Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA gibt Entwarnung: Offenbar gibt es keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Impfung gegen das Humane Papilloma Virus (HPV) und dem Auftreten des komplexen regionalen Schmerzsyndroms (CRPS) oder des posturalen orthostatischen Tachykardiesyndroms (POTS) [1].
Das Pharmakovigilanz-Komitee (PRAC) schloss jetzt dazu seinen am 9. Juli dieses Jahres auf Antrag von Dänemark begonnenen wissenschaftlichen Review ab. Das PRAC hatte verschiedene Daten analysiert, in denen von CRPS und POTS bei jungen Frauen im Zusammenhang mit der HPV-Impfung berichtet worden war.
Das Komitee nahm dazu die bislang publizierte Forschung unter die Lupe, zog klinische Studien und Berichte zu vermuteten Nebenwirkungen heran und wertete Daten aus, die die Mitgliedsstaaten bereitgestellt hatten. Es konsultierte eine Gruppe führender Experten und bezog auch Informationen von einigen Patientengruppen mit ein, die vor allem den Einfluss, die diese Syndrome für Patienten und Familien haben, deutlich machten.
Der Review kommt zu dem Schluss, dass die Datenlage keine kausale Verbindung zwischen den Impfstoffen (Cervarix®, Gardasil®/Silgard und Gardasil-9®) und der Entwicklung von CRPS oder POTS nahelegt. Somit bestehe kein Grund, die Art der Verabreichung der Vakzine zu ändern oder die gegenwärtige Produktinformation zu ergänzen.
Chronisches Schmerzsyndrom und posturale Tachykardie unabhängig von Impfungen
CRPS ist ein chronisches Schmerzsyndrom der Gliedmaßen. Beim POTS steigt die Herzfrequenz abnormal an während man sitzt oder aufsteht, damit einher gehen Schwindel, Ohnmacht, Schwächegefühl, Kopfschmerzen, Übelkeit und Fatigue. Bei manchen Patienten ist die Lebensqualität stark beeinträchtigt.
Die Syndrome treten in der gesamten Bevölkerung auf, auch bei Adoleszenten und unabhängig von Impfungen. Weil die Symptome unspezifisch sind, ist die Diagnose sowohl für die Gesamtbevölkerung als auch für die geimpften Patienten schwierig zu stellen. Schätzungen legen nahe, dass in der Gesamtpopulation unter einer Million Mädchen und jungen Frauen zwischen 10 und 19 rund 150 jedes Jahr ein CRPS entwickeln und rund ebenso viele ein POTS.
Das PRAC fand keine Evidenz, dass sich die Gesamtraten dieser Syndrome bei geimpften Mädchen von den zu erwartenden Raten in der Altersgruppe unterscheiden, auch wenn eine mögliche Dunkelziffer berücksichtigt wird. Auch könnten sich Symptome von CRPS und POTS mit denen des chronischen Fatigue Syndroms (CFS) überschneiden. In vielen Berichten, die in den Review einflossen, wiesen die Patienten Symptome mit CFS-Merkmalen auf und einige hatten sowohl die Diagnose POTS als auch CFS. Vor diesem Hintergrund seien die Ergebnisse einer großen publizierten Studie bedeutsam, die keinen Zusammenhang zwischen der HPV-Impfung und CFS zeigten, hebt das PRAC hervor.
Nach ihrer Zulassung wurden die Impfstoffe in die Immunisierungsprogramme vieler Länder aufgenommen. Wie die EMA mitteilt, sind mehr als 80 Millionen Mädchen und Frauen weltweit gegen HPV geimpft und in manchen europäischen Ländern wurden 90% der Altersgruppe, für die die Impfung empfohlen ist, geimpft. Man hofft, dadurch viele Fälle von Zervixkarzinomen und anderen Krebsarten verhindern zu können.
In der EU sind die Impfstoffe unter den Namen Gardasil®, Gardasil 9® und Cervarix® verfügbar. Gardasil® ist seit September 2006 für Jungen und Mädchen zur Prävention von Prä-Kanzerosen im Genitalbereich, Zervixkarzinomen und Genitalwarzen zugelassen. Es schützt vor den HPV-Typen 6, 11, 16 und 18. Gardasil 9® (zugelassen im Juni 2015) hat die gleiche Indikation, schützt aber vor 9 Virustypen: 6, 11, 16, 18, 31, 33, 45, 52 und 58. Cervarix® ist seit September 2007 zur Impfung von Frauen und Mädchen zugelassen und schützt vor den Virustypen 16 und 18.
Das PRAC kommt zu dem Schluss, dass der Benefit der HPV-Impfung die Risiken überwiegt. Die Sicherheit der Vakzine werde weiterhin sorgfältig überwacht, teilte die EMA mit. Die Empfehlungen des PRAC werden jetzt im Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) diskutiert.
REFERENZEN:
Diesen Artikel so zitieren: HPV-Impfstoffe rehabilitiert: EMA-Experten stellen keinen Kausalzusammenhang zu chronischem Schmerz oder Tachykardien her - Medscape - 6. Nov 2015.
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