Der Schlüssel zu mehr Organspenden: Die Potenziale kleiner Kliniken nutzen und die Pflegekräfte einbeziehen

Gerda Kneifel

Interessenkonflikte

11. November 2015

Frankfurt – Die Zahl der Organspender hat wieder leicht zugenommen – und auch Krankenhäuser engagieren sich vermehrt für Organspenden – das ist die positive Nachricht, die die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) auf der Pressekonferenz anlässlich ihres 11. Jahreskongresses in Frankfurt verkündete. „In dieser Entwicklung zeigt sich zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer für die mehr als 10.000 Patienten auf den Wartelisten“, kommentierte Dr. Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der DSO.

Von einer Trendwende wollte er dennoch nicht sprechen. Die Erfahrung habe gezeigt, dass die Anzahl der Spenden immer Schwankungen unterliege. „In den kleineren Krankenhäusern ohne eigene neurochirurgische Abteilung steckt jedoch noch viel Potenzial, hier wurde in der Vergangenheit kaum Kontakt zur DSO aufgenommen und um Unterstützung beim Organspende-Prozess gebeten.“

Das Potential kleinerer Krankenhäuser heben

Das Problem liege nämlich nicht allein in den niedrigen Spenderzahlen begründet, sondern auch in Krankenhäusern, die bei einem hirntoten Patienten erst gar nicht prüften, ob er über einen Organspendeausweis verfüge. Das trifft weniger für die Universitätskliniken und größeren Krankenhäuser mit eigener neurochirurgischer Abteilung zu, wo die meisten Patienten mit schweren primären oder sekundären Hirnverletzungen eingeliefert werden. Vielmehr sind es kleinere Krankenhäuser, wo auch die Diagnose „irreversibler funktioneller Hirnfunktionsausfall“ mitunter erst gar nicht gestellt wird – die Voraussetzung für eine Organspende.

Im vergangenen Jahr hatte ein sogenannter Transplant-Check an Krankenhäusern im Osten des Landes ergeben, dass von 1.459 Fällen mit relevanter Hirnschädigung, die für eine Organspende potentiell in Frage gekommen wären, in 233 Fällen die Therapie aufgrund einer infausten Prognose nicht fortgeführt wurde, ohne die Option der Organspende anzusprechen. In 43 Fällen wäre die Diagnose der irreversiblen Hirnfunktionsausfalls indiziert gewesen, wurde aber nicht vorgenommen. „Darunter wären sicher auch Menschen gewesen, die Organspender waren, doch ihr Wunsch ist nicht berücksichtigt worden“, konstatierte Rahmel.

 
In den Entnahmekrankenhäusern gibt es derzeit eine gewisse Verunsicherung, was die Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls angeht. Dr. Axel Rahmel
 

„Auch in Universitätskliniken und Krankenhäusern mit eigener Neurochirurgie lässt sich die Rate an Organspenden steigern. Doch das größte Potential liegt in den insgesamt 1.100 kleineren Krankenhäusern ohne eigene neurochirurgische Abteilung“, ist sich Rahmel sicher.

Die DSO hat sich daher zum Ziel gesetzt, gerade kleinere Krankenhäuser ganz gezielt anzusprechen und über die Unterstützung der DSO bei der Organspende zu informieren. „Den ersten Schritt, die Identifizierung, müssen die Krankenhäuser selbst übernehmen. Doch bei dem anschließenden Prozess können wir helfen“, so der DSO-Vorstand. Seit das verstärkt kommuniziert wurde, kontaktierten 14,8% mehr kleinere Krankenhäuser ohne Neurochirurgie die DSO, die Zahl der Organspenden stieg um 13,8%.

Unsicherheit bezüglich der Todesfeststellung

Nachdem im Sommer dieses Jahres die 4. Fortschreibung der Richtlinie zur Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls eingeführt wurde, passierte etwas, das so nicht gewollt war: Die Zahl der postmortalen Organspender sank bis zum Herbst von 80 auf 60 pro Monat. „In den Entnahmekrankenhäusern gibt es derzeit eine gewisse Verunsicherung, was die Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls angeht, selbst bei denjenigen, die dafür qualifiziert sind“, stellte Rahmel fest. „Wir hoffen, die Kenntnisse und Fähigkeiten bei den Untersuchern wieder fördern zu können, denn diese Entwicklung, die sich hier abzeichnet, ist nicht das, was wir wollen.“

Gegen die Verunsicherung soll unter anderem eine Checkliste der DSO helfen, mit der alle Aspekte des Hirnfunktionsausfalls dokumentiert werden können. Für kleinere Krankenhäuser, die nicht die Kapazitäten für eigene Experten haben, „könnte bei den Landesärztekammern oder auch den verschiedenen Fachgesellschaften aber auch ein externes Expertenteam angesiedelt werden, um eine standardisierte Qualitätssicherung zu garantieren“, schlug Rahmel vor.

