielten, diejenigen, die auf Empagliflozin randomisiert worden waren, bei einem medianen Follow-up von 3,1 Jahren ein um 38% (p < 0,001) geringeres Risiko für kardiovaskulären Tod und ein um 35% (p = 0,002) geringeres Risiko für Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz hatten.

Empagliflozin schützt am ehesten die ohne Herzinsuffizienz

Die nun beim AHA in Orlando präsentierte sekundäre Analyse belegt, dass es bei 90% derjenigen Patienten, die bei Studieneintritt noch nicht herzinsuffizient gewesen waren, einen besonders steilen und auch signifikanten Abfall der Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz gab. Auch bei der Minderheit derjenigen Patienten mit Herzinsuffizienz bei Eintritt in die Studie gab es unter aktiver Therapie einen Abfall der Zahl der Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz, doch dieser Wert erreichte keine Signifikanz.

 
„Wir wissen noch nicht, wie das Medikament seine kardiovaskulären Effekte ausübt und ob es sich dabei um einen Klasseneffekt handelt. Dr. Donald M. Lloyd-Jones
 

Welche Auswirkungen wird dies für die Diabetestherapie haben? „Ich denke, dass Metformin weiter unsere orale Erstlinientherapie für Patienten mit Typ-2-Diabetes sein wird“, sagte Dr. Donald M. Lloyd-Jones von der Northwestern University Feinberg School of Medicine, Chicago, IL, USA, Ko-Vorsitzender bei einer AHA-Pressekonferenz, gegenüber heartwire von Medscape. „Uns steht eine Buchstabensuppe voller Diabetesmedikamente zur Verfügung, mit verschiedensten Wirkstoffen, die wirksam den Blutzucker senken und das Risiko für Retinopathie, Nephropathie und Neuropathie reduzieren.“

Trotzdem nannte er es „unerwartet“, dass Empagliflozin einen Effekt auf die kardiovaskuläre Mortalität und andere kardiovaskuläre Ereignisse hat, wie die beim EASD berichtet wurde. „Wir befinden uns noch in einem frühen Stadium der Forschung“, warnte er, „und wir wissen noch nicht, wie das Medikament seine kardiovaskulären Effekte ausübt und ob es sich dabei um einen Klasseneffekt handelt. Dennoch könnte es eine Wende bringen, denn wir würden liebend gerne antidiabetische Medikamente haben, die nicht nur den Blutzucker kontrollieren, sondern auch die Mortalität und andere harte Endpunkte reduzieren“, sagte er.

Erste Studie zu kardiovaskulären Outcomes in dieser Arzneimittelklasse

Bis jetzt wurde noch von keinem blutzuckersenkenden Medikament gezeigt, dass es auch die Herzinsuffizienz-Endpunkte verbessert, erklärte Inzucchi. „Wir suchen schon seit Jahrzehnten nach einem Diabetesmedikament, das nicht nur den Blutzucker reduziert, sondern auch die kardiovaskulären Komplikationen“, sagte er bei einer Pressekonferenz. „Und ich möchte Sie daran erinnern, dass basierend auf den FDA-Richtlinien für die Industrie von 2008 alle Diabetesmedikamente auf ihre kardiovaskuläre Sicherheit getestet werden müssen, bevor sie auf den Markt kommen“, ergänzte er.

EMPA-REG OUTCOME ist die erste publizierte große kardiovaskuläre Outcome-Studie zu einem SGLT2-Inhibitor. Wie bereits berichtet wurden für die Studie 7.028 erwachsene Patienten mit Typ-2-Diabetes und bekannter Herz-Kreislauf-Erkrankung randomisiert auf 10 mg Empagliflozin/Tag, 25 mg Empagliflozin/Tag oder Placebo verteilt. Zu den bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehörten Herzinfarkt (46,6%), koronarer Bypass (24,8%), Schlaganfall (23,3%) und periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) (20,8%).

 
Wir suchen schon seit Jahrzehnten nach einem Diabetes- medikament, das nicht nur den Blutzucker reduziert, sondern auch die kardiovaskulären Komplikationen. Dr. Silvio E. Inzucchi
 

Der HbA1c-Wert sollte zwischen 7 und 10% liegen, der BMI unter 45 und – weil das Medikament seinen Effekt über die Nieren ausübt – die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) sollte einen Wert von größer als 30 ml/min/1,73 m2 haben.

„Wichtig ist, dass das Studienmedikament zusätzlich zur Standardtherapie, also blutzuckersenkenden Medikamenten ebenso wie kardiovaskulären Therapeutika wie Statinen, ACE-Hemmern und ASS, gegeben wurde“, sagte Inzucchi.

Spotlight auf die Herzinsuffizienz-Outcomes

Die neue Analyse beschäftigt sich eingehender mit den Herzinsuffizienz-Outcomes der Studie. In Subgruppenanalysen (Alter, Nierenfunktion und Einnahme von ACE-Inhibitoren, ARBs, Diuretika, Betablocker oder Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten) war das Risiko für Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz oder kardiovaskulären Tod bei Patienten, die Empagliflozin statt Placebo bekommen hatten, konstant signifikant niedriger. Insgesamt hatten die Patienten, die Empagliflozin erhielten, ein um 34% reduziertes Risiko wegen Herzinsuffizienz hospitalisiert zu werden oder aufgrund kardiovaskulärer Ursachen zu sterben und ein um 39% reduziertes Risiko, wegen Herzinsuffizienz hospitalisiert zu werden oder daran zu sterben.

Tabelle: Risiko für Hospitalisierung oder Tod, Empagliflozin vs. Placebo

Endpunkt

HR (95%-Konfidenzintervall)

p

Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz oder kardiovaskulärer Tod

0,66 (0,55 - 0,79)

< 0,00001

Hospitalisierung wegen oder Tod aufgrund von Herzinsuffizienz

0,61 (0,47 - 0,79)

< 0,00001

Die meisten Patienten (90%) hatten bei Eintritt in die Studie keine Herzinsuffizienz. Bei den Patienten, die bei Studieneintritt nicht herzinsuffizient waren, „waren die Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz wie zu erwarten relativ klein an der Zahl“ (1,8% der Patienten, die das Studienmedikament erhielten, und 3,1% der Placebopatienten), sagte Inzucchi. Das Risiko für Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz war bei Patienten ohne anfängliche Herzinsuffizienz, die das Studienmedikament erhielten, um 41% geringer als in der Placebogruppe (HR: 0,59; 95%-KI: 0,43 - 0,82).

Bei der kleineren Zahl von Patienten, die zu Anfang bereits herzinsuffizient waren, war die Hospitalisierungsrate wegen Herzinsuffizienz viel höher (10,4% der Patienten, die das Studienmedikament erhielten, und 12,3% der Placebopatienten). Doch in diesem Fall war der Unterschied zwischen den beiden Gruppen statistisch nicht signifikant (HR: 0,75; 95%-KI: 0,48 - 1,19). Die Ergebnisse fielen ähnlich aus, als die Analyse für den kombinierten Endpunkt aus Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz und kardiovaskulärem Tod wiederholt wurde.

„Nicht überraschend“ waren Nebenwirkungen bei kränkeren Patienten, die zu Studieneintritt bereits herzinsuffizient waren, häufiger; Genitalinfektionen, eine bekannte Nebenwirkung von Medikamenten, die die Glukose im Urin erhöhen, waren bei diesen Patienten dreimal häufiger, sagte Inzucchi.

 

REFERENZEN:

1.  AHA Scientific Sessions (American Heart Association Congress), 7. bis 11. November 2015, Orlando/USA

2. Zinman B, et al: NEJM (online) 26. November 2015

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