Haben die Brasilianer die Filzlaus zur bedrohten Spezies gemacht?

Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

14. Oktober 2015

Kopenhagen – Sind Filzläuse eine bedrohte Spezies? Diese Frage diskutierte Prof. Dr. Helle Kiellberg Larsen, Universitätsklinik Kopenhagen, in ihrer Präsentation beim 24. Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV) 2015 in Kopenhagen. Der Grund für den Rückgang ist bei der Filzlaus ähnlich wie bei anderen bedrohten Tierarten: Ihr Lebensraum wird immer weiter beschnitten – und dies hier nicht nur im übertragenen Sinn.

„Es gibt Hinweise aus aktuellen Studien, dass die Schamhaarentfernung für den Rückgang des Filzlausbefalls verantwortlich ist. Allerdings stammen alle diese Studien aus westlichen Ländern“, erläuterte Larsen. Zudem stammten alle Daten dazu aus Kliniken für Geschlechtskrankheiten. Und: Ganz so trübe sieht die Situation für die Filzlaus auch nicht aus. Denn je nach Mode können ihr bei Enthaarungs-Mustern wie Landing Strip, Triangle oder Freestyle noch Rückzugsgebiete und ausreichend Schamhaare zum Überleben bleiben.

Filzläuse (Phtirus pubis), wegen ihrer ausgeprägten Beine auch als „Crab“ oder „Crab louse“ bezeichnet, sind 0,8 bis 1,2 mm groß und befallen, eben wegen des von ihnen bevorzugten Habitats, vorwiegend Heranwachsende und Erwachsene. Im Durchschnitt lebt eine Filzlaus 14 Tage – ohne Kontakt zum Menschen stirbt sie allerdings bereits nach 24 Stunden.

Zwar hält sich die Filzlaus vorwiegend in der Schambehaarung auf, sie kann aber auch Haare in den Achselhöhlen oder die Wimpern befallen. Und: Filzlausbefall gilt zwar als sexuell übertragene Krankheit, jedoch häufiger werden Filzläuse durch Kleidungsstücke, Handtücher oder Bettwäsche übertragen.

 
Die Abnahme des Filzlausbefalls bei Frauen scheint um das Jahr 2000 besonders deutlich zu sein und deckt sich mit der Einführung von intensiven Enthaarungstechniken wie dem Brazilian Waxing. Dr. Nicola Armstrong und Dr. Janet Wilson
 

Filzläuse agieren global – ihre Inzidenz ist sehr schwer anzugeben, Larsen schätzte die weltweite Inzidenz auf 2%. Nach aktuellen Studien nimmt die Inzidenz jedoch stark ab. Schon im Jahr 2006 haben Dr. Nicola Armstrong und Dr. Janet Wilson aus Leeds die Hypothese aufgestellt, dass die Schamhaarentfernung für die abnehmende Häufigkeit des Filzlausbefalls verantwortlich sein könnte.

In ihrer Publikation „Did the Brazilian kill the pubic louse?“ wiesen sie darauf hin, dass von 1997 bis 2003 Chlamydieninfektonen und Gonorrhö eher zugenommen haben, der Filzlausbefall jedoch deutlich rückläufig war. „Die Abnahme des Filzlausbefalls bei Frauen scheint um das Jahr 2000 besonders deutlich zu sein und deckt sich mit der Einführung von intensiven Enthaarungstechniken wie dem Brazilian Waxing“, schreiben die Sexualmedizinerinnen.

Die Frage „Sind Filzläuse eine bedrohte Spezies?“ versuchten Dr. Shamik Dolakia und Kollegen in einer im Juni 2014 publizierten Arbeit zu beantworten. Ihre Untersuchung ergab, dass die Inzidenz des Filzlausbefalls zwischen 2003 und 2013 kontinuierlich von 1,82 auf 0,07% gefallen ist. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Personen, die sich die Schamhaare entfernten, von 33 auf 87%. Bei den Personen mit dokumentiertem Filzlausbefall hatten sich 94% die Schamhaare nicht entfernt.

Es gibt also in neuen Untersuchungen deutliche Hinweise darauf, dass die Schamhaarentfernung den Filzläusen eine wichtige Lebensgrundlage entzieht und ein Filzlausbefall damit seltener wird. Allerdings gilt dies bislang nur für westliche Länder. In Entwicklungsländern sind die Menschen primär mit dem Überlebenskampf beschäftigt und haben weniger Zeit, sich mit ästhetisch-kosmetischen Fragen wie der Schamhaarentfernung zu befassen, so dass die Filzlaus dort noch gute Überlebensbedingungen vorfindet.

Und ganz aussterben wird sie wohl auch in den westlichen Ländern nicht, denn laut Larsen entfernen nicht einmal die Hälfte der Frauen tatsächlich die gesamte Schambehaarung – bei den übrigen bleibt ein Rest stehen, der dieser bedrohten Tierart eventuell noch ein ausreichendes Habitat bietet.

 

REFERENZEN:

1. 24. Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 7. bis 11. Oktober 2015, Kopenhagen

Kommentar

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