 
Insgesamt 18 Millionen Euro hat die DSO 2015/2016 für die Beauftragten auf die Entnahme- krankenhäuser verteilt. Thomas Biet
 

Wichtig allerdings sei, „die Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls komplett aus den DRGs herauszunehmen“, forderte der DSO-Vorstand, „damit keine finanziellen Disincentives entstehen, weil der Prozess doch aufwändig ist.“ Die entsprechenden Tests könnten auch im Beisein der Angehörigen vorgenommen werden, für die der Tod des Angehörigen dann oft besser nachvollziehbar sei.

Fortbildungen fördern Qualität der Organspende

Transparenz und Qualität sämtlicher Prozesse der Organspende sollen durch lückenlose Dokumentationen verbessert werden. Hierfür stellt die DSO Verfahrensanweisungen zur Verfügung. Auch Tätigkeits- und Qualitätsberichte der Transplantationszentren sind neuerdings für jedermann im Internet einsehbar und abrufbar.  

Um die Entnahmequalität weiter zu verbessern, hat die Stiftung gemeinsam mit der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) ein erstes Curriculum für viszerale Entnahmechirurgen entwickelt. Auch für Transplantationsbeauftragte existiert mittlerweile eine Fortbildung, die unter anderem Unterrichtseinheiten zur Feststellung des Hirntodes, zu rechtlichen und ethischen Fragestellungen, Angehörigenbegleitung sowie eine achtstündige Schulung in Gesprächsführung für die Angehörigengespräche enthält.

„Diese Ausbildung ist zwar noch nicht bundesweit einheitlich“, gab Prof. Dr. Björn Nashan, Direktor der Klinik für Hepatobiliäre Chirurgie und Transplantation am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, zu bedenken. „Die Strukturen sind nun aber da, wir müssen sie nur noch füllen.“ Entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung sei jedoch die Einbindung weiterer Fachgesellschaften, wie etwa der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmediziner (DIVI). Auch die Einrichtung eines Transplantationsregisters steht laut Nashan auf der Agenda der DSO.

 
50 Prozent der Pfleger fühlt sich nicht gut informiert über Organspenden. Da wollen wir ansetzen. Dr. Axel Rahmel
 

Noch gibt es viel zu tun

Die Novellierung des Transplantationsgesetzes im Jahr 2012 zeitigt erste Erfolge: In Deutschland wurden insgesamt 1.255 sogenannte Entnahmekrankenhäuser benannt, die offiziell Organe entnehmen dürfen. Von diesen wiederum wurden bislang 1.718 Transplantationsbeauftragte benannt – die direkten Ansprechpartner für die Experten der DSO, die als Koordinierungsstelle den Prozess einer Organspende beratend und aktiv begleiten.

„Insgesamt 18 Millionen Euro hat die DSO 2015/2016 für die Beauftragten auf die Entnahmekrankenhäuser verteilt“, rechnete Thomas Biet, Medizinökonom und Kaufmännischer Vorstand der DSO, vor. Diese Gelder allerdings, so hat eine Befragung gezeigt, kommen noch viel zu selten bei den Transplantationsbeauftragten an. „Sie verschwinden in der Klinik, ohne dass der Beauftragte etwa in Form von Fortbildungen davon profitiert“, so Biet. Das zu ändern, hat sich der Vorstand der DSO zur Aufgabe gemacht.

Und dann sind da noch die Pflegekräfte. „50 Prozent der Pfleger fühlt sich nicht gut informiert über Organspenden. Da wollen wir ansetzen“, postulierte Rahmel. Denn Pfleger sind oft die ersten Ansprechpartner für Angehörige, sie könnten also möglichst frühzeitig vorfühlen, über die Thematik informieren und die Angehörigen auch begleiten. Es wartet noch Einiges an Arbeit auf die DSO.

 

REFERENZEN:

1. 11. Jahreskongress der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), 5. bis 6. November 2015, Frankfurt/Main

Kommentar

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