
Prof. Dr. Padmanee Sharma
Wien – „Zum ersten Mal hat ein Medikament bei vorbehandelten Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom das Überleben verlängert.“ Mit diesen Worten fasste Prof. Dr. Padmanee Sharma, Onkologin am MD Anderson Cancer Center in Houston, Texas, die Ergebnisse der CheckMate 025 Studie bei deren Präsentation auf dem Europäischen Krebskongress (ECC) in Wien zusammen [1].
Tatsächlich hatte in der Studie, die zeitgleich im New England Journal of Medicine erschienen ist, der PD-1 Checkpoint Inhibitor Nivolumab im Vergleich zu Everolimus, dem derzeitigen Standard in der Zweitlinie, die mediane Überlebenszeit der Patienten von 19,6 auf 25 Monate signifikant verlängert [2]. Oder anders ausgedrückt: Das Sterberisiko unter Nivolumab war signifikant um 27% geringer (Hazard Ratio: 0,73; p = 0,002). Gleichzeitig wurde Nivolumab besser vertragen als Everolimus. Es traten weniger behandlungs-assoziierte Nebenwirkungen Grad 3 und 4 auf (19 vs 37%).
„Die FDA hat Nivolumab aufgrund der Ergebnisse eine ‚Breakthrough‘-Kennzeichnung für das fortgeschrittene bzw. metastasierte Nierenzellkarzinom zuerkannt“, berichtete Sharma in Wien. Mit einer solchen Kennzeichnung erkennt die US-Arzneimittelbehörde an, dass eine Behandlung eine substanzielle Verbesserung des bisherigen Standards darstellt und garantiert die Zulassung (oder Ablehnung) innerhalb von maximal 60 Tagen.
Bisher überleben nur zwölf Prozent der Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung fünf Jahre
Tatsächlich besteht beim Nierenzellkrebs ein eindeutiger Bedarf für eine neue wirksame Behandlungsmöglichkeit machte Sharma in ihrer Einleitung deutlich: 338.000 Erkrankungen werden weltweit jährlich diagnostiziert, rund 30% sind bei der Diagnose bereits metastasiert. Nur etwa 12% der Patienten mit fortgeschrittenem Krankheitsstadium überleben 5 Jahre. Alle bisher zugelassenen Therapien haben lediglich einen Effekt auf das progressionsfreie Intervall gezeigt – ihr Einfluss auf die Überlebenszeit sei dagegen „begrenzt“.
Bei CheckMate 025 handelte es sich um eine randomisierte offene Phase-3-Studie, in der 821 Patienten mit klarzelligem Nierenzellkarzinom, das unter 1 oder 2 vorherigen anti-angiogenen Therapien progredient war, entweder Nivolumab (3 mg/kg KG i.v. alle 2 Wochen) oder Everolimus (10 mg oral als Tablette 1x tgl.) erhalten hatten. Der primäre Studienendpunkt war das Gesamtüberleben (Overall Survival, OS). Sekundäre Endpunkte waren die objektive Ansprechrate und die Sicherheit der Therapie.
Nicht nur in der Überlebenszeit auch im sekundären Endpunkt der objektiven Ansprechrate zeigte sich eine eindeutige Überlegenheit von Nivolumab (25 zu 5%; p < 0,001). Die partielle Ansprechrate betrug 24,1 versus 4,9%, das komplette Ansprechen 1,0 versus 0,5%. Das Ansprechen sei oft von Dauer gewesen, berichten die Autoren.
Die mediane progressionsfreie Zeit unter den beiden Behandlungen war mit im Median 4,6 Monaten unter Nivolumab aber nicht signifikant länger als unter dem mTOR Inhibitor Everolimus mit 4,4 Monaten. Dies weise darauf hin, dass die progressionsfreie Zeit kein geeigneter Surrogatparameter für das verlängerte Überleben unter Nivolumab sei, schreiben die Studienautoren in ihrer Publikation.
Sharma betonte das „günstige Sicherheitsprofil“ des PD-1 Checkpoint Inhibitors – so gab es nur etwa halb so viele Nebenwirkungen Grad 3 und 4 wie unter Everolimus. Am häufigsten war unter Nivolumab mit 2% Fatigue, unter Everolimus waren mit 8% Anämien am häufigsten.
Nivolumab hemmt bekanntlich die Interaktion zwischen dem Zelloberflächen-Rezeptor Programmed cell Death protein 1 (PD-1) und dessen Liganden (PD-L1) an einer entscheidenden Stelle („Checkpoint“) – löst damit eine Art Bremse im Immunsystem – und verbessert so dessen Fähigkeit Tumorzellen zu erkennen und zu vernichten.
