GOÄ-Novelle: Soll die geplante neue Gemeinsame Kommission die Arzt-Honorare drücken?

Susanne Rytina

Interessenkonflikte

25. November 2015

Künftig wird die Private Krankenversicherung (PKV) mit am Tisch sitzen und in einer Gemeinsamen Kommission (GeKo) verhandeln, wenn es um die Gebührenordnung (GOÄ) für Ärzte geht. Dabei werden 4 BÄK-Repräsentanten je 2 Vertretern der PKV-Verbandes und der Beihilfe mit einem Stimmverhältnis von 4:4 gegenüberstehen. Dies teilte die BÄK gestern auf einer Informationsveranstaltung den Berufsverbänden und Fachgesellschaften mit und stellte einen Fragen-Antwortkatalog zum GOÄ-Novellierungsprozess auf ihre Webseite. Kann sich die GeKo nicht einigen, wird das Bundesgesundheitsministerium (BMG) entscheiden.

Die Berufsverbände hatten zuvor kritisiert, dass sie von der BÄK nicht ausreichend zum Stand der GOÄ-Verhandlungen informiert worden seien und befürchten eine drohende Budgetierung durch das neue System, wie Medscape Deutschland berichtete. „Unser Bedenken sind auch nach der Informationsveranstaltung nicht zerstreut worden“, sagt jetzt der Geschäftsführer des Berufsverbandes Deutscher Internisten (BDI), Tilo Radau, gegenüber Medscape Deutschland.

Künftig sammle und überwache eine Datenstelle in einer dreijährigen Probephase die Ausgaben der Privaten Krankenversicherung und der Beihilfe. Anschließend werde beurteilt, wie sich die Kosten durchschnittlich entwickelt haben und wo die Ausgaben begrenzt werden können. Dies laufe letztlich auf Budgets hinaus. Der BDI hatte zuvor inoffiziell ein Schreiben der BÄK an das BGM zur Systematik der neuen GeKo erhalten (s. Medscape Deutschland ) und daraufhin die BÄK dafür kritisiert, nicht früher über den Stand der Dinge informiert zu haben.

„Die neue Konstruktion der GeKO, in der auch die Privaten Krankenversicherungen mit am Tisch sitzen, sieht das Element der Budgetierung und der Mengensteuerung vor“, kritisiert auch der Vorsitzende der Freien Ärzteschaft (FÄ), Wieland Dietrich. „Eingebrockt“ habe dies den Ärzten die Politik, da sind sich Radau und Dietrich ebenfalls einig. Der frühere Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) habe verlangt, dass sich die Ärzte mit der Privaten Krankenversicherung über die Leistungen einigen.

 
Unser Bedenken sind auch nach der Informationsveranstaltung (der BÄK) nicht zerstreut worden. Tilo Radau
 

Dietrich lässt auch das Argument der BÄK nicht gelten, sie habe deshalb nicht früher informiert, weil sie laut Bundesgesundheitsministeriums zum Schweigen verpflichtet gewesen sei. „Die BÄK ist als freie Vereinigung der Landesärztekammern dem Bundesgesundheitsministerium nicht verpflichtet“, sagt Dietrich. Wenn es eine Verpflichtung gebe, dann diejenige, gegenüber der Ärzteschaft Transparenz herzustellen, sagt er gegenüber Medscape Deutschland.

Aufgaben der GeKo

Die Entscheidungen der GeKo haben Empfehlungscharakter – die letzte Entscheidung liege beim Bundesgesundheitsministerium, informiert die BÄK. Komme eine Einigung nicht zustande, gebe es auch keine Empfehlung. Hier entscheide dann das BMG zu „gegebener Zeit“.

Die GeKO macht laut BÄK:

  • • Vorschläge zu Möglichkeiten, Umfang, Grenzen und Ausschluss der Steigerung der Gebührensätze und deren Begründung im Einzelfall,

  • • Vorschläge zur frühzeitigen Überführung relevanter Analogbewertungen in eigene Gebührenpositionen,

  • • Vorschläge für eine Abbildung des medizinischen Fortschritts sowie der Förderung und Sicherung der Qualität,

  • • Regelwerkbasierte Untersuchungen und Korrektur von identifizierten Fehlbewertungen

  • • und sie pflegt eine Negativliste: Hier dürfen die Leistungen nicht gesteigert werden. Es kann weder der zweifache Steigerungssatz bei der Abrechnung angewendet werden, noch darf in solchen Fällen eine abweichende Honorarvereinbarung abgeschlossen werden.

