Auch Antiarrhythmika verhindern nicht, dass Vorhofflimmmern nach der Ablation wiederkommt

Simone Reisdorf

Interessenkonflikte

11. September 2015

London – Patienten mit Vorhofflimmern, die mittels Ablation behandelt werden, haben keinen Nutzen von einer anschließenden Antiarrhythmika-Therapie: Die Rezidivrate nach einem Jahr ist ähnlich hoch, ob nun mit oder ohne Medikamente. Das ist das Ergebnis der auf dem ESC-Kongress in London vorgestellten EAST-AF-Studie [1].

PD Dr. Christopher Piorkowski

„Die medikamentöse Unterstützung nach einer Ablation verschafft dem Patienten allenfalls etwa drei Monate Ruhe nach der Intervention, beeinflusst aber nicht den langfristigen Therapieerfolg“, schildert PD Dr. Christopher Piorkowski im Gespräch mit Medscape Deutschland seine Erfahrungen im klinischen Alltag.„Insofern war das Studienergebnis keine Überraschung.“ Piorkowski ist Leitender Arzt der Abteilung für Invasive Elektrophysiologie am Herzzentrum Dresden und Stellvertretender Sprecher der Arbeitsgruppe Rhythmologie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK).

Zwei Studien: Erst Ablationsverfahren auf dem Prüfstand, …

Patienten mit Vorhofflimmern werden häufig mittels Pulmonalvenenablation behandelt, um die unerwünschte Weiterleitung elektrischer Impulse auf den linken Vorhof zu verhindern. Dieses Verfahren soll eigentlich dauerhaft Abhilfe schaffen. Oftmals verbleiben aber noch „Lücken“ in der verödeten Pulmonalvenenmuskulatur, so dass eine erneute Ablationsbehandlung notwendig wird.

In den japanischen Studien UNDER-ATP und EAST-AF wurden nacheinander 2 zusätzliche Behandlungsschritte untersucht, die helfen sollen, solche Rezidive zu verhindern: Zunächst wurden 2.113 Patienten mit paroxysmalem, persistentem oder permanentem Vorhofflimmern in die UNDER-ATP-Studie eingeschlossen und 1:1 auf ATP-geleitete vs konventionelle Ablation randomisiert. Bei der ATP-geleiteten Ablation werden mittels Gabe von Adenosintriphosphat Stellen mit „schlafender“ Impulsweiterleitung aufgespürt und gezielt verödet, um Isolationslücken zu vermeiden.

Diese ausgefeilte Technik brachte den Patienten aber langfristig keinen Vorteil: Nach 12 Monaten waren 68,7% der Patienten mit ATP-geleiteter Ablation vs 67,1% der Patienten mit konventioneller Ablation noch am Leben und hatten keine erneute Ablation benötigt. Von der Berechnung ausgenommen waren die ersten 3 Monate nach der Prozedur. Es ging also nur um Ereignisse in den Monaten 4 bis 12.

 
Die medikamentöse Unterstützung nach einer Ablation verschafft dem Patienten allenfalls etwa drei Monate Ruhe nach der Intervention, beeinflusst aber nicht den langfristigen Therapieerfolg. PD Dr. Christopher Piorkowski
 

… dann die Medikamentengabe

Unmittelbar nach der Ablation waren fast alle Patienten frei von Vorhofflimmern, die meisten nahmen direkt anschließend an der EAST-AF-Studie teil. Hier wurden sie erneut randomisiert und 90 Tage lang mit Antiarrhythmika behandelt oder nur beobachtet. 

Etwa 40% der Patienten waren bereits mit einem Antiarrhythmikum unzureichend vortherapiert, 13% mit 2 Antiarrhythmika und 5% sogar mit 3 oder mehr Antiarrhythmika. Ob nach der Ablation wieder eines der zuvor unwirksamen Medikamente eingesetzt wurde oder ein anderes, lag in der Hand der Studienärzte. Sie verordneten in 3 Viertel der Fälle Klasse-I-Antiarrhythmika (Natriumkanalblocker) wie Flecainid, Pilsicanid, Civenzolin, aber auch Propafenon, Disopyramid und Aprindin. Ein Viertel der Patienten erhielt Klasse-III-Antiarrhythmika (Kaliumkanalblocker) wie Bepridil, Amiodaron oder auch Sotalol.

„Eine solche individuelle Medikamentenauswahl wie in der EAST-AF-Studie entspricht auch dem klinischen Vorgehen, wenn man denn nach der Ablation ein Antiarrhythmikum einsetzen möchte“, betont Piorkowski gegenüber Medscape Deutschland: „Der Arzt wird dies je nach Anamnese des Patienten entscheiden.“ Wer strukturell herzgesund sei, bekomme häufig zuerst ein Klasse-I-Antiarrhythmikum, wer dagegen bereits an koronarer Herzkrankheit und Herzinsuffizienz leide, eher ein Klasse-III-Antiarrhytmikum. Alles Weitere sei vom Behandlungserfolg der jeweiligen Medikamente abhängig.