Kein Zusammenhang zwischen PD-L1-Expression im Tumor und dem Ansprechen
In einem begleitenden Editorial im New England Journal of Medicine weisen dementsprechend auch die beiden Onkologen Prof. Dr. David I. Quinn und Dr. Primo N. Lara, Jr., beide von der Universität von Kalifornien, darauf hin, dass schon die früher zur Therapie des Nierenzellkarzinoms eingesetzten Zytokine, etwa Interferon alfa und Interleukin-2, den immunogenen Charakter des Nierenzellkarzinoms deutlich gemacht haben. In vereinzelten Fällen war es auch hier bereits unter Interleukin-2 zu einem kompletten Ansprechen gekommen.
Ein interessantes Ergebnis von CheckMate 025 war nun aber, dass kein Zusammenhang zwischen der PD-L1-Expression in den Tumoren und dem Überlebensgewinn gefunden wurde.
Bei aller Euphorie über die Ergebnisse von CheckMate 025 und der zeitgleich beim Kongress ebenfalls vorgestellten sehr positiven METEOR-Studie mit Carbozantinib beim Nierenzellkarzinom verweisen Quinn und Lara jedoch darauf, dass die „Komplettremissionen als erster Schritt zu einer Heilung“ auch in CheckMate mit 1% unter Nivolumab „enttäuschend gering“ ausfielen – es sei aber die Frage, ob eine solche Komplettremission unter Nivolumab überhaupt notwendig sei, und nicht auch ohne ein Langzeitnutzen für die Patienten erreichbar sei.

Prof. Dr. Toni Choueiri
In Ihren Augen schreit die Situation geradezu danach, vor diesem Hintergrund Kombinationstherapien mit den neuen Wirkstoffen bei diesen Patienten zu testen. Mögliche Kombinationen waren ebenfalls ein wichtiger Diskussionspunkt in der begleitenden Pressekonferenz in Wien. Prof. Dr. Toni Choueiri, Erstautor der METEOR-Studie, sagte: „Das ist definitiv der nächste Schritt, den wir tun sollten, verschiedene Kombinationen zu testen.“
Auch die Frage, ob es sinnvoll ist, eine Nivolumab-Therapie auch bei Krankheitsprogression weiterzuführen, ist nicht geklärt. In der Studie war die weitere Behandlung trotz Progression erlaubt, wenn es Hinweise auf einen klinischen Nutzen gab und die Therapie gut vertragen wurde.
Die Studie wird die Behandlung verändern, sind die Autoren überzeugt
Sharma zeigte sich in Wien überzeugt, dass die Studie die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom, die unter der Erstlinientherapie ein Rezidiv entwickeln, verändern wird. „Wir hoffen, dass diese Studie dazu beiträgt, dass die Substanz bald als Standardtherapie in dieser Indikation zugelassen wird.“
CheckMate 025 ist übrigens im Juli 2015 nachdem der eindeutige Überlebensvorteil mit Nivolumab klar war, gestoppt worden und den Patienten, die bis dato Everolimus erhalten hatten, wurde die Möglichkeit angeboten, auf Nivolumab zu wechseln. Im anderen Therapiearm wird die Nivolumab-Behandlung fortgeführt .

Prof. Dr. Martine Piccart
Prof. Dr. Martine Piccart, Präsidentin der European CanCer Organisation (ECCO) und Kongress-Vorsitzende von der Freien Universität Brüssel, brachte in der Pressekonferenz noch ein weiteres Thema auf, das ihr und vielen Kollegen im Zusammenhang mit den neuen Onkologika am Herzen liegt: die Kosten. Schon allein aufgrund der Kosten würden die neuen Wirkstoffe voraussichtlich nicht allen Patienten in allen Ländern zu Gute kommen, befürchtet sie. Und die hohen Kosten könnten auch den Einsatz von dann quasi unbezahlbaren Kombinationen limitieren.
Fragen wie die nach Biomarkern, um die Wirkstoffe möglichst gezielt einsetzen zu können oder aber die Frage, ob bei einer Substanz wie Nivolumab, die Therapie irgendwann wieder abgesetzt werden kann, würden wahrscheinlich eher nicht von den beteiligten Pharmafirmen in Studien geprüft werden, sagte sie. Dazu seien unabhängige akademische Studien notwendig. „Es ist wichtig für die Patienten und die Gesellschaft, dass wir diese Fragen klären.“
CheckMate 025 ist vom Nivolumab-Hersteller Bristol Myers Squibb finanziert worden.
REFERENZEN:
1. The European Cancer Congress (ECC) 2015, 25. bis 29. September 2015, Wien
Diesen Artikel so zitieren: Nivolumab beim Nierenzellkarzinom in der Zweitlinie – verlängertes Überleben mit Immuntherapie - Medscape - 28. Sep 2015.
Kommentar