NAV-Virchow-Bund: Steilvorlage für Bürgerversicherung

Auch der NAV-Virchow-Bund hat inzwischen die BÄK kritisiert: „Die vorgesehenen Änderungen der Vergütungssystematiken drohen tief in das Wesen des freien Arztberufes einzugreifen. Dafür fehlt der BÄK das Mandat der Ärzteschaft“, so der Verbands-Chef Dr. Dirk Heinrich in einer Pressemitteilung. Die Einführung einer Gemeinsamen Kommission (GeKo) komme dem Bewertungsausschuss aus KBV- und Kassenvertretern nahe.

 
Eine individuelle Rechnungsstellung durch flexible Multiplikatoren auf der Basis einer professionell autonomen Entscheidung des Arztes wird dann nicht mehr möglich sein. Dr. Dirk Heinrich
 

Darüber hinaus werde der robuste Einfachsatz kaum überschritten werden können, bemängelte Heinrich. Für die Abrechnung des zweifachen Satzes werde es lediglich eine eingeschränkte Liste mit Begründungen geben: „Damit finden die Behandlungsintensität oder die Schwere der Erkrankung keine Berücksichtigung mehr“, so Heinrich, was bisher eben möglich war: „Eine individuelle Rechnungsstellung durch flexible Multiplikatoren auf der Basis einer professionell autonomen Entscheidung des Arztes wird dann nicht mehr möglich sein.“

Die Weichen in Richtung einheitlicher Gebührenordnung werden so laut NAV gestellt: Damit liefere die Bundesärztekammer eine Steilvorlage für die Bürgerversicherung. „Diese wegweisenden Entscheidungen können nicht einer kleinen Runde von Verhandlungsführern überlassen werden“, so der NAV-Vorsitzende.

Mit am Tisch sitzen die Interessen von Aktiengesellschaften

FÄ-Vorsitzender Dietrich hält die GeKo für eine „Public Private Partnership“-Konstellation der seltsamen Art.“ Am Tisch verhandele die private Krankenversicherung, die ihren Aktiengesellschaften und Unternehmen verpflichtet sei – und nicht unbedingt der bestmöglichen Qualität für die Patienten. „Der Staat delegiert hier die Verantwortung an private Unternehmen, um die ärztlichen Honorare möglichst billig zu machen“, sagt er.

Zudem werde der Arzt-Patienten-Vertrag neu geregelt, wenn künftig Ärzte und Versicherungsunternehmen miteinander verhandeln, was die Leistungen kosten sollen.

 
Was ich von den anderen Berufsverbänden nicht gut finde, dass sie ihren Protest lautstark vorher geäußert haben, ohne mit der BÄK intern zu sprechen. Dr. Thomas Ems
 

„Wir sind mit dem ganzen Konstrukt mehr als unglücklich“, sagt auch BDI-Geschäftsführer Radau. Man werde sich künftig wohl mehr an den Ausgaben orientieren und nicht an den Krankheitsbildern. Die Frage sei dann, warum sich Patienten künftig privat versichern sollten,  bemängelt Radau.

Außerdem sei es auch kaum nachvollziehbar, warum nur eine Handvoll Vertreter der BÄK in die Verhandlungen involviert seien, während die PKV angeblich einen Stab von 40 bis 50 Leute damit beschäftige. „Warum ist man nicht in der Lage, die BÄK so auszustatten, dass sie die Verhandlungen gut führen kann?“ fragt sich Radau.

Der Geschäftsführer des Privatärztlichen Bundesverbandes, Dr. Thomas Ems, fühlte sich dagegen von der BÄK auch im Vorfeld gut informiert, obwohl es im Umgang mit den anderen Berufsverbänden auch seiner Meinung nach an Feingefühl gefehlt hat, wie er gegenüber Medscape Deutschland einräumte. „Was ich von den anderen Berufsverbänden nicht gut finde, dass sie ihren Protest lautstark vorher geäußert haben, ohne mit der BÄK intern zu sprechen. Dies schafft den Eindruck, als ob die Ärzte nicht einer Meinung seien, was die GOÄ angeht“, sagt Ems. Dabei bestehe doch in weiten Bereichen Konsens, meinte er.

Es sei positiv, dass die GOÄ aktualisiert werde und man künftig weniger mit Analogziffern jonglieren müsse, so Ems. Dabei bestehe überdies die Chance auf eine bessere Patientenversorgung, neue Leistungen, den Einsatz neuer Therapeutika, die schnell verankert werden könnten. „Wir begrüßen es, dass auch die sprechende Medizin gestärkt wird“, so Ems. Eine EBM-ähnliche-Systematik lehne man allerdings gleichfalls ab.

 

Kommentar

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