Schon im Frühjahr hatte das Landgericht München das Zusatz-Angebot „Top-Platzierungen“ des Ärzteempfehlungsportals Jameda für „irreführend“ erklärt (Az. 37 O 19570/14). Es war für die Richter nicht eindeutig erkennbar, dass es sich bei denjenigen, die oben auf der Liste erschienen, nicht um Teilnehmer beim Ärzte-Ranking handelte, sondern um eine gekaufte Anzeige.
Jameda ging im Oktober in Berufung. Die Verhandlung in der zweiten Instanz dauerte allerdings nur knapp eine halbe Stunde, wie der Pressesprecher des Oberlandesgerichts (OLG) für Zivilsachen Wilhelm Schneider gegenüber Medscape Deutschland sagte. Nachdem der Richter zu verstehen gab, dass die Berufung kaum Erfolg haben werde, zog Jameda diese zurück und veränderte am selben Tag noch seine Online-Seite. Die über dem normalen Ranking platzierten Ärzte sind nun eindeutig gekennzeichnet mit „Anzeige“ – und nicht mehr mit „Premium-Partner“.
Die Wettbewerbszentrale, ein Verein zur Durchsetzung des Rechts gegen unlauteren Wettbewerb, hatte das Portal, verklagt, das damit wirbt, „Deutschlands größtes Arztempfehlungsportal“ zu sein.
Ärzte standen oben auf der Liste, weil sie gezahlt hatten
„Bei Premium-Partner könnte man denken, es handelt sich um einen besonders prämierten oder guten Arzt“, erklärt der Rechtsanwalt Dr. Stefan Eck, der die Wettbewerbszentrale in dem Verfahren vertreten hat, gegenüber Medscape Deutschland. Bestimmte Ärzte hätten jedoch nur oben auf der Liste gestanden, weil sie dafür gezahlt hätten. „Gerade der Gesundheitsbereich ist ein sensibler Bereich. Es muss klar sein, ob es sich um bezahlte Werbung handelt“, betont Eck.
Werde hier ein Verbraucher in die Irre geführt und wähle z.B. einen Arzt auf der Basis falscher Annahmen aus, habe dies möglicherweise Konsequenzen für sein Wohl. „Es geht bei solchen Portalen eben nicht darum, ein Auto zu kaufen oder mir die Wohnung streichen zu lassen“, so der Rechtsanwalt.
Richter: Falsches Bild über Qualität des Arztes wird erzeugt
Das Argument von Jameda, der Leser sei damit vertraut, dass im Internet nicht nur die Besten oben stünden – ähnlich wie bei Suchmaschinen zur Immobilien-Suche – hatten auch schon die Richter des Landgerichts nicht gelten lassen. Sie folgten vielmehr der Argumentation des Klägers, dass es sich bei der Webseite von Jameda um ein über ein reines Suchportal hinausgehendes Bewertungs- und Empfehlungsportal handele, das mit einem reinen Suchportal nicht vergleichbar sei.
Das spezielle Angebot „Topplatzierungen“ kam zustanden, wenn der Nutzer keine Suchparameter eingegeben hatte. Suchte der Nutzer also nach einem Arzt einer bestimmten Fachrichtung – ohne weitere Differenzierung – erschien eine als „Premium-Partner“ bezeichnete gekaufte Anzeige, die zudem hellgrün unterlegt wurde – im Gegensatz zu den übrigen Ergebnissen, die weiß gestaltet waren. In einer blauen Blase war zudem noch ein Sternchen zu sehen. Damit habe man die Top-Platzierung noch besonders hervorgehoben und dies könne ein falsches Bild über die Qualität des Arztes erzeugen, urteilte das Landgericht.
Erst wenn man mit der Maus über das Wort „Premium-Partner“ strich, wurden Hinweise über den Werbecharakter der Top-Platzierungen gegeben. Der Mouseover-Effekt sei jedoch zur Aufklärung ungeeignet und unzureichend, heißt es im Urteil des Landgerichts: „Gibt eine Webseite keinen konkreten Anlass dazu, mit dem Cursor über bestimmte Begriffe zu fahren, um deren Bedeutung zu erfahren, ist nicht ausreichend sichergestellt, ob der Nutzer den Link überhaupt wahrnimmt, vielmehr ist die Wahrnehmung vom Zufall abhängig“, so die Begründung.
Begriff „Premium-Partner“ ist mehrdeutig
Die Richter folgten der Argumentation von Jameda auch nicht, dass der Begriff Premium-Partner geeignet sei, um zu erkennen, dass es sich um Werbung handele. Der Begriff sei mehrdeutig und nicht unbedingt jedem als Begriff aus dem Sponsoring bekannt. Die Internetseite sei vielmehr so gestaltet, dass ein verständiger Verbraucher nicht wissen könne, dass die auf der Internetseite abrufbaren Ergebnislisten durch den Kauf manipuliert seien.
„Nach dem Grundsatz der Trennung von Werbung und redaktionellem Teil muss der werbende Charakter einer Angabe auf den ersten Blick erkennbar sein, nicht erst nach der analysierenden Lektüre des entsprechenden Beitrages“, befand das Landgericht. Werden neben redaktionellen Berichten Anzeigen veröffentlich, die diese in der Aufmachung (Gestaltung, Farbgebung und Überschriften) gleichen, müssten diese sogar besonders deutlich als Anzeige gekennzeichnet werden.
Jameda: Täuschung war nicht Absicht
Die PR- und Marketing-Managerin von Jameda, Kathrin Kirchler, betont gegenüber Medscape Deutschland, dass man das Format geändert und die Top-Platzierungen nun ausdrücklich mit „Anzeige“ gekennzeichnet habe, so dass es jeder verstehe. „Es war nie die Absicht von Jameda, Nutzer des Portals darüber hinwegzutäuschen, dass es sich bei der ‚Top-Platzierung‘ um einen kostenpflichtigen Eintrag handelt“, hatte das Unternehmen zudem mitgeteilt.
Der kostenpflichtige Eintrag sei bisher für Suchanfragen in nur wenigen Städten gebucht worden. Außer durch die Kennzeichnung als „Anzeige“ unterscheide sich die „Top-Platzierung“ wie schon zuvor durch weitere Merkmale von der darunter liegenden Ergebnisliste: So sei sie farblich hinterlegt, verzichte auf Angabe eines Ranking-Platzes, die Durchschnittsnote und weitere Elemente der Suchergebnisliste. Auch könne der Nutzer an dieser Stelle keine Bewertung für den jeweiligen Arzt abgeben.
Dagegen handele es sich bei Ergebnisliste unter der „Top-Platzierung“ um eine Rangliste der am besten bewerteten Ärzte nach bestimmten Suchkriterien. „Eine Platzierung an dieser Stelle ist nicht käuflich zu erwerben und erfolgt ausschließlich aufgrund der Durchschnittsnoten der Ärzte und der Anzahl ihrer Bewertungen“, betonte Jameda.
Nach Angaben des Unternehmens hat das Internetportal zirka 5 Millionen User im Monat. Die Datenbasis bilden bundesweit 275.000 Ärzte. Jameda ist eine Tochter der „Tomorrow Focus AG“ mit Hubert Burda Media als Hauptaktionär.
Diesen Artikel so zitieren: Gekaufte „Top-Platzierungen“ von Ärzten: Die Wettbewerbszentrale klagt erfolgreich gegen Jameda - Medscape - 28. Okt 2015.
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