„Neue Ära“ der Hodgkin-Lymphom-Therapie: Rezidiv und Refraktion gezielter angehen als bisher

Michael Simm

Interessenkonflikte

3. November 2015

Basel – „Es braucht Zeit und es braucht Leidenschaft, um die Ergebnisse für Patienten mit einem Hodgkin-Lymphom zu verbessern“, erklärte Prof. Dr. Peter Borchmann von der Klinik I für Innere Medizin an der Universitätsklinik in Köln auf einem wissenschaftlichen Symposium, das – ohne Fragezeichen – „Eine neue Ära in der Therapie” dieses Leidens ankündigt hatte.

Hoffnungen verbinden einige Hämatologen in dieser Indikation mit Brentuximab-Vedotin, das im Mittelpunkt von Borchmanns Vortrag auf der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Fachgesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie in Basel stand [1]. Borchmann, der gleichzeitig als Sekretär für die Deutsche Hodgkin Studiengruppe (DHSG) tätig ist, verwies auf die mittlerweile über 15.000 randomisierten Patienten in den mehr als 30 Jahren, in denen die DHSG sich nun schon mit der Optimierung von Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Hodgkins-Lymphoms befasst.

Brentuximab-Vedotin ist ein Konjungat aus einem monoklonalen Anti-CD30-Antikörper und dem gegen Tubulin gerichteten Zytostatikum Monomethyl-Auristatin E. Der Antikörper bindet an die CD30-positiven Tumorzellen, wo der gesamte Komplex internalisiert und das Zytostatikum schließlich in den Lysosomen abgespalten wird. Als Spindelgift gehört Monomethyl-Auristatin E in die gleiche Klasse von Zytostatika wie Vinblastin oder die Taxane. Durch die „Anlieferung“ mittels eines monoklonalen Antikörpers handelt es sich aber um eine zielgerichtete Immuntherapie.

Neue Hoffnung trotz Rezidiv

Schlagzeilen machte das neue Präparat erstmals mit einer im Jahr 2012 veröffentlichten Phase 2-Studie. Damals waren 102 Patienten mit einem Rezidiv nach einer Stammzelltransplantation behandelt worden. 94% erzielten eine Tumorreduktion, 34% hatten komplette Remissionen und die Behandlung mit intravenösen Gaben alle 3 Wochen hatte sich außerdem als vergleichsweise gut verträglich erwiesen. In einer weiteren Publikation zu derselben Studie zeigte sich, dass nach medianen 53,3 Monaten 47% der Patienten weiterhin progressionsfrei waren.

Es braucht Zeit und es braucht Leidenschaft, um die Ergebnisse für Patienten mit einem Hodgkin-Lymphom zu verbessern. Prof. Dr. Peter Borchmann

Wie Borchmann berichtete, sorgt man sich vor allem um Patienten mit einem primär refraktären oder rezidivierten Hodgkin-Lymphom, das sind etwa 15 bis 20% aller Betroffenen. Ihre Prognose ist ungünstig, nur etwa die Hälfte von ihnen kann derzeit geheilt werden, und für Patienten mit mehreren Risikofaktoren sieht es noch schlechter aus. 3 verschiedene Strategien werden aktuell für diese Patienten erprobt; sie laufen alle auf eine Intensivierung der Therapie hinaus.

Die so genannte französische Strategie besteht in einer Doppel-Transplantation autologer Stammzellen, bereits 2008 wurden erste Ergebnisse vorgestellt. Damals erreichte man nach 5 Jahren für Hochrisikopatienten mit primär refraktärer Krankheit und mindestens 2 Risikofaktoren ein Gesamtüberleben von 53%.

In den USA setzt man dagegen aktuell auf die PET-geleitete „second salvage“-Therapie. Hier hatte eine Phase-2-Studie von Moskowitch und Kollegen ergeben, dass jene Patienten klare Überlebensvorteile haben, deren Befunde in der Positronenemmissionstomografie (PET) vor einer hochdosierten Radiochemotherapie und autologer Stammzelltransplantation unauffällig waren. Das individuelle Ansprechen auf die Therapie kann demnach mit Hilfe der PET frühzeitig erfasst werden und bei negativem Outcome die Entscheidung zu einer second salvage-Chemotherapie mit nicht kreuzresistenten Wirkstoffen nahe legen.

Die FDA hat die Zulassung für die Secondline-Therapie erteilt, von der EMA wird sie für das kommende Jahr erwartet. Prof. Dr. Peter Borchmann

Die dritte Strategie zur Intensivierung der Therapie wurde in der kürzlich veröffentlichten Phase-3-Studie AETHERA mit 329 Patienten erprobt. Brentuximab-Vedotin (BV) wurde dabei nach der autologen Stammzelltransplantation zur Konsolidierung eingesetzt und konnte die Zeit bis zum nächsten Rezidiv signifikant verlängern. Median betrug das progressionsfreie Überleben in der BV-Gruppe 42,9 Monate, in der Kontrollgruppe waren es 24,1 Monate.

Zulassung als Zweitlinientherapie in USA, für Europa erwartet

Schon nach 4 Monaten hatten sich die Überlebenskurven in dieser Studie deutlich zugunsten von BV unterschieden. Nach 3 bis 4 Jahren hatten sie sich allerdings wieder stark angenähert; das Gesamtüberleben war nach diesem Zeitraum mit 81% vs. 79% fast identisch. Als häufigste Nebenwirkungen waren unter BV Polyneuropathien und Neutropenien aufgetreten. „Die FDA hat aufgrund dieser Daten die Zulassung für die Secondline-Therapie erteilt, von der EMA wird sie für das kommende Jahr erwartet“, so Borchmann.

Als Firstline-Therapie beim fortgeschrittenen Hodgkin-Lymphom wird BV derzeit in den beiden Studien Echolon 1 und HD21 erprobt. „Hier wird das Kosten-Nutzen-Verhältnis eine entscheidende Rolle spielen“, sagte Borchmann voraus.

Ebenfalls als Firstline-Therapie, aber beim frühen Hodgkin-Lymphom mit günstiger Prognose werde man bei der DHSG außerdem eine Phase-2-Studie starten, kündigte Borchmann an. Hier soll dann getestet werden, ob das neue Präparat geeignet ist, entweder die Chemotherapie mit Adriamycin, Bleomycin, Vinblastin und Dacarbacin (ABVD) oder die Strahlentherapie zu ersetzen.

REFERENZEN:

1. Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Fachgesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie, 9. bis 13. Oktober 2015, Basel

Kommentar

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