Insgesamt bewertet Piorkowksi Klasse-III-Antiarrhythmika wie Amiodaron als „deutlich effektiver als die Klasse-I-Antiarrythmika“. Ähnlich sieht es auch Prof. Dr. Hugo A. Katus, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie am Universitätsklinikum Heidelberg und designierter Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie: „Die Therapie mit Klasse-III-Antiarrhythmika wie etwa Amiodaron ist Standard bei Patienten mit Vorhofflimmern“, erklärt er auf Nachfrage von Medscape Deutschland. „Klasse-I-Antiarrhythmika würde man eher einsetzen, wenn die Patienten noch eine gute Ventrikelfunktion oder eine weniger schwere koronare Herzerkrankung haben.“

Dass trotzdem 3 Viertel der Teilnehmer von EAST-AF Klasse-I-Medikamente bekamen, könnte in den unterschiedlichen Kosten begründet sein oder in dem Versuch, nicht gleich alles Pulver zu verschießen: Schließlich standen die Patienten noch am Anfang ihrer Erkrankung, die Ablation in UNDER-ATP war ihre erste.

Antiarrhythmika brachten keine Vorteile

Primäres Ziel der EAST-AF-Studie war aber nicht eine Bewertung der verschiedenen Medikamente, sondern eine Klärung der Frage, ob Antiarrhythmika – unabhängig von ihrer Vaughan-Williams-Klasse – nach der Ablation überhaupt sinnvoll sind.

Dies war nicht der Fall, das längerfristige Outcome der Patienten unterschied sich nicht, wie Prof. Dr. Kazuaki Kaitani, Kardiologe am Tenri Hospital in Kobe, Japan, einräumen musste. Zwar waren mehr Patienten der Antiarrhythmikagruppe am Ende des dritten Monats noch ereignisfrei (59% vs 52,1%), dies war ein wichtiger sekundärer Endpunkt. Beim primären Endpunkt, dem Überleben ohne erneutes Vorhofflimmern in den Monaten 4 bis 12, gab es aber mit 69,5% vs 67,8% keinen signifikanten Vorteil mehr für die Patienten der Antiarrhythmikagruppe.

 
Dies ist nicht die erste negative Studie zu dieser Fragestellung. PD Dr. Christopher Piorkowski
 

Auch die Subgruppenanalysen fand keinen Nutzen

Die Daten wurden für die verschiedensten Subgruppen genauer beleuchtet. Das änderte aber nichts am negativen Studienergebnis. So wurden weder bei den Patienten mit anfangs paroxysmalen Vorhofflimmern noch bei denjenigen mit persistentem oder permanentem Vorhofflimmern Vorteile durch Antiarrhythmika gesehen. In den Monaten 4 bis 12 blieben jeweils ähnlich viele Patienten beider Subgruppen ereignisfrei: 72,5% vs 72,3% der paroxysmalen Flimmerer und 63% vs 58,7% der schwerer betroffenen Patienten.

Wegen technischer Probleme waren die beiden Studienarme, mit vs. ohne Antiarrhythmika, hinsichtlich des Alters nicht ausgewogen (durchschnittlich 65,9 vs 60,7 Jahre), jedoch zeigte auch eine altersadjustierte Auswertung keine Vorteile für die Medikamentenbehandlung vs die medikamentenfreie Beobachtung.Und auch sonst war der Anteil der Patienten mit Therapieerfolg in zahlreichen Subgruppen jeweils ähnlich.

Medikamente nach Ablation immer absetzen?

Damit sieht Piorkowski die These bestätigt, dass die Antiarrhythmikagabe nach Ablation keinen Nutzen hat:„Dies ist nicht die erste negative Studie zu dieser Fragestellung“, stellt er im Gespräch mit Medscape Deutschland klar. „Wir setzen die Medikamente nach Ablation ab. Allenfalls Patienten mit Frührezidiven bringen sie einen kurzfristigen Benefit für einige Monate, das ist immerhin psychologisch günstig.“

Auch Katus bestätigt das negative Studienergebnis: „Initial wurden zwar Vorteile für die medikamentöse Therapie gesehen, nach Absetzen der Medikamente waren diese jedoch aufgehoben“, fasst er zusammen. Er würde aber nicht bei allen Patienten nach Ablation die Medikation stoppen: „Für gewöhnlich setzen wir eine Antiarrhythmikatherapie, die schon vor der Ablation bestand, anschließend fort, bis sich gegebenenfalls wieder ein Rezidiv zeigt“, erklärt er. „Patienten, die zuvor kein Antiarrhythmikum hatten, belassen wir jedoch ohne Medikamente, auch wenn sie nach der Ablation kurzzeitig wieder Vorhofflimmern entwickeln – es sei denn, dieses tritt permanent auf.“

Ob ein signifikanter Unterschied im Therapieerfolg zwischen den Patienten mit Klasse-I- oder Klasse-III-Antiarrhythmika bestand, sagte Kaitani übrigens nicht; hier muss die Veröffentlichung der vollständigen Studiendaten abgewartet werden.

 

REFERENZEN:

1. Kongress der European Society of Cardiology, 28. August bis 2. September 2015, London

Kommentar

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