
Dr. Dennis Wolf (Quelle: privat)
Während die Klimakonferenz in Paris stattfindet und dort unter anderem darüber diskutiert wird, wie klima- und gesundheitsschädliche Luftschadstoffe reduziert werden können, haben deutsche Wissenschaftler neue Erkenntnisse dazu gewonnen, über welchen Mechanismus solche Schadstoffe sich negativ auf das Herz-Kreislaufsystem auswirken.
Feinstaub schädigt das Herz – nicht direkt, sondern auf dem Umweg über entzündungsfördernde Botenstoffe, die von Alveolar-Makrophagen in der Lunge gebildet und von dort ins Blut abgegeben werden. Für diese, im Tierversuch an Mäusen gewonnen Erkenntnis ist nun Dr. Dennis Wolf von der Klinik für Kardiologie und Angiologie I am Universitäts-Herzzentrum Freiburg/Bad Krozingen ausgezeichnet worden [1].
Wolf erhielt den mit 3.000 Euro dotierten Forschungspreis der Acute Cardiovascular Care Association (ACCA), die zur Europäischen Gesellschaft für Kardiologie gehört. Laut einer Pressemitteilung der Universität Freiburg handelt es sich bei dem Preis um die „höchste wissenschaftliche Auszeichnung für unveröffentlichte Arbeiten auf dem Gebiet der kardiovaskulären Medizin“.

Prof. Dr. Hector Buoeno (Quelle: privat)
Wie Wolf im Gespräch mit Medscape Deutschland erläutert, hat seine Arbeit möglicherweise auch therapeutische Implikationen. In der Studie ist es nämlich gelungen, mittels neutralisierender Antikörper gegen einige der beteiligten Zytokine die Kaskade der Herzschädigung zu unterbrechen. „Wir schließen daraus, dass eine entzündungshemmende Therapie die schädlichen Effekte des Feinstaubs im Rahmen eines Herzinfarktes abmildern kann und prinzipiell auch Patienten helfen könnte, die unter besonderem Risiko stehen“, so Wolf.
Feinstaub: Mehr Infarkte und schwerwiegendere Kardiomyopathie
Die Versuchstiere hatten intranasal Feinstaubpartikel erhalten, die am ehesten den bei Messungen der Luftqualität erfassten ultrafeinen Partikeln der Größe PM2.5 zuzuordnen sind. Verabreicht wurde einmalig eine Menge an Feinstaub, die in etwa der Belastung entspricht, die ein durchschnittlicher Erwachsener in einer Woche aufnehmen würde, wenn die Konzentration in der Luft 200 bis 500µg/m3 beträgt, erläuterte Wolf. „Dies entspricht einer hohen Belastung, wie sie mitunter zu bestimmten Jahreszeiten und natürlich abhängig von der Umgebung in Ballungszentren auftreten kann.“
Nach der Exposition der Ligatur des Ramus deszendens der linken vorderen Koronararterie verglich man den Umfang der resultierenden Herzschäden 6 Monate nach dem Infarkt mit einer Kontrollgruppe, die keine Feinstaubpartikel erhalten hatten. Es zeigte sich in der ersten Gruppe ein um durchschnittlich 45% größeres Infarktareal, und es trat in der Folge auch eine deutlicher ausgeprägte Herzmuskelschwäche auf. „Im Hinblick darauf, dass Menschen im schlechtesten Falle dauerhaft einer Feinstaubbelastung in diesem Bereich ausgesetzt sind, würden unsere Ergebnisse die Situation in der Realität eher noch unterschätzen“, so Wolf.
„Spannend war, dass eine akute Belastung, wie wir sie durchgeführt haben, zu einer komplexen Kaskade an entzündlichen Vorgängen führte. Dies bestätigt klinische Studien, wonach eine kurzfristige Feinstaubexposition durchaus ausreichen kann, um dauerhaft negative Effekte auf unsere Gesundheit und unser Herzkreislaufsystem zu haben“, sagt Wolf.
Bedeutsam ist die Studie aber auch, weil die Forscher feststellen konnten, dass 6 Tage nach dem Eingriff bei den PM-exponierten Tieren verstärkt inflammatorische Zellen ins Myokard eingewandert waren. Es sei zwar bekannt, dass die Partikel je nach Größe in die Blutzirkulation übergehen und auch dort verschiedenste Effekte auf Blutzellen und Organe haben können, erinnerte Wolf. „Interessant war jedoch, dass nicht die Partikel selbst, sondern entzündungsfördernde Botenstoffe für den schädlichen Effekt im Herz verantwortlich waren. Diese Zytokine wurden von Alveolarmakrophagen in der Lunge gebildet und von dort ins Blut abgegeben“, so Wolf.
Infarkte unter Feinstaubbelastung heilen schlechter
Im weiteren Verlauf stimulierten die Zytokine Entzündungszellen im Blut und Zellen in den Gefäßwänden. Beide Zelltypen wanderten vermehrt in entzündliche Gebiete ein, nämlich das absterbende Herzmuskelgewebe. „Dies ist insbesondere wichtig, weil solche Zellen im Rahmen eines Herzinfarktes die Gewebeheilung nachteilig beeinflussen – mit der Folge, dass die Infarkte nicht nur größer waren, sondern sich die Herzen auch schlechter regenerierten, was eine vermehrte Herzmuskelschwäche zur Folge hatte“, erläuterte Wolf.
Eines der gemessenen Zytokine war TNF-α, dessen Spiegel sich nach der PM-Exposition um mehr als 300% gegenüber der Kontrollgruppe erhöhte. Durch die Gabe von Anti-TNF-α-Antikörpern jedoch konnte die vermehrte Aktivierung von Endothelzellen und Leukozyten unterbunden werden.
Darauf beruht nun Wolfs Hoffnung, dass eine entzündungshemmende Therapie die schädlichen Effekte des Feinstaubs im Rahmen eines Herzinfarktes abmildern könnte. Der Wissenschaftler weist darauf hin, dass solche entzündungshemmenden Antikörper in anderen Krankheitsbildern bereits am Menschen angewendet werden. „Eine passende Therapie gäbe es prinzipiell also schon, wenn auch diese in klinischen Studien natürlich für diesen Zweck zunächst getestet werden müsste.“
REFERENZEN:
Diesen Artikel so zitieren: Folgen der Feinstaub-Belastung für den Herzmuskel: Größere Infarkte, schlechtere Heilung - Medscape - 30. Nov 2015.
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