Krankes Klima heißt kranke Menschen: Wie die WHO Ruß, Ozon, Methan und CO2 in Schach halten will

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

27. November 2015

Klimaschutz ist nicht zuletzt auch Gesundheitsprävention. Die WHO pocht deshalb darauf, die Emissionen an Rußpartikeln, Ozon, Methan sowie Kohlendioxid, die allesamt zum Klimawandel beitragen, zu reduzieren. Rußpartikel, Ozon und Methan, die auch als kurzlebige Klimaschadstoffe (SLCP: short-lived clima pollutants) bezeichnet werden, erzeugen nicht nur einen starken globalen Treibhauseffekt. Sie tragen auch signifikant zu den mehr als 7 Millionen vorzeitigen Todesfällen bei, die jedes Jahr mit Luftverschmutzung in Verbindung gebracht werden. Die WHO hat dazu Ende Oktober den Bericht „Die Reduzierung globaler Gesundheitsrisiken durch die Vermeidung kurzlebiger Klimaschadstoffe“ vorgelegt [1]. Darin werden 4 Maßnahmen vorgeschlagen, die jedes Land national umsetzen kann.

Welche Reaktionen es bislang auf die WHO-Vorschläge gab, will WHO-Sprecherin Nada Osseiran auch auf Nachfrage nicht verraten. Fest steht jedenfalls, dass die Vorschläge auch Thema bei der nächste Woche beginnenden UN-Klimakonferenz in Paris 2015 (COP21) sein werden, wie Osseiran bestätigt: „Auf der Veranstaltung ‚Kurzlebige Klimagase und ihr Einfluss auf die Gesundheit in den Städten‘ beraten internationale Experten darüber in der kommenden Woche.“

„Jeden Tag bedrohen diese Umweltgifte die Gesundheit von Männern, Frauen und Kindern“, sagt Dr. Flavia Bustreo, beigeordnete General-Direktorin der WHO. „Erstmals empfiehlt ein Bericht Ländern, Gesundheits- und Umweltministerien und Städten praktikable Maßnahmen, um Emissionen zu reduzieren, die Gesundheit zu schützen und Krankheiten und vorzeitigen Tod zu vermeiden“, so Bustreo weiter. Oft seien die Schwächsten am schwersten von den Gesundheitsschäden durch Umweltgifte getroffen.

Der Bericht, der in Zusammenarbeit mit der Climate & Clean Air Coalition to Reduce Short-Lived Climate Pollutants (CCAP) erstellt wurde, zeigt, dass Interventionen zur Verringerung von kurzlebigen Klimaschadstoffen u.a. zur Lebensmittelsicherheit beitragen, die Ernährung verbessern, körperliche Aktivität fördern und insgesamt Krankheits- und Todesfälle reduzieren können. Er fußt auf einer Bewertung des EU Umweltprogramms und der World Meteorological Organization von 2001. Danach könnte die globale Einführung von 16 SLCP-Reduktionsmaßnahmen bis 2030 durchschnittlich 2,4 Millionen vorzeitige Todesfälle pro Jahr verhindern. Bis 2050 könnte sich diese Zahl noch auf 3 bis 5 Millionen erhöhen, schätzt die WHO.

 
Erstmals empfiehlt ein Bericht praktikable Maßnahmen, um Emissionen zu reduzieren, die Gesundheit zu schützen und Krankheiten und vorzeitigen Tod zu vermeiden. Dr. Flavia Bustreo
 

Die vier wichtigsten Maßnahmen zur Gesundheits- und Klimavorsorge

Für den Bericht bewertete die WHO 20 praktikable und bezahlbare Konzepte, SLCP zu vermeiden. Darunter waren Maßnahmen wie Fahrzeugemissionsstandards, das Auffangen von Deponiegasen, der Wechsel von fossilen zu erneuerbaren Energieträgern, weniger Lebensmittelverschwendung und die Möglichkeit, leistungsfähigere private Kochstellen zu schaffen. Dann wurde geprüft, welche dieser Maßnahmen das größte Potenzial aufwiesen, die Gesundheit zu verbessern, SLCP-Emissionen zu reduzieren und weitere Klimafolgen zu vermeiden.

