Umfassende Metaanalyse bestätigt: Fettarm ist nicht unbedingt die beste Option zum Abnehmen

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

5. November 2015

Eine neue Metaanalyse bestätigt, was Ernährungsexperten schon lange vermuten: Wer abnehmen will, muss die Energieaufnahme reduzieren – und dabei scheint es relativ egal, ob am Fettgehalt der Nahrung oder am Kohlenhydratanteil gespart wird. Bislang wird häufig noch die Fettreduktion als „wirksamer“ empfohlen – dies oft mit der Argumentation, dass mit einem Gramm Fett 9,3 kcal eingespart werden, mit der gleichen Menge Kohlenhydrate bzw. Protein aber nur 4,1 kcal.  

Prof. Dr. Matthias Blüher

Für Patienten ist die Erkenntnis der Metaanalyse, dass Low Carb eher sogar effektiver als die Fettreduktion ist, eine gute Nachricht, denn sie erlaubt eine viel individuellere Ernährungstherapie. „Dem einen fällt es leichter Fett zu reduzieren, der andere spart lieber an den Kohlenhydraten“, sagt Prof. Dr. Matthias Blüher, Vizepräsident der Deutschen Adipositas Gesellschaft,im Gespräch mit Medscape Deutschland. „Und Energie lässt sich durch beide Ernährungsweisen einsparen.“

In ihrer Metaanalyse haben Dr. Deirdre K. Tobias und ihre Koautoren vom Brigham and Women’s Hospital und der Harvard Medical School in Boston geprüft, wie wirksam eine Fettreduktion in der Ernährung ist. „Seit Jahrzehnten wird über die Effektivität fettreduzierter Diäten im Hinblick auf eine langfristige Gewichtsreduktion diskutiert“, schreiben die Präventionsmediziner in Lancet Diabetes & Endocrinology [1].

 
Die Vorstellung, dass ein bestimmter Nahrungsmittelbestandteil bestimmt, ob jemand übergewichtig wird oder abnimmt, rückt immer mehr in den Hintergrund. Dr. Kevin D. Hall
 

„Unser Ziel war es, die Gesamtheit der Evidenz zusammenzufassen und so zu ermitteln, ob fettreduzierte Diäten zu einem größeren Gewichtsverlust führen als die normale Ernährung der Teilnehmer, Diäten mit niedrigem Kohlenhydratanteil oder andere Diäten mit höheren Fettanteilen.“ Studien mit Nahrungsergänzungsmitteln oder Mahlzeitenersatzpräparaten wurden nicht in die Analyse eingeschlossen.

Energiegehalt ist entscheidend, nicht einzelne Nahrungsbestandteile

Berücksichtigt wurde auch die Intensität der Ernährungsinterventionen, die von simplen Broschüren oder Anweisungen zu Beginn des Programms reichten bis hin zu intensiven, aus mehreren Komponenten bestehenden Programmen mit Beratungsterminen, Treffen mit Ernährungsberatern, Ernährungsprotokollen und Kochunterricht.

Ergebnis der Metaanalyse von 53 Studien mit insgesamt mehr als 68.000 Teilnehmern: Fettarme Diäten führen auf lange Sicht (mindestens über ein Jahr) nicht zu einer stärkeren Gewichtsreduktion als Diäten mit höherem Fettgehalt (z.B. Low Carb oder die Mittelmeerdiät) bei gleicher Kalorienreduktion.

 
Was auf jeden Fall klar zu sein scheint, ist, dass die langfristige Adhärenz grottenschlecht ist. Dr. Kevin D. Hall
 

Ein gegenüber der Kontrollgruppe größerer Gewichtsverlust konnte mit fettreduzierten Diäten nur erzielt werden, wenn die Teilnehmer in der Kontrollgruppe ihre normale Ernährungsweise fortführten. Dann ließen sich mittlere Gewichtsabnahmen von 5,41 kg erzielen. Im Vergleich zu Diäten mit niedrigem Kohlenhydratanteil schnitten fettreduzierte Ernährungsweisen zwar schlechter ab, doch der Unterschied war mit im Mittel 1,15 kg Gewichtsreduktion mehr durch Low-Carb-Diäten relativ gering.

