MEINUNG

Mikrobiom für die Tumor-Therapie: Wieso Bakterien die Wirksamkeit der Chemo beeinflussen

Dr. Shari Langemak

Interessenkonflikte

11. November 2015

Dr. Shari Langemak

Die moderne Krebstherapie kann manchmal einer Lotterie gleichen: Gerade in weit fortgeschrittenen Stadien werden häufig Medikamente verschrieben, die nur bei einem kleinen Prozentsatz der Patienten überhaupt eine Wirkung zeigen. Wer dabei gewinnt, war lange Zeit oft ungewiss.

Was wäre aber, wenn wir bei Indikationsstellung einen wichtigen Faktor übersehen haben? Und diesen womöglich noch zu unseren Gunsten verändern könnten? Das US-amerikanische Startup Evelo Therapeutics glaubt einen solchen entscheidenden Faktor gefunden zu haben, und möchte auf dessen Grundlage langfristig die Prognose von Krebspatienten verbessen.

Geschwächte Immunantwort gegen Krebszellen

Während die moderne Onkologie hauptsächlich das Innerste des Tumors analysiert, indem sie im Krebs-Genom nach potenziellen Schwachstellen sucht, fokussiert sich Evelo auf die Tumorumgebung. Diese ist insofern interessant, als dass hier das Immunsystem im besten Fall die wuchernde Tumormasse selbst bekämpft.

Nur leider funktioniert dieser körpereigene Tumorschutz oft nicht. Die Krebszellen haben dann gelernt, den T-Zell-Angriff abzuschwächen oder bestenfalls zu verhindern. Sogenannte Checkpoint-Inhibitoren behindern diese Abwehr, und helfen so dem körpereigenen Immunsystem dabei, die Tumorzellen zu bekämpfen.

Bakterien zur Stärkung des Immunsystems

Damit Checkpoint-Inhibitoren und andere Wirkstoffe aus dem Bereich der Krebs-Immuntherapie jedoch besser wirken können, brauchen sie scheinbar etwas Mithilfe aus der Tumorumgebung. Bestimmte Bakterienarten im menschlichen Mikrobiom, so scheint es, könnten hier darüber entscheiden, ob ein Checkpoint-Inhibitor wirkt oder nicht.

So konnten Forscher der Universität von Chicago (UC) zeigen, dass die Verabreichung von Bifidobakterien bei Mäusen das Ansprechen auf Checkpoint-Inhibitoren verbessert [1]. Eine Partnerschaft zwischen Evelo und der UC soll dieses Wissen nun in ein verkaufsfähiges Produkt verwandeln. Zusammen mit dem Studienleiter Thomas Gajewski soll entsprechend eine neue Medikamentenklasse namens „Oncobiotics™“ weiterentwickelt werden [2].

Unterschiedliche Wirkprinzipien möglich

Die Oncobiotics™ könnten auf unterschiedliche Art und Weise wirken. Erstens könnten in den Tumor injizierte Bakterien das Immunsystem aktivieren, und so die Hemmung durch die Tumorzellen einschränken. Sie würden also komplementär zu den Checkpoint-Inhibitoren wirken.
Zweitens könnten die Bakterien wichtige Nährstoffe wie Glukose verbrauchen. Tumorzellen mit ihrem hoch-aktiven Stoffwechsel ständen dann möglicherweise nicht mehr genug Metaboliten für ihr eigenes Wachstum zur Verfügung.

Drittens ist eine Veränderung der Tumorumgebung durch die Mikroorganismen möglich. Vielleicht sorgt ein Umbau des Tumor-Stromas dafür, dass T-Zellen den Tumor besser erreichen und damit eliminieren können. Und viertens wird darüber spekuliert, ob nicht sogar die Bakterien selbst Tumorzellen eliminieren können.

Egal welcher Mechanismus letztendlich zum Schrumpfen des Tumors führt – die weitere Erforschung des Ansatzes scheint vielversprechend zu sein. Und damit kommen vielleicht auch Krebspatienten dem Gewinn in einer lebensentscheidenden Lotterie ein Stück weit näher.

REFERENZEN:

1. Sivan A, et al: Science, 5. November 2015

2. Evelo Therapeutics: Pressemitteilung, 9. November 2015

3. Mitch Leslie: Science, 5. November 2015

Kommentar

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