Diese 4 Maßnahmen erreichten in allen 3 Kategorien mittlere bis hohe Werte:

1. Eine Verringerung von Fahrzeugemissionen durch höhere Emissions- und Effizienzstandards könnte Rußpartikel und andere Umweltschadstoffe aus fossilen Brennstoffen reduzieren. Dies würde die Luftqualität verbessern und die mit Luftverschmutzung einhergehende Krankheitslast verringern.

2. Die Bevorzugung von Massentransportmitteln wie Busse und Züge und Verringerung der Unfallgefahren auf den Straßen für Fußgänger und Radfahrer könnten mehrere Verbesserungen nach sich ziehen: sicherere Verkehrswege und reduzierte Gesundheitsrisiken durch Luft- und Lärmbelastungen, Bewegungsmangel und Verkehrsunfälle.

3. Sauberere und effektivere Brennstoffalternativen für die weltweit ungefähr 2,8 Milliarden Haushalte mit niedrigem Einkommen, die auf Holz, Dung und ähnliche Brennstoffe zum Heizen und Kochen angewiesen sind. Das soll Krankheiten reduzieren, die mit Luftverschmutzung zusammenhängen, und Gesundheitsrisiken verringern. Außerdem könnte die bislang investierte Zeit zur Brennstoffsuche reduziert und z.B. zum Arbeiten genutzt werden.

4. Wenn es gelingt, Menschen mit hohen und mittleren Einkommen davon zu überzeugen, den Konsum von pflanzenbasierter Nahrung zu steigern, könnte die Rate an Herzkrankheiten und einigen malignen Erkrankungen reduziert werden. Gleichzeitig würde der Ausstoß von Methan aus landwirtschaftlicher Tierhaltung sinken.

 
Die positiven Wirkungen auf die Gesundheit, die von diesen Strategien ausgehen können, sind wesentlich größer als bislang angenommen. Maria Neira
 

„Die rasche Verringerung von Ruß, Methan und anderen Ozonschädlingen ist jetzt dringend geboten“, sagt Helena Molin Valdés, Vorsitzende der UNEP-finanzierten CCAC. Und Maria Neira, WHO-Direktorin des Department of Public Health, Environmental and Social Determinants of Health, betont: „Die positiven Wirkungen auf die Gesundheit, die von diesen Strategien ausgehen können, sind wesentlich größer als bislang angenommen. Und sie können sofort und vor Ort umgesetzt werden. Das Umwelt- und Gesundheitswesen können damit Interventionen priorisieren, um gleich zwei Ziele zu erreichen: den Klimawandel zu verhindern und die Gesundheit zu fördern.“

Deutliche Senkung der Todesfälle und Krankheiten bis 2030

Ziel des Berichts ist es, „bis 2030 die Anzahl der Todesfälle und Krankheiten durch gefährliche Chemikalien und Luft-, Wasser- sowie Erdverschmutzung und Kontamination substanziell zu verringern“, so Neira weiter. Im Mai 2015 hatte die World Health Assembly eine Resolution verabschiedet, in der der Einfluss der Luftverschmutzung auf die Gesundheit thematisiert ist. Die Resolution betont den Bedarf an enger Kooperation zwischen verschiedenen Sektoren. Außerdem sollten Gesundheitsangelegenheiten in nationale, regionale und lokale Strategien gegen Luftverschmutzung integriert werden.

Die WHO führt eine Reihe dieser Ansätze in die Urban Health Initiative ein, die sie zusammen mit der CCAC, Norwegen und anderen Partnern leitet. Die Initiative wird 2016 in 4 Städten starten. Als Teil der Initiative sind weitere Kosten-Nutzen-Analysen der 4 Schlüsselmaßnahmen geplant.

Hinweise aus früheren WHO-Studien über sicheren, die Gesundheit weniger gefährdenden Personenverkehr legen bereits nahe, das die Bevorzugung von Massentransportmitteln und die Einführung sicherer Geh- und Radwegnetze relativ billig sind, vergleicht man sie mit den Kosten, die Verkehrstote und die Behandlungskosten für Krankheiten durch Luftverschmutzung, Unfälle und körperliche Inaktivität mit sich bringen.

 

REFERENZEN:

1. WHO-Pressemeldung: „New report identifies four ways to reduce health risks from climate pollutants“, 22. Oktober 2015

Kommentar

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