Kohlenhydratrestriktion nur mit „minimalem“ Vorteil

Die Autoren um Tobias kommen zu dem Schluss, dass fettreduzierte Diäten zur langfristigen Gewichtsreduktion nicht besser sind als andere Interventionen. „Die Analyse erlaubt aber – entgegen dem noch immer vorherrschenden Trend zu Low-Carb-Kost – auch den Schluss, dass kohlenhydratarme Diäten nicht viel besser sind als andere Diäten“, sagt Blüher, der am IFB AdipositasErkrankungen in Leipzig die Adipositasambulanz für Erwachsene leitet. Hinzu komme, dass es Patienten häufig schwerer falle, kohlenhydratarme Diäten durchzuhalten als fettarme Ernährungsweisen.

Und auch Dr. Kevin D. Hall vom National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases in Bethesda betont in einem Kommentar: „Bevor man nun die Überlegenheit von Diäten mit niedrigem Kohlenhydratgehalt zur Behandlung von Adipositas verkündet, sollte man das Ausmaß des Nutzens berücksichtigen: Teilnehmer, die eine kohlenhydratreduzierte Diät durchführten, nahmen über ein Jahr gerade einmal etwa 1 kg mehr ab als Teilnehmer, die andere, fettarme Diäten verschrieben bekommen hatten. Das ist zwar statistisch signifikant, aber klinisch ist ein solch minimaler Unterschied bedeutungslos.“ [2]

 
Individuelle, auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmte Ernährungsempfehlungen können dabei helfen, eine Diät langfristig durchzuhalten und danach das erreichte Gewicht zu halten. Prof. Dr. Matthias Blüher
 

Abnehmen funktioniert oft, aber kaum einer hält das Gewicht

„Die Vorstellung, dass ein bestimmter Nahrungsmittelbestandteil bestimmt, ob jemand übergewichtig wird oder abnimmt, rückt immer mehr in den Hintergrund“, konstatiert Hall. Es komme vielmehr auf die Gesamtkalorienzahl und die Energiedichte der Nahrungsmittel an. „Der Grundfehler in vielen Ernährungstherapien ist die Annahme, dass es eine einfache Therapiemöglichkeit für Übergewicht und Adipositas gibt. Aber das Problem ist weniger das Abnehmen, sondern das dauerhafte Halten des niedrigeren Gewichts.“

Auch die Metaanalyse von Tobias und ihren Kollegen bestätige dieses Problem: „Unabhängig von der zugewiesenen Ernährungsweise war der durchschnittliche Gewichtsverlust von 3,75 kg über ein Jahr nicht beeindruckend“, schreibt Hall. „Wahrscheinlich ließ die Adhärenz der Teilnehmer schon lange vor der 1-Jahres-Marke nach. Üblicherweise erreichen ambulante Gewichtsreduktionsstudien ihren maximalen Gewichtsverlust nach sechs bis acht Monaten, danach nehmen die Teilnehmer wieder zu.“

„Grottenschlechte“ Adhärenz

„In ambulante, randomisiert-kontrollierte Studien, die verschiedene Ernährungsempfehlungen miteinander vergleichen, ist enorm investiert worden, doch was noch viel mehr erforscht werden muss, sind Faktoren, die die Adhärenz gegenüber Ernährungsempfehlungen und damit den langfristigen Erhalt eines niedrigeren Gewichts beeinflussen“, betont Hall. „Denn was auf jeden Fall klar zu sein scheint, ist, dass die langfristige Adhärenz grottenschlecht ist.“

„Individuelle, auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmte Ernährungsempfehlungen können dabei helfen, eine Diät langfristig durchzuhalten und danach das erreichte Gewicht zu halten“, sagt Blüher. „Deshalb ist es von Vorteil, dass es nicht die eine wirksame Strategie, wie Low Carb oder Low Fat, für Übergewicht zu geben scheint, sondern dass viele Wege ans Ziel führen – von denen der Patient sich einen für ihn geeigneten aussuchen kann.“

 

REFERENZEN:

1. Tobias DK, et al: Lancet Diebetes & Endocrinology (online) 29. Oktober 2015

2. Hall KD: Lancet Diabetes & Endocrinology (online) 29. Oktober 2015

Kommentar

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