Hamburg –Männer, die nach einer radikalen Prostatektomie unter Belastungsinkontinenz leiden, kann möglicherweise geholfen werden: Die Korrekturschlinge Schlinge AdVance®XP (Hersteller American Medical Systems, AMS) erwies sich in einer prospektiven Multicenterstudie als wirksam und sicher. Die 2-Jahres-Ergebnisse der auf 5 Jahre angelegten Studie stellte Dr. Markus Grabbert, Assistenzart an der Urologischen Klinik und Poliklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München, auf dem Urologenkongress in Hamburg vor [1]. „Ziel unserer Arbeit war, die Effektivität und Sicherheit der Korrektur-Schlinge zu evaluieren“, berichtete Grabbert.
Pro Jahr werden in Deutschland 22.000 bis 23.000 radikale Prostatektomien durchgeführt. „Bei zehn bis zwanzig Prozent der Patienten bleibt danach eine persistierende Inkontinenz bestehen, viele werden nicht weiter behandelt“, erklärte Grabbert auf Nachfrage von Medscape Deutschland.
Bessert sich die Belastungsinkontinenz unter konservativer Therapie (Beckenbodentraining plus Biofeedback, Beckenbodentraining plus Duloxetin, Elektrostimulation, Magnetfeldstimulation) nicht, wird versucht, den Patienten operativ zu helfen. Minimal-invasiv werden dabei teils adjustierbare teils nicht-adjustierbare Schlingensysteme wie das Advance®-Band implantiert, die auf dem Prinzip einer Kompression der Urethra beruhen.
Die Überlegung dabei ist, dass es bei zahlreichen Patienten während der OP nicht zu einer direkten Verletzung des Schließmuskels kommt, sondern die Entfernung der Prostata eine Lockerung der Haltestrukturen des Schließmuskels und damit eine Senkung der hinteren Harnröhre auslöst. Das Schlingensystem bringt dann das Ganze wieder in die richtige Position. „Neben dem Einsatz eines künstlichen Schließmuskels ist das AdVance®-Band die Operation, die am häufigsten bei Patienten mit persistierender Belastungsinkontinenz nach Prostata-Operation durchgeführt wird“, so Grabbert.
Der Vorgänger der Schlinge war zwar effektiv, wies aber ein hohes Therapieversagen auf
In die Studie eingeschlossen sind 83 konsekutive Patienten mit Belastungsinkontinenz nach radikaler Prostatektomie. Ausschlusskriterien waren eine vorhergehende Inkontinenz-OP, ein Urinverlust im Liegen sowie eine funktionelle Harnröhrenlänge unter 1 cm. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 69,5 Jahren, der durchschnittliche BMI betrug 27 und der durchschnittliche Urinverlust innerhalb von 24 Stunden im Pad-Test lag bei 349 g.
Nach der Operation wurde ein standardisierter 24-Stunden-Pad-Test durchgeführt und die Lebensqualität ermittelt (I-QoL und ICIQ-UI SF). Den postoperativen Schmerz erfassten die Forscher durch die visuelle Analogskala (VAS), die erektile Funktion mit dem International Index of Erectile Function (IIEF-5). Erhoben wurde auch der International Prostate Symptom Score (IPSS) und die Patient Global Impression of Improvement (PGI). Patienten mit einem Urinverlust von 0 bis zu 5 g im 24-Stunden-Pad-Test wurden als geheilt bewertet. Eine Reduktion des Urinverlusts um mehr als 50% wurde als Verbesserung gewertet.
„Schon der Vorgänger der XP-Schlinge war effektiv und sicher bei männlicher Belastungsinkontinenz nach radikaler Prostatektomie. Allerdings gab es darunter 20 bis 45 Prozent Therapieversager“, berichete Grabbert. Evaluationen hatten dann gezeigt, dass eine sichere Fixierung der Schlinge und eine durchdachte Patientenselektion ausschlaggebend für ein gutes Outcome sind.
Die Weiterentwicklung des Bandes – seit 2010 in Deutschland zugelassen – weist im Vergleich zum Vorgänger 2 entscheidende Neuerungen auf: Die ins Gewebe eingearbeiteten Ankerhäkchen und den neuen Tunneler, der ans männliche Becken angepasst ist und ein leichteres Einsetzen speziell bei adipösen Patienten erlaubt. Durch die Ankerhäkchen ist die Schlinge besser fixiert und verhindert ein frühes Versagen durch Verrutschen.
Urinverlust signifikant reduziert und Lebensqualität verbessert
Postoperativ reduzierte sich der mittlere Urinverlust signifikant auf 6,8 g/24h (p < 0,001). Die mittlere VAS lag bei 0,3 und der mittlere PGI bei 1,4. Die erfassten Lebensqualität-Scores verbesserten sich signifikant (jeweils p < 0,001). Bei 6 Patienten (9,2%) kam es zu persistierendem Restharn, verursacht durch eine intraoperative Überkorrektur im Zusammenhang mit der Entfernung der Tyvek-Hüllen des Implantats. Dieses Problem ließ sich durch eine Anpassung der OP-Technik – die einseitige Ärmchendurchtrennung des Implantats nach 3 Monaten – komplett beheben.
Nach 3 Monaten galten 63,9% der Patienten als geheilt, eine Verbesserung hatte sich bei 31,1% der Probanden eingestellt. Nach 6 Monaten waren 68,8% geheilt, bei 23,8% war eine Verbesserung eingetreten. Nach 12 Monaten konnten 69,2% der Patienten als geheilt gelten, eine Verbesserung trat bei 21,5% auf. Nach 24 Monaten lag das Verhältnis bei 66,7% zu 13,3%. „Die Patienten hatten keine Schmerzen und wiesen eine hohe Zufriedenheit auf“, berichtete Grabbert.
„Der Vorlagenverbrauch und der Urinverlust nahmen deutlich ab, die Lebensqualität verbesserte sich signifikant und die durch die Operation erreichten Ergebnisse bleiben stabil“, so Grabberts Bilanz nach 24 Monaten. Es gab keine intraoperativen Komplikationen, keine Infektionen, keine perinealen Schmerzen, die länger als 4 Wochen dauerten. Es kam weder zu Harnröhrenarrosionen noch waren Explantationen notwendig.
Zentraler Punkt allerdings sei eine sorgfältige Auswahl der Patienten, betonte Grabbert: „Wir implantieren nicht bei bestrahlten Patienten. Und auch bei Patienten, die sich zuvor einer Inkontinenz-OP unterzogen oder Patienten, die einen Urinverlust im Liegen aufweisen, setzen wir das Implantat nicht ein.“ Grundsätzlich sollten alle infrage kommenden Patienten vorab zystoskopisch untersucht werden: „Eine gewisse Elastizität des Gewebes und die funktionelle Beweglichkeit der Harnröhre sollten gegeben sein“, so Grabbert. Die Studie wird fortgesetzt um zu sehen, ob die Ergebnisse auch nach 5 Jahren noch stabil sind.
REFERENZEN:
1. 67. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU), 23. bis 26. September 2015, Hamburg
Diesen Artikel so zitieren: Inkontinenz nach radikaler Prostatektomie: Zwei-Jahres-Studie zeigt Erfolge mit verbessertem Schlingensystem - Medscape - 8. Okt 2015.
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