
Dr. Christa De Cuyper
Kopenhagen – „Wir brauchen eine Positivliste von sicheren Inhaltsstoffen. Tattoo-Tinten sollten mindestens den gleichen Anforderungen unterliegen wie Kosmetika“, postulierte Dr. Christa De Cuyper, AZ Sint-Jan AV Hospital, Brügge, Belgien, beim 24. Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV) in Kopenhagen. Die häufigsten Probleme nach Tätowierung und Piercing seien Infektionen, Allergien und der Wunsch nach Entfernung des Körperschmucks, berichtete die Dermatologin.
Schon immer habe der Mensch danach gestrebt, seinen Körper zu schmücken. Body Art umfasse eine Vielzahl von Techniken, wie Körperbemalung oder Henna-Tattoos, aber auch permanent auf oder an dem Körper bleibende „Kunstwerke“ wie Tätowierungen, permanentes Make-up oder Piercings, erläuterte die Dermatologin, die sich seit vielen Jahren mit diesem Gebiet befasst.
Tätowierungen sind „in“. Tattoo- und Piercing-Studios gehören zu den am schnellsten wachsenden Geschäftszweigen auf der Welt. Nach Angaben von De Cuyper sind 10% der Bevölkerung tätowiert, bei jungen Menschen sind es mehr als 30%. Während Männer sich bevorzugt an sichtbaren Stellen und großflächig tätowieren lassen, bevorzugen Frauen eher kleiner Tattoos an weniger gut sichtbaren Stellen.
Zum Hautarzt kommen die so Geschmückten vor allem wegen Infektionen, Allergien und 20% mit dem Wunsch, den Schmuck wieder loszuwerden.
Häufig Infektionen
Infektionen sind häufig, denn die Prozedur zerstört die Hautbarriere. Sie können in allen Schweregraden auftreten. Die möglichen Quellen der bakteriellen oder viralen Infektionen sind vielfältig: So können sie durch die Hygiene am Behandlungsort, den Tätowierer, die Hautflora des Kunden oder Tätowierungsmaterialien verursacht werden. Im August 2014 warnte die Food and Drug Administration (FDA) vor einer mikrobiologischen Kontamination in Tattoo-Tinte, der Hersteller rief die Produkte zurück. Die FDA vermutet jedoch, dass die Tätowierer die Tinte weiter verwenden.
Nach Aussage von De Cuyper haben sich die Tätowierer in den letzten Jahren in hygienischer Hinsicht verbessert, Infektionen durch die üblichen Erreger seien seltener geworden. Zunehmend beobachtet sie jedoch schwierig zu behandelnde Infektionen, die oft erst Wochen oder Monate nach dem Tätowieren auftreten und damit auch viel schwieriger zu erkennen sind.
Schwerwiegendes Problem: Allergien
Toxische Reaktionen und Allergien sind weitere Probleme, die beim Hautarzt landen. Vor allem „Allergien sind ein wirklich schwerwiegendes Problem“, so De Cuyper. „Der Grund der Allergie befindet sich in der Haut, und er bleibt in der Haut“, erläuterte sie. Es lasse sich nicht vorhersagen, ob eine Person allergisch auf eine Tinte reagiere.
Auch das für vorübergehende Tattoos eingesetzte Henna und vor allem das als Black-Henna eingesetzte Gemisch lösen viele Allergien aus. Die von einer solchen Allergie betroffenen Menschen könnten dann auch keine Haarfärbemittel mehr verwenden, weil diese Henna enthalten. De Cuyper weiter: „Vermeiden sie rot – rote Farbe macht viele Probleme.“
Tinten sind nicht sicher
De Cuyper sieht in der Sicherheit der Tinten ein Problem. Schwermetalle wie Quecksilber und Cadmium sind zwar nicht mehr enthalten, dafür werden vermehrt Azofarbstoffe eingesetzt. Beim Abbau der Azofarbstoffe in der Haut können mutagen und toxische wirkende Produkte entstehen. Als Ausgangsmaterial für die Tinten werden keine für die Anwendung am Menschen vorgesehenen Produkte verwendet, sondern Produkte für die industrielle Produktion, beispielsweise Textilfarben. Hier seien noch viele Fragen und Probleme zu lösen.
Der Europarat hat zwar Anforderungen an die mikrobiologische Sicherheit und Hygiene formuliert, die jedoch rechtlich nicht verbindlich sind. Sie bilden die Basis für nationale Regelungen, die aber in den meisten Mitgliedsstaaten noch nicht umgesetzt sind.
In Deutschland gilt seit dem 1. Mai 2009 die Tätowiermittelverordnung, die allerdings keine Positivliste für Tätowiermittel ist. Sie berücksichtigt keine der in den Resolutionen des Europarates geforderten Regelungen zu hygienischen Anforderungen der Produkte, sondern listet nur auf, welche Stoffe nicht verwendet werden dürfen – eine Negativliste, heißt es in einer Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung.
„Wir brauchen eine Positivliste von sicheren Farb- und Inhaltsstoffen“, betonte De Cuyper. „Die Tinten müssen auf ihr toxisches und phototoxisches Potential, ihre Kanzerogenität und ihre Verstoffwechslung getestet werden.“
Ein Fünftel ist mit dem Tattoo unzufrieden
„Vergessen wir nicht, dass rund 20 Prozent der Personen ihre Entscheidung für eine Tätowierung bedauern und sie gerne rückgängig machen würden“, sagte De Cuyper. Als Gründe hierfür nannte sie, dass den betroffenen Personen das Tattoo, die Form, Farbe oder Platzierung nicht mehr gefalle, dass sie den Freund gewechselt hätten, dessen Name auf dem Körper verewigt sei, oder dass ein permanentes Make-up schlecht gemacht sei.
„Um dies und Komplikationen zu vermeiden, bestehe ich darauf, dass eine Tätowierung eine gut überlegte Entscheidung sein muss, die durch einen geübten Tätowierer unter hygienischen Bedingungen mit sicheren Geräten und Materialien durchgeführt wird“, so das Fazit von De Cuyper.
REFERENZEN:
Diesen Artikel so zitieren: Tattoos und Piercing: Körperschmuck mit Risiken - Medscape - 13. Okt 